Transparente Visionen


Zum 25. Jubiläum der Weltleitmesse glasstec, die vom 23. bis 26.10.2018 in Düsseldorf stattfindet, setzt die bewährte Sonderschau glass technology live neue Impulse: Ein Netzwerk aus vier Hochschulen und namhafte Aussteller präsentieren auf der Sonderschau in Halle 11 innovative und visionäre Lösungen aus vier ausgesuchten Schwerpunktthemen; ergänzend verknüpft die glasstec conference wissenschaftliche Theorie mit handfester Praxis.

Die Sonderschau glass technology live ist fester Bestandteil der glasstec. In diesem Jahr widmet sich die Sonderschau den vier Schwerpunktthemen Interaktive Fassaden/Display Glas, Energie und Performance, Konstruktives Glas (massives Glas/Dünnglas) und Neue Technologien. Gemeinsam mit vier Technischen Hochschulen (Darmstadt, Delft, Dresden und Dortmund) und ausgewählten Unternehmen präsentiert die Messe Düsseldorf in Halle 11 zukunftsgerichtete Technologien. Darüber hinaus informiert die glasstec conference über neueste Entwicklungen und greift dabei auch aktuelle Forschungsprojekte aus der Sonderschau auf.

Wesentliches und typisches Merkmal von Glas ist seine Transparenz – eine Eigenschaft, die vor Jahrtausenden den Grundstein für die Begehrlichkeit dieses Werkstoffes gelegt hat und dessen Faszination und Vielseitigkeit im Nutzen bis heute anhält. Von der Frühzeit über die Antike bis ins Mittelalter hat sich die manufaktorische Glasherstellung immer weiter verfeinert und spezialisiert. Mit den industriellen Fertigungsmethoden wurde Glas einerseits zur erschwinglichen Massenware, anderseits erlaubte die maschinelle Glastechnologie ungeahnte Möglichkeiten der Glasveredelung. Zuletzt eröffnete speziell die Digitalisierung ganz neue Anwendungsfelder wie zum Beispiel interaktive Fassaden und energetische Funktionen.

Die glass technology live mit neuem Konzept

Sowohl die besagten Fortschritte in der Glastechnologie als auch die ungeahnten Möglichkeiten des traditionsbehafteten Werkstoffs Glas fasst die glass technology live auf der Weltleitmesse glasstec in Düsseldorf zusammen. Die Sonderschau ist seit 20 Jahren fester Bestandteil der Fachmesse und gilt längst als wichtiger Impulsgeber für die internationale Glasbranche. Einst von Professor Stefan Behling, Senior Executive Partner bei Foster + Partners, und dem Institut für Baukonstruktion der Universität Stuttgart auf den Weg gebracht und über zwei Jahrzehnte von ihm und seinem Team konzipiert, organisiert und geprägt, zeigt sich die glass technology live zum 25. Jubiläum nun in neuem Gewand: Anstatt einer Hochschule hat nun ein Netzwerk aus vier Hochschulen die Konzeption für die Sonderschau erarbeitet. Jede der vier Hochschulen widmet sich dabei einem eigenen Schwerpunktthema und präsentiert jeweils wegweisende Exponate aus den Bereichen Technologie, Produktion und Glasanwendung. Das Themenspektrum ist dabei branchenübergreifend und reicht von Automotive über Consumer bis hin zu Bau und Interieur. Während die TU Darmstadt die Visionen im Konstruktiven Glasbau skizziert und anhand neuer Technologien deren reale Umsetzung plastisch macht, stellt die TU Delft die dazu passenden neuen Glasarten und Glasbautypologien vor. Hingegen widmet sich die Hochschule in Dortmund den interaktiven Fassaden und energetischen Funktionen von Gläsern. Welche Potenziale sich im Glasbau durch Kleben als Fügetechnik erschließen lassen, hat schließlich die Hochschule Dresden ausgearbeitet. Nahezu drei Viertel der in der Sonderschau ausgestellten Exponate sind Erstveröffentlichungen, Projekte aus der universitären Forschung, experimentelle Konzepte oder prämierte Arbeiten aus studentischen Wettbewerben. Themenspezifische „Meet the Expert“-Sessions und die neu konzipierte glasstec conference geben überdies den Besuchern der glass technology live die Möglichkeit, persönliche Kontakte zu knüpfen sowie die Gelegenheit, spannende Vorträge zu hören und an aktuellen Fachdiskussionen teilzunehmen.

Neuheiten von Hochschulen und innovativen Ausstellern

Die von der glass technology live in Halle 11 belegte Fläche unterteilt sich in vier Segmente, die sich den bereits erwähnten Schwerpunktthemen der vier Hochschulen widmen. Hier finden sich teils außergewöhnliche Exponate. Die gemeinsame Klammer um alle Aussteller ist, dass sie völlig neue Wege aufzeigen, die sich mit dem Werkstoff Glas gehen lassen.

Die Seen GmbH beispielsweise beschäftigt sich mit reflektierenden Formen. Metallisch reflektierende Kleinstformen in Glas werfen die Lichter und Farben der Umgebung dabei nach allen Seiten zurück. Die einzelnen Elemente können sehr individuell ausgestaltet werden. In der Wahl der Oberfläche reichen die Möglichkeiten von hoch- und semireflektierenden Metallen bis hin zu bunt schillernden Farbbeschichtungen. Als Formen kommen Quadrat, Rechteck oder Kreis mit einer Größe zwischen zwei und zwanzig Millimetern in Frage. Bis zu fünf verschiedene Typen in frei zu bestimmendem Abstand lassen sich auf dem transparenten Trägermaterial fixieren, das als zweiseitige Einlage in Verbund- oder Verbundsicherheitsgläser eingebracht wird. Gleichmäßige Reihungen und Rasterstrukturen sind ebenso möglich wie Teilflächen, Verläufe und Schriftzüge. Ein interessanter Effekt stellt sich bei einseitig beschichteten Elementen ein. Die unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten der verschieden gewichteten Flächen erzeugen im Laminierprozess eine leichte Wölbung in den einzelnen Formen, sodass eine dreidimensionale Wirkung entsteht.

Elbphilharmonie – Glas neu in Szene gesetzt

Die 2017 eröffnete Elbphilharmonie in Hamburg hat in vielerlei Hinsicht Maßstäbe gesetzt. Einzigartig sind die gebogenen, mehrfach beschichteten und bedruckten multifunktionalen Isoliergläser, die auf der Außenhaut des Gebäudes besondere Lichteffekte schaffen.

Die Josef Gartner GmbH, ein Unternehmen der Permasteelisa-Gruppe, verkleidete das Objekt mit gläsernen Unikaten mit einer Gesamtfläche von 16.000 Quadratmeter. Nie zuvor wurden bisher multifunktionale Isoliergläser mit einer Wölbung entlang nur einer Glaskante hergestellt. Dazu wurden die Glasscheiben nacheinander bedruckt, beschichtet und bei einer Temperatur zwischen 500 und 600 Grad Celsius exakt nach Planvorgabe gebogen.

Von den circa 2.200 eingesetzten Glasscheiben sind etwa 500 Stück sphärisch gebogen. Weitere 1.700 Scheiben wurden plan ausgeführt, jeweils aus eisenoxydarmen Glas mit besonders klarer Durchsicht. Beide Elementgrößen gibt es mit einer Biegung nach außen und umgekehrt mit einem Versatzmaß von 350 Millimetern nach innen. Über ovale Wendeflügel können die Räume natürlich belüftet werden. Jede der Scheiben in der Außenfassade ist mit einem Punktraster-Siebdruck aus Chrom und einem weiteren Punktraster-Farbsiebdruck bedruckt, wobei die kleinen reflektierenden Chrompunkte variieren und so jedes Element zum Unikat machen. Im Bereich der beiden Konzertsäle entstanden sechs innenliegende Terrassen. 5 m hohe und 6,45 m breite sogenannte Stimmgabeln aus Glasfaserkunststoff nehmen dort je drei sphärisch gebogene Scheiben auf und öffnen die Fassade zur dahinterliegenden Loggia wie ein innenliegender Balkon. Bei den Wohnungen sind diese Stimmgabelelemente 5 m breit und 3,33 m hoch und nehmen je zwei sphärisch gebogene Punktraster bedruckte VSG-Verglasungen auf. Diese Musterelemente aus der Elbphilharmonie werden neben weiteren Exponaten von Gartner auf der glass technology live zu sehen sein.

