Brexit? Trump? – Unternehmen trotzen politischen Risiken


Es ist soweit. Kurz vor Quartalsschluss hat die britische Premierministerin den förmlichen Akt des Brexit vollzogen und Artikel 50 der Europäischen Verträge aktiviert. Damit tickt die Ausstiegs-Uhr. Den Verhandlungspartnern bleiben zwei Jahre, um die Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU neu zu regeln. Und die Reaktion der Märkte? Ungeachtet der Brexit-Diskussionen, der neu aufkeimenden griechischen Finanzkrise und der Trumpschen Polterpolitik drehte der DAX wieder deutlich nach oben und strebte in Richtung Allzeithoch. Viel mehr als politische Themen scheint für die Anleger der wirtschaftliche Rahmen im Mittelpunkt ihrer Anlageentscheidungen zu stehen. Und dieser Rahmen ist nach wie vor gut und sogar besser als noch zu Beginn des Jahres erwartet.

Die deutsche Wirtschaft boomt. Im März stieg das Ifo-Geschäftsklimabarometer auf 112,3 Punkte. Das ist nahe am Zehnjahreshoch. Getrieben wird die Verbesserung vom bereits hohen Niveau vor allem bei der Bauwirtschaft und beim verarbeitenden Gewerbe, zwei Branchen, die in besonderer Weise aufgrund ihres kapitalintensiven Geschäfts vom niedrigen Zinsniveau profitieren. Und während der Bau in erster Linie von der inländischen Nachfrage gepusht wird, kann sich die Industrie – mal wieder – im Lichte des Exports sonnen. Protektionismus hin oder her, noch ist davon nichts zu spüren und von einem anziehenden Welthandel profitieren besonders auch deutsche Industrieunternehmen. Folglich eilt auch der Arbeitsmarkt von Rekord zu Rekord. Im Jahr 2017 wird ein Plus von 670.000 Erwerbstätigen erwartet und die Arbeitslosigkeit sollte auf ihren niedrigsten Stand seit 1990 fallen.

Büromärkte starten mit einem leichten Umsatzplus – München mit der stärksten Performance

“Dieser immer noch sehr positive Rahmen gilt auch für die deutschen Büromärkte. Mit guten Unternehmenszahlen und einem optimistischen Blick nach vorne im Gepäck lassen sich Umzugsentscheidungen einfacher treffen, oder personelle Expansionspläne leichter umsetzen – wenn ein entsprechendes Angebot vorhanden ist. Und daran mangelt es. Sowohl das Angebot an top ausgestatteten und flexibel nutzbaren Büroflächen ist limitiert als auch das Angebot an top ausgebildeten Fachkräften. Beides bremst die Dynamik und mag eine Erklärung dafür sein, warum die Vermietungsergebnisse in den deutschen Bürohochburgen nicht noch besser ausfallen”, so Timo Tschammler, CEO JLL Germany. Und weiter: “Doch auch so kann sich der Umsatz für den Jahresauftakt sehen lassen. Von Januar bis März wurden in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart zusammen fast eine Million Quadratmeter vermietet oder an Eigennutzer verkauft, ein Plus von über 7 Prozent gegenüber dem ersten Quartal des Vorjahres und sogar von 31 Prozent im Vergleich zum 5-Jahresdurchschnitt der jeweils ersten Quartale 2012-2016.”

Ein Plus im Vergleich zum Vorjahr gab es auch bei den großen Vertragsabschlüssen jenseits der 10.000 m². Summierten sich sieben Deals dieser Größenordnung im ersten Quartal 2016 auf 115.000 m², so beläuft sich die Summe von aktuell zehn Deals auf immerhin 237.000 m² und damit fast auf ein Viertel des gesamten Quartalsumsatzes.

In der geographischen Analyse hat es eine Wachablösung gegeben. Nachdem sich Berlin über das ganze letzte Jahr als dynamischster Büromarkt erwiesen hat, konnte München wieder einmal an der Hauptstadt auf Platz eins vorbeiziehen. Ein kräftiges Plus gegenüber dem ersten Quartal 2016 von 39 Prozent bescherte der bayerischen Hochburg einen Umsatz von 260.000 m². Berlins Umsatzvolumen ging um 13 Prozent zurück auf immer noch bemerkenswerte knapp 216.000 m².

Die beste 12-Monats-Performance hatte allerdings Hamburg gezeigt. An Elbe und Alster stieg der Umsatz um fast 48 Prozent auf aktuell 160.000 m². Ebenfalls im Plus notierte auch Stuttgart mit 18 Prozent. Für die Schwabenmetropole darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass der größte Einzelabschluss des Quartals auf das Konto des Baubeginns eines weiteren Eigennutzerbaus für die Daimler AG mit allein 50.000 m² ging.

