Zum Wirecard-Compliance-Skandal Rechtsprechung


TILP hatte schon am 12. Mai 2020 die erste Anlegerklage gegen die Wirecard AG eingereicht und einen Tag später die erste Meldung herausgegeben sowie Antrag auf Einleitung eines Musterverfahrens vor dem Landgericht München I gestellt – Aktienschäden auf mindestens 32 Prozent vom jeweiligen Einstandskurs beziffert.

Am 18. Juni 2020 meldete das Rechtsanwaltsbüro: Nach Ad-hoc-Mitteilung zum verschobenen Wirecard-Geschäftsbericht sieht TILP weitere erhebliche Verstöße gegen das Kapitalmarktrecht und plant Erweiterung des Musterverfahrens zum Wirecard-Bilanzskandal.

Die Tübinger Kanzlei TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (TILP) sieht sich nach der heutigen Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung der Wirecard AG (Wirecard) bestätigt, dass Wirecard mehrfach erheblich gegen deutsches und europäisches Kapitalmarktrecht verstoßen und sich damit gegenüber Anlegern und Investoren schadensersatzpflichtig gemacht hat.

Die nunmehr bekannt gewordenen Informationen erhöhen die Chancen der Anleger auf Schadensersatz deutlich: „Die Ad-hoc-Mitteilung von heute untermauert unsere Einschätzung, dass bei Wirecard in der Vergangenheit in ganz erheblichem Maße falsch bilanziert wurde. Zusätzlich zu den von uns bisher schon angenommenen Verstößen halten wir die Kapitalmarktkommunikation von Wirecard daher nunmehr auch wegen falscher Bilanzierung für eklatant falsch und irreführend. Was zunächst als Compliance-Skandal begann, hat sich nach unserer Überzeugung nun endgültig zu einem handfesten Bilanzskandal ausgeweitet“, erklärt Rechtsanwalt Andreas W. Tilp.

Nach der Aufdeckung der zusätzlichen Umstände vom 18. Juni ist auch das beantragte Musterverfahren gegen Wirecard um weitere Gesichtspunkte zu erweitern. Von einer Klage gegen die Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (EY), den Wirtschaftsprüfer von Wirecard, sieht TILP hingegen weiterhin ab: „EY hat sich nach unserem Verständnis hier zwar nicht mit Ruhm bekleckert. Zentral verantwortlich ist aus kapitalmarktrechtlicher Sicht aber weiterhin Wirecard. Und das ist von entscheidender Bedeutung. Gegen Wirecard bestehen die besten Aussichten, Schadensersatz zu erlangen, schon weil diese rechtlich viel leichter durchzusetzen sind. Deswegen sollten geschädigte Anleger sich auch weiterhin an Wirecard als Haftungsgegner halten. Dies ist aus meiner Sicht der beste und sicherste Weg“, erläutert Maximilian Weiss, Rechtsanwalt der TILP-Gruppe.

Wirecard, ein DAX 30 Unternehmen aus Aschheim bei München, ist ein weltweit tätiger Zahlungsdienstleister. Wirecard steht seit Jahren in der Kritik wegen angeblicher Bilanzunregelmäßigkeiten. Mehrfach hatte es in diesem Zusammenhang nach der Veröffentlichung von Dossiers und Presseartikeln, insbesondere der britischen Zeitung Financial Times, in der Vergangenheit Kurseinbrüche im zweistelligen Prozentbereich gegeben. Im Oktober 2019 hatte Wirecard daher selbst eine unabhängige Sonderuntersuchung durch die renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zu den Vorwürfen in Auftrag gegeben. Nachdem mehrfach angekündigte Termine zu dessen Vorlage verschoben wurden, wurde der Bericht am 28. April 2020 der Öffentlichkeit vorgelegt. Darin sprach KPMG unter anderem von Mängeln in der internen Organisation von Wirecard sowie von einem Untersuchungshemmnis. Aufgrund dessen konnte KPMG beispielsweise zu der Existenz und der Höhe von Umsatzerlösen aus bestimmten Geschäftsbeziehungen mit Wirecard keine konkreten Aussagen treffen. Der Kurs der Wirecard-Aktie brach daraufhin zeitweise um rund 40 Prozent ein. Allein dadurch wurden zeitweise über 5 Mrd. EUR an Marktkapitalisierung vernichtet.

„Nach dem KPMG-Bericht sehen wir unsere feste Überzeugung bestätigt, dass Wirecard ein massives Compliance-Problem hatte und hat – und darüber hätte Wirecard den Kapitalmarkt rechtzeitig in Kenntnis setzen müssen“, sagt Maximilian Weiss, Rechtsanwalt der TILP-Gruppe. „Das Maß ist jetzt voll. Wir haben nunmehr alle rechtlich erforderlichen Fakten beieinander und können diese belegen – daher messen wir der von uns eingereichten Klage hohe Erfolgschancen bei“, erläutert Weiss.

TILP macht vor dem LG München I zu Gunsten der klagenden Effecten-Spiegel AG wegen derer Aktienkäufe im Jahr 2019 sogenannte Kursdifferenzschäden nach § 97 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) geltend. TILP begründet die Klage damit, dass Wirecard dem Kapitalmarkt gravierende Mängel in seinem Compliance-System verschwiegen hat. TILP beziffert den Schaden dabei auf mindestens 32,07 Prozent des jeweiligen von der Klägerin bezahlten Einstandskurses pro Aktie.

Nach der festen Rechtsüberzeugung von TILP hat sich die Wirecard AG wegen einer Reihe von falschen, unterlassenen sowie unvollständigen Kapitalmarktinformationen gegenüber ihren Aktionären schadenersatzpflichtig gemacht. Betroffen sind zumindest alle Aktienkäufe in dem Zeitraum vom 24. Februar 2016 bis 27. April 2020. Schadenersatzberechtigt sind nach Einschätzung von TILP sowohl Anleger, welche die Aktien noch am 27. April 2020 gehalten haben, wie auch solche, die sie bereits zuvor mit Verlust veräußert haben.

„Unsere Kanzlei hat mit der jetzigen Klage zeitgleich einen Antrag auf die Einleitung eines Musterverfahrens nach dem KapMuG vor dem Oberlandesgericht München gestellt. Ein solches Verfahren erhöht die Erfolgsaussichten von klagenden Anlegern und Investoren deutlich, senkt deren Kostenrisiko erheblich und bedeutet maximalen Druck für die Beklagtenseite“, erklärt Rechtsanwalt Andreas W. Tilp, Geschäftsführer von TILP, die prozessuale Strategie der Kanzlei.

Die Kanzlei TILP ist auf das Führen von Musterverfahren nach dem KapMuG spezialisiert. Dieses spezielle Gesetz wurde aufgrund der von TILP im Jahr 2001 als erster Kanzlei initiierten Telekom-Klagen geschaffen, um eine Vielzahl von Klägern in einem Musterverfahren zu bündeln. Es ist quasi eine Art „deutsche Sammelklage für Kapitalanleger“. Die Kanzleien der TILP-Gruppe vertreten u. a. die jeweiligen Musterkläger in dem DT3-Verfahren gegen die Deutsche Telekom AG, die frühere Hypo Real Estate Holding AG (HRE), die Volkswagen AG und die Steinhoff International Holdings N.V. (Steinhoff). Der Bundesgerichtshof entschied im Oktober 2014 im Fall DT3 zu Gunsten des Musterklägers, das OLG München im Fall HRE im Dezember 2014 ebenfalls. Das Musterverfahren im Steinhoff-Bilanzskandal vor dