„Anwohner und Besucher der Insel auf dem Laufenden zu halten, war von Anfang an ein wichtiger Teil des Projekts“, sagt Lars Friis Cornett, Deutschland-Direktor von Femern A/S. Nicht einmal ein Jahr, nachdem der Staatsvertrag über eine Feste Fehmarnbeltquerung unterschrieben war, öffneten Bernhard und Ingegärd Ketels 2009 die Türen für Neugierige. „Damals war noch gar nicht entschieden, ob ein Tunnel oder eine Brücke gebaut werden würde“, sagt Bernhard Ketels rückblickend.
„Das Interesse an unserem Projekt steigt stetig“, beschreibt Lars Friis Cornett. „Das Infocenter leistet einen wichtigen Beitrag dazu, den Menschen auf Fehmarn, aber auch Besuchern von außerhalb die Fakten zum Fehmarnbelt-Tunnel zu erklären.“ Vor allem auf die Technik, die in dem Absenktunnel steckt, sind viele neugierig”, meint Marie Rhodin, Leiterin des Infocenters in Burg auf Fehmarn.
In einer Ausstellung können Interessierte auf Schautafeln, Videos und Landkarten mehr über den 18 Kilometer langen Tunnel erfahren, der Fehmarn mit der dänischen Insel Lolland verbinden soll. „Hier finden sie einen Ansprechpartner für alle ihre Fragen“, erklärt die Leiterin des Infocenters.
Der Naturschutzbund NABU meldet jetzt, für den geplanten Ostseetunnel gibt es keinen Bedarf – das ist das Ergebnis eines Verkehrsgutachtens des renommierten Verkehrsberatungsbüros Hanseatic Transport Consultancy (HTC), das am 11. Juli 2019 in Hamburg vorgestellt wurde. Der Verbund hatte das Gutachten im Zuge seiner Klagebegründung zur Fehmarnbeltquerung in Auftrag gegeben. Ziel war es, zu ermitteln, inwieweit Europas derzeit größtes und teuerstes Infrastrukturprojekt unter aktuellen wirtschaftlichen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen noch zu rechtfertigen ist.
Das Fazit der HTC-Studie „Bedarfsbezogene Verkehrsmarktuntersuchungen im Kontext der geplanten festen Fehmarnbeltquerung (FFBQ)“ fällt vernichtend aus. Ein tatsächlicher Bedarf für ein Vorhaben dieser Größenordnung wird mit Blick auf die Kosten sowie die erheblichen negativen ökologischen Einflüsse auf den Fehmarnbelt von den Gutachtern ausdrücklich verneint. „Das Urteil der Verkehrsexperten kommt einem Todesstoß für die feste Fehmarnbeltquerung gleich. Das Vorhaben atmet den Geist des 20. Jahrhunderts und darf heute, wo dem Klimafragen und neue Mobilitätsformen immer wichtiger werden, auf keinen Fall gebaut werden“, so Leif Miller, NABU-Bundesgeschäftsführer.
Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass es auf der Strecke keine wesentlichen Engpässe gibt und auch für die Zukunft keine in Sicht sind. Die Gutachter haben keine Anhaltspunkte dafür, dass sich dies bei aktueller weltwirtschaftlicher Abkühlung ändern sollte. Selbst in den vergangenen zehn Jahren der Hochkonjunktur hatte sich kein Wachstum des Verkehrs auf der Strecke eingestellt. Sollte sich dies doch wider Erwarten ändern, könne die Infrastruktur in Dänemark und Deutschland punktuell angepasst werden, so die Gutachter. Das spare ressourcenfressende, ökonomisch und ökologisch höchst fragwürdige Neubauprojekte.
Ein zentraler Punkt des Gutachtens ist die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Die zu erwartenden fundamentalen Veränderungen für Transport, Verkehr und Logistik, etwa mit Blick auf zukünftige Produktions- und Absatzregionen, die Struktur und das Gesamtvolumen der beförderten Güter, seien nie durch aktualisierte Verkehrsprognosen abgebildet worden, obwohl das zeitlich möglich und inhaltlich seit geraumer Zeit nötig gewesen wäre.
Nach Auffassung des NABU zeige das Gutachten eindringlich, dass weder für die Straße noch für die Schiene ein tatsächlicher Bedarf besteht. Wolle man zudem das eigentliche Verkehrsziel der Europäischen Union, den Straßengüterverkehr auf die Schiene zu verlagern („from road to rail“), ernsthaft erreichen, müsse der Bahngüterverkehr gestärkt werden. „Deswegen erwarten wir eine vernünftige und verantwortungsvolle Anpassung der geplanten Fehmarnbeltquerung an die Realität. Ein reiner Eisenbahntunnel in der gebohrten Variante würde den Bahngüterverkehr stärken und deutlich weniger ökologischen Schaden anrichten. Die aktuelle Dimension des Vorhabens ist völlig unangemessen“, so Malte Siegert, Fehmarnbelt-Experte des NABU. Zwei Drittel der Kosten für das Projekt seien aber für die Straßenverbindung vorgesehen, obwohl es sich laut Planfeststellungsbeschluss explizit um ein Eisenbahnprojekt handelt.