Im weitesten Sinne um Gravitation geht es beim Exponat von Define Engineers, Carpenter/Lowings und seele, denn es zeigt technologische Fortschritte in der Glasverarbeitung, Klebstoffentwicklung, Hochpräzisionstechnik und Fertigung. Ein auf den Kopf gedrehtes Auto hängt an nur zwei dünnen Glasscheiben zwischen einem dreibeinigen Stahlgestell. Die Verbundscheiben sind 1 x 2,20 Meter groß und bestehen jeweils aus zwei von Glaston zur Verfügung gestellten 2 Millimeter teilvorgespannten und von sedak mit SentryGlas laminierten Glasscheiben. Die primäre Verbindung zu dem Glas wird mit transparenten Silikonfolien TSSA von Dow realisiert.

Eine weitere Superlative ist die weltweit größte gebogene Glasscheibe mit einer Bogenlänge von 8.000 Millimeter und einer Hohe von 3.200 Millimeter aus thermisch vorgespanntem Glas, die von Northglass präsentiert wird. Eine speziell entwickelte Ofentechnik erlaubt ein Aufheizen und Abkühlen des Glases auf durchgehenden Transportrollen. Mit diesem Verfahren kann man die beste optische Qualität des gebogenen Glases sicherstellen.

Niemeyer Sphere

Auf dem Gelände der Leipziger Kirow-Werke entsteht gerade innerhalb eines denkmalgeschützten Backsteinensembles einer der letzten Entwürfe des Architekten Oscar Niemeyer (1907-2012). Das Projekt beruht auf dem Entwurf einer Kugel, die das bestehende Gebäude umarmt und zugleich einen Kontrast bildet. Zwei Geschosse beherbergt die Kugel, die aus weißem Sichtbeton mit zwei großzügigen, geschwungenen Fensterausschnitten besteht. Die Fensterausschnitte sind geodätische Kuppeln mit Dreiecksunterteilung. Mit Merck und deren „Liquid Crystal Window-Technologie“ (LCW) für selbstverschattende Isolierverglasung wurde der passende Partner für die Realisierung dieses Projekts gefunden. Ein Kriterium für das Produkt war die Entwicklung eines neutralen Grautons, der in der Ausgangsposition einen sehr hohen Transparenzgrad erreicht. Dieser lässt sich automatisch oder per Knopfdruck stufenlos zu einem sehr dunklen Grau schalten, sodass sich der Eintrag der Sonnenenergie bei Bedarf erheblich vermindern lässt. Zur Sondershow glass technology live in Halle 11 präsentiert Merck ein Modell des Originalbauwerks als Eins-zu-ein-teilnachbau. Der Demonstrator besteht aus 50 verschiedenen Dreiecksgläsern, ca. 1,4 x 1,4 Meter, getragen durch eine Stahlkonstruktion.

Auch alle anderen hier exemplarisch genannten Hersteller stellen in Düsseldorf ihre besonderen Lösungen vor. Wer also wissen möchte, worüber die Branche heute spekuliert, morgen schon diskutiert und was sie übermorgen produziert, dem sei ein Besuch der Sonderschau auf der glasstec 2018 dringend ans Herz gelegt. Interaktive Fassaden, Display- und Dünngläser, zukunftsgerichtete Glastechnologien zur Energiegewinnung sowie die Entwicklungen und Möglichkeiten im Konstruktiven Glasbau: all das gibt es zu bestaunen, anzufassen und auch kritisch zu hinterfragen. Was auch immer der Besucher von der Sonderschau für sich mitnimmt: Er wird das Gefühl haben, zu wissen, wo die Glasbranche heute technologisch steht, welchen Herausforderungen sie jetzt schon gewappnet ist und welche Visionen schon bald Wirklichkeit werden könnten.

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