Die übrigen drei Hochburgen Köln, Düsseldorf und Frankfurt mussten dagegen Umsatzrückgänge hinnehmen. Das Minus reichte dabei von knapp 2 Prozent in Düsseldorf bis zu 26 Prozent in Köln. Und Frankfurt? Die registrierten 116.000 m² sind kein berauschendes Ergebnis und nochmals rund 10 Prozent weniger als im ersten Quartal 2016. Von möglichen Brexit-Effekten kann also noch immer keine Rede sein.

“Wir erwarten auch nicht, dass nach dem formellen Vollzug des Ausstiegs der Briten aus der EU der große Londoner Bankenexit erfolgen wird. Natürlich prüfen zahlreiche Banken und Finanzinstitute eine Standortverlagerung ernsthaft und diese Pläne werden umso konkreter, je konkreter Zeitplan und Inhalte der Austrittsverhandlungen werden. Neben Frankfurt stehen auch Dublin, Amsterdam, Paris und Luxemburg auf der Liste der Standorte, die als neue Unternehmenssitze in Frage kommen”, so Timo Tschammler. “Konkrete Zahlen lassen sich aber nach wie vor nicht seriös nennen. Jedes Unternehmen wird letztendlich seine eigenen Entscheidungen treffen und individuelle Standortvor- und -nachteile gegeneinander abwägen. Vor diesem Hintergrund erwarten wir keine einspurigen Wanderungsströme an ausschließlich einen Zielort. Vermutlich wird jede der in Frage kommenden Städte ein Stück vom ‘Brexit-Kuchen’ abbekommen. Unter gesamteuropäischer Risiko-Betrachtung wäre eine damit verbundene räumliche Aufteilung von Banken und Finanzunternehmen für die Immobilienmärkte wünschenswert. Frankfurt wuchert im Werben um neue Beschäftigte aus dem Finanzsektor mit dem Pfund des Sitzes der obersten Bankenaufsicht – der EZB. Ein Vor- oder doch gar ein Nachteil? Es darf nicht vergessen werden, dass im sogenannten ‘War for Talents’, vor allem im Bereich Risikomanagement, die EZB als Wettbewerber der Geschäfts- und Investmentbanken auftritt.”

“Für den weiteren Jahresverlauf 2017 rechnen wir auf Basis der immer noch robusten konjunkturellen Fundamentaldaten und einem äußerst dynamischen Arbeitsmarkt insbesondere im für den Büromarkt wichtigen Dienstleistungssektor mit einer positiven Nachfrageentwicklung für die sieben deutschen Immobilienhochburgen. Aus heutiger Sicht prognostizieren wir ein Umsatzvolumen von mehr als 3,5 Mio. m²”, so Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Scheunemann weiter: “Ein Rückgang gegenüber 2016 zwar, aber sicherlich nicht mit dem Ende des aktuellen Zyklus gleichzusetzen – im Gegenteil: Neue Büros bleiben für Unternehmen in den Hochburgen nur noch schwer zu finden und das Flächenangebot kommt dem starken Expansionsdrang der Unternehmen aktuell nicht hinterher.”

Leerstand sinkt ungebremst weiter – Neubauvolumen kommt nicht nach

Der Büroflächenleerstand ist in allen Big 7-Märkte weiter gesunken und hat zum Ende des ersten Quartals die 5-Mio.-m²-Marke nach unten durchbrochen. Die aktuell 4,9 Mio. m² leerstehenden Flächen entsprechen einer Leerstandsquote von 5,3 Prozent. Damit ist das Angebot kurzfristig verfügbarer Flächen innerhalb der letzten 12 Monate um weitere fast 670.000 m² abgebaut worden.

Leerstandsquoten deutlich über diesem Wert weisen weiterhin nur Frankfurt mit 9 Prozent und Düsseldorf mit 8 Prozent auf. In den übrigen fünf Hochburgen liegen die Quoten mittlerweile teilweise deutlich unter 5 Prozent. Die niedrigste Quote weist Stuttgart mit nur 3,4 Prozent auf. Hier wie auch in München hat mit rund 25 Prozent bzw. 20 Prozent auch der stärkste Leerstandsabbau im 12-Monatszeitraum stattgefunden.

