GEGEN DEN STROM Regie: Benedikt Erlingsson (Island) Kinostart: 13. Dezember 2018


Gelungene Mischung aus Komödie und Abenteuerfilm mit kämpferischer Natur. Halla (Halldóra Geirharðsdóttir) ist im normalen Leben Chorleiterin, eine sonst unabhängige und warmherzige Frau. Doch hinter der Fassade der Gemächlichkeit verbirgt sie ein Doppelleben als leidenschaftliche Umweltaktivistin. Bekannt unter dem Decknamen „Die Bergfrau” bekämpft sie heimlich in einem Ein-Frau-Krieg die nationale Aluminiumindustrie. Erst mit Vandalismus und letztlich mit Industriesabotage gegen Strommasten auf Island gelingt es ihr, die Verhandlungen zwischen der isländischen Regierung und einem internationalen Investor zu stoppen.

Der isländische Regisseur erschafft eine ebenso knochentrockene wie politisch scharfzüngige Komödie. Mit bildgewaltiger Poesie inszeniert er die betörend kargen Weiten Islands und bietet seiner Hauptdarstellerin Halldóra Geirharðsdóttir den perfekten Raum für eine brillante Performance. Bereits mit seinem großartig skurrilen Spielfilmdebüt „Von Menschen und Pferden” erregte Benedikt Erlingsson international Aufmerksamkeit.

Halla ist die einzige Protagonistin in einem langen Film, der über weite Strecken in der isländischen Natur spielt. Doch Halla hat eine Zwillingsschwester, die ihr aus der Klemme hilft. Dieser Umstand verdeutlicht, wie sehr der Abenteuerfilm ein komödiantisches Kleid bekommt, was aber nicht zu seinem Nachteil geschieht, sondern dazu dient, die anstrengenden und nicht legalen Aktionen abzumildern, aber auch um die Fatalität aufzulockern. Denn was Halla tut, gehört verboten und bestraft! Dafür soll sie büßen. Doch wie das mit Mutterinstinkten ausgestattete Leben in einem spannenden Spielfilm so spielt, bringt die Bewilligung eines fast schon in Vergessenheit geratenen Adoptionsantrags Halles gradlinige Pläne aus dem Takt. Entschlossen plant sie ihre letzte und kühnste Aktion als Retterin des isländischen Hochlands, bevor sie in die Ukraine fahren will, um dort ihr Adoptivkind in Empfang zu nehmen und mit nach Island zu nehmen. Diese Situation lässt mich stutzig werden. Die Vermischung ukrainischer Folklore und die isländische Natur bringen zwei sehr unterschiedliche Kulturen irgendwie durcheinander. Das gilt besonders für den, der nicht so bewandert ist mit Folklore und Trachten des jeweiligen Volkes.

Zur Filmwebsite: Gegen den Strom

Regisseur Benedikt Erlingsson gibt unversehens zu, der Film soll eine Heldengeschichte sein, die in einer Welt drohender Gefahr spielt. Eine Heldengeschichte, die wie ein spannendes Abenteuer daherkommt. Ein ernsthaftes Märchen, das mit einem Lächeln erzählt wird. Die Heldin spielt in dieser Welt eine Art “Artemis”. Die Beschützerin der unberührten Wildnis ist völlig allein, konfrontiert mit den rasend schnellen Veränderungen aus der Umgebung. Sie übernimmt die Rolle der Retterin für zukünftige Generationen. Der Zuschauer sieht die Welt voll und ganz aus Sicht der Heldin, so dass er sich mit ihr identifizieren muss und verstehen kann, was sie antreibt. Doch inwieweit  ein Vorbildcharakter besteht, bleibt fraglich oder sogar abzulehnen. Zu gefährlich sind die Aktionen Hallas, die nur dadurch abgemildert werden, indem sich der Regisseur dazu entschlossen hat, neben dem Abenteuer auch eine gewaltige Komödie zu inszenieren. Das mag aus isländischer Sicht kein Widerspruch sein, wo beinahe jeder jeden kennt und der Weg zurück zur Zivilisation und menschliche Wärme das oberste Gebot sind. Das geht am einfachsten mit einer Portion Humor und einem scheinbar harmlosen Verwechslungsspiel, in das Halla verwickelt ist. Aber die Einordnung ihrer Taten werden verfremdet und verlieren dadurch an Authentizität, meiner Meinung nach. Zumal Hallas Schwester sich opfern muss, indem sie einem buddhistischen Meditationglauben unterliegt, der ihr erlaubt alles auf sich zu nehmen. Einziger Freund Hallas ist Bauer Sveinbjörn (Jóhann Sigurðarson), der seinen Haushund witzigerweise “Frau” nennt. Ohne Sveinbjörn wäre Halla schon auf der ersten Linie verloren gewesen.