Der schwedische Experte für Meeresumwelt und Forschungsingenieur in Geologie, Kjell Andersson erklärte zum Bau des Öresundtunnels: „Ich war anfangs Gegner des Projekts und fürchtete, dass aufgewirbeltes Sediment von den Baggerarbeiten den Meeresboden verwüsten würde. Damals interessierte sich bei Wasserbauarbeiten niemand für die Meeresumwelt. Wir haben uns damals entschieden, aktiv in das Projekt einzusteigen, um ein Ziel zu erreichen: Ich wollte dafür sorgen, dass dem Öresund während der Bauarbeiten möglichst wenig geschadet wird.“
„Am Öresund konnten wir die Auswirkungen auf die Umwelt von Anfang an untersuchen und z.B. das Aufwirbeln von Sedimenten scharf überwachen. Und zwar selbst, mit eigenen Augen, weil wir als Umweltkontrolleure die Möglichkeit dazu bekamen. In den letzten Jahren bin ich 6.000 Tauchstunden am Öresund getaucht und habe mit eigenen Augen verfolgt, wie sich die Umwelt entwickelt.
Dieser Weg, Kritikern die Möglichkeit von Kontrolle zu eröffnen, war völlig neu. Es macht einen riesigen Unterschied, wenn man selbst für den Schutz der Umwelt arbeitet. Daher ermutige ich alle Kritiker, den Bau des Fehmarnbelt-Tunnels konstruktiv zu begleiten. Es ist immer besser, konstruktiv dabei zu sein als nur dagegen. Das ist die wichtigste Erfahrung, die man auf den Fehmarnbelt-Tunnel übertragen kann.”
Bereits am 8. Juli hatte der NABU eine Begründung für die Klage gegen den geplanten Fehmarnbelt-Tunnel am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingereicht. Nach Einschätzung des Verbundes widerspricht das Vorhaben europäischen und nationalen Umweltrechtsnormen und weist eine Reihe von Verfahrensfehlern auf.
Leif Miller: “Die Liste der Versäumnisse ist lang. Das überdimensionierte Bauprojekt ignoriert neue Verkehrsprognosen und bagatellisiert die Umweltauswirkungen in einem europäischen Meeresschutzgebiet. Mit unserer Klagebegründung stellen wir den obersten Verwaltungsrichtern ein neues Verkehrsgutachten und eigene Biotopkartierungen im Fehmarnbelt zur Verfügung, um die Rechtsmäßigkeit der Genehmigung zu überprüfen. Europas größtes Infrastrukturprojekt steht auf sehr tönernen Füßen.”
Anstatt der europäischen Zielsetzung zu entsprechen und den Schienenverkehr zu stärken, setzt der geplante Ostseetunnel auf eine überproportionale Stärkung des klimafeindlichen Straßenverkehrs. Gleichzeitig stellte der NABU in seiner Bewertung des Planfeststellungsbeschlusses fehlerhafte Verträglichkeiten mit der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie sowie artenschutz- und habitatschutzrechtliche Verstöße fest.
“Ein Projekt, das Schweinswalen einen ihrer wichtigsten Wanderkorridore verbaut und die Zerstörung artenreicher Riffe in Kauf nimmt, hat keine Zukunft. Der Fehmarnbelt-Tunnel ist ein Verkehrs-Projekt des vergangenen Jahrhunderts und passt nicht in eine Zeit, wo Hunderttausende junge Menschen für mehr Klima- und Umweltschutz auf die Straße gehen”, so Miller.
Download: Verkehrsgutachten: Bedarfsbezogene Verkehrsmarktuntersuchungen im Kontext der geplanten Festen Fehmarnbeltquerung (FFBQ)
Siehe auch: Dänemark und EU-Kommission haben sich beim Ostseetunnelbau total verschätzt
Download: Die Fehmarnbeltquerung – Eine Synopse von Europas größtem Infrastrukturprojekt
Siehe auch: Scandlines erhebt Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen die Entscheidung der Europäischen Kommission hinsichtlich der Finanzierung des Fehmarnprojekts
Siehe auch: Erste Runde zur befestigten Fehmarnbeltquerung beendet
Meldungen: NABU, Berlin und Femern A/S, Kopenhagen