“Wir kommen in den Büromärkten langsam aber sicher in die Bereiche der Vollvermietung. Eine gewisse Fluktuationsreserve von um die 5 Prozent ist aber nötig, um auch kurzfristige Anfragen bedienen zu können. Werte deutlich darunter können dagegen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Stadt hemmen. Um gar nicht erst in eine solche Gefahr zu laufen, müsste das Neubauvolumen inklusive umfassender Sanierungen viel stärker anziehen als es dies aktuell tut. Dies erscheint allerdings angesichts des erhöhten Wettbewerbs mit alternativen Nutzungen um Grundstücke insbesondere mit der Entwicklung von Wohnungen immer schwerer”, so Tschammler.

So hatte denn auch das Fertigstellungsvolumen im abgelaufenen Quartal gegenüber dem ersten Quartal 2016 quasi stagniert. Etwas über 200.000 m² wurden in den sieben Hochburgen zusammen fertiggestellt. Hiervon waren allerdings bereits fast 150.000 m² zum Zeitpunkt der Fertigstellung vermietet oder wurden von Eigennutzern belegt.

“Dieser hohe Anteil an Vorvermietungen bestätigt unsere Beobachtung, dass immer mehr Nutzer durchaus Projektentwicklungen als Flächenalternative ins Auge fassen, sofern die Auswahl an Flächen aus dem Bestand nicht zu den unternehmensspezifischen Anforderungen und Bedürfnissen passt. Bis Ende des Jahres 2017 rechnen wir mit weiteren Neubauflächen im Volumen von 738.000 m², der überwiegende Teil davon wird in Hamburg und München realisiert werden, also gerade in den beiden Städten, in denen auch der Umsatz am deutlichsten zugenommen hat”, so Scheunemann.

Problematisch im Hinblick auf die Angebots-/Nachfragekonstellation dürfte die Situation in Stuttgart und auch in Berlin bleiben. In diesen beiden Städten kommen mit rund 60.000 m² bzw. 53.000 m² volumenmäßig die wenigsten Neubauflächen auf den Markt. “Wenn man dann davon noch den Anteil abzieht, der bereits jetzt vermietet ist, bleiben sogar nur knapp 15.000 m² in Berlin und 25.000 m² in Stuttgart, die noch frei verfügbar sind – ein limitierender Faktor angesichts der guten Nachfrage in beiden Märkten und ein deutliches Signal in Richtung weitere Reduzierung des Leerstandes”, gibt Scheunemann zu bedenken.

Für alle sieben Hochburgen zusammen liegt der Anteil der noch freien Flächen bei nur noch rund 30 Prozent (229.000 m²) und damit um 10 Prozent-Punkte unter der 2017er Prognose des letzten Quartals. Bis zum Jahresende 2017 rechnen wir mit einer weiteren Abnahme des Leerstandes um 0,2 Prozent-Punkte.

Spitzen- und Durchschnittsmieten ziehen weiter an

Die Büromieten haben gegenüber dem letzten Quartal 2016 trotz der guten Nachfrageergebnisse eine kleine Verschnaufpause eingelegt. Lediglich in Berlin gab es im Quartalsvergleich nochmals eine Steigerung um einen Euro auf 28 Euro/m²/Monat. Im Ein-Jahresvergleich steht demzufolge ein Plus von fast 17 Prozent für die deutsche Hauptstadt. In diesem Betrachtungszeitraum folgen Stuttgart mit einem Plus von 7,5 Prozent und München mit einem Mietanstieg von 4,4 Prozent. Lediglich in Köln blieb die Spitzenmiete auch im 12-Monatszeitraum konstant. “Bis Ende des Jahres rechnen wir aber mit einem weiteren Anstieg der Mieten. Der JLL-Spitzenmietpreisindex erreicht für die Big 7 zum Ende des ersten Quartals knapp 188 Punkte und damit den höchsten Wert seit dem ersten Quartal 2002”, so Scheunemann.

Das Plus von 4,8 Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2016 ist gleichbedeutend dem zweitstärksten Anstieg seit 2007. Der weitere prognostizierte Leerstandsabbau lässt die Nettoabsorption auf Jahressicht auf über 700.000 m² ansteigen und in der Folge wird bei den Büromieten über alle Hochburgen hinweg voraussichtlich ein weiteres Wachstum von 3,1 Prozent stehen, gleichbedeutend einem nominalen Plus von 3,6 Prozent auf Gesamtjahressicht.

Ein erneuter Anstieg wird auch für die Durchschnittsmieten zu notieren sein. Der entsprechende Index, 2016 bereits mit einem Plus von 4,5 Prozent, bewegt sich voraussichtlich leicht über dem prozentualen Zuwachs der Spitzenmiete.

www.jll.de

Meldung: JLL, Jones Lang LaSalle GmbH, Frankfurt am Main

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