ADAM & EVELYN Regie: Andreas Goldstein (BRD) Kinostart: 10. Januar 2019


Ein flirrend heißer Sommer 1989 im Osten Deutschlands. Adam arbeitet als Schneider und Fotograf, seine Freundin Evelyn ist Kellnerin. Ihren Urlaub wollen die beiden am Balaton verbringen. Doch Evelyn ertappt Adam dabei, wie er mit einer anderen flirtet, obwohl dies missverständlich zu verstehen war, denn Adam schneidert schöne Kleider, welche von Frauen anprobiert werden. Dabei kann es zu Zärtlichkeiten kommen, schließlich will Adam erfolgreich mit seiner Arbeit agieren, auch wenn er im Osten Deutschlands beheimatet ist. Prompt fährt Evelyn ohne ihn in den Urlaub. Sie fährt stattdessen mit einer Freundin.

Filmposter

Um seine Liebe und die Beziehung zu Evelyn zu retten, fährt Adam in seinem Wartburg hinter den beiden her. Als in Ungarn unerwartet die Grenze nach Österreich geöffnet wurde, bekommt die Flucht in den Westen neue Nahrung. Die beiden raufen sich zu einem Unternehmen zusammen, Mann und Frau, um ohne Stress und Panik die Fahrt fortzusetzen, als sei dies eine ganz normale Urlaubsfahrt mit Aussichtspunkten und herrlicher Landschaft. Kein Stress der Schlechtigkeit verbreitet, keine dramatischen Zuspitzungen die ins Unglück reißen. Kein spannender Krimi der sich präsentiert. Die Fahrt in den Westen ist gesittet und brav, so als wären sie unterwegs zu einem Picknick ins Grüne. Die Grenzen zwischen Ost und West verwischen bis zur Unkenntlichkeit. Selbst in Österreich ist noch immer nicht viel vom Westen zu spüren, obwohl dies schon mitten im Westen ist. Adam und Evelyn befinden sich immer noch auf Urlaubsreise, trinken Kaffee und unterhalten sich. Die peinlichen Situationen während des Grenzübertritts bleiben aus. Aus einer Flucht mit verhängnisvollem Schicksal wird ein verlängertes Wochenende – diese Sichtweise ist neu! Der Film bringt die Flucht von Ost nach West auf einen neuen Standpunkt, das ist bemerkenswert.  Pauschalurlaub substituiert sich zur idyllisch konstituierten Zweisamkeit. Was bleibt dem Westen? Der Blick aus dem Fenster, so als wäre die Umgebung einziger Begleiter. Das Paar hätte gar nicht fortgehen brauchen, sondern im Osten bleiben können, so stark ist ihre Zuversicht und ihr Blick auf die Zukunft , dass sie gar nicht an Veränderung denken, sondern nur ihre Alltagswünsche verwirklichen wollen.

Eine Filmrezension von Kulturexpress

Zum Inhalt

Es ist Hochsommer. Ein Haus mit Garten in der ostdeutschen Provinz bildet die Szenerie, in der Adam und Evelyn den ruhigen Alltag verbringen. Die Außenwelt drängt in Form von sporadischen Besuchen älterer Damen ein, die zu Adams Kundschaft gehören. Eins der Zimmer dient als Schneideatelier und somit als Adams Arbeitsraum, wo er stundenlang in seine Nähkreationen versunken bleibt. Für Adam ist Nähen viel mehr als eine Arbeit, die den Lebensunterhalt sicherstellt: er scheint dabei die eigene Ausdruckssprache gefunden zu haben, die Art und Weise seinen Gedanken Form zu geben. Evelyn steigt jeden Tag nachmittags aufs Fahrrad ein und fährt zum naheliegenden Lokal, wo sie zusammen mit ihrer Freundin Simone als Kellnerin arbeitet. Am letzten Arbeitstag vor dem Urlaub dürfen die beiden früher gehen, was für Evelyn sich als eher unglücklich erweist: beim Anblick eines etwas intimen Moments zwischen Adam und einer seiner Kundinnen, fühlt sich Evelyn betrogen und verlässt das Haus. Ein gemeinsamer Urlaub kommt nach dem unangenehmen Vorfall für Evelyn nicht in Frage und so schließt sie sich Simone und ihrem Freund Michael bei der Ferienreise an. Was Adam jetzt übrig bleibt, ist aus seinem beschützten Rückzugsparadies in die reale Welt einzuspringen um Evelyn zurückzugewinnen. Auf dem Weg stoßt er auf Katja, die auf der Flucht ist, und nimmt sie mit. Die kleine Beziehungskrise zwischen Adam und Evelyn wird zum Ausgangspunkt einer Reise ohne konkreten Ziel und somit zur perfekten Voraussetzung, sich über alles, was bisher die Konstante bildete, neu zu reflektieren. Und zwar vor dem Hintergrund eines für die europäische Geschichte entscheidenden Momentums: des Wendesommers 1989. Wie unmittelbar ist der Einfluss der historischen Ereignisse auf die Reisenden? Vom Radio ertönen die Nachrichten zur Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze, die Aktualität ist präsent, bleibt aber unkommentiert. An einem Abend, der Adam, Evelyn, Michael und Katja in Budapest findet, zieht Michael als einziger Westdeutsche das Interesse auf sich. Auf einem Hügel mit Blick auf die Stadt äußert Evelyn zum ersten Mal den Wunsch, Kunstgeschichte zu studieren und ein kleines, schönes Café aufzumachen. Adam wirkt vor der Perspektive eines Lebens im Westen unvorbereitet. Kann man dort als Schneider Arbeit finden? Was die Antwort heißen wird, scheint ihn wenig zu interessieren. Ob mit geklautem oder zerstörtem Ausweis, bewegen sich die Protagonisten zwischen inneren und äußeren Grenzen, historischem und privatem Raum. Was am Ende davon bleibt ist eine Männer- und Frauengeschichte.

Print Friendly, PDF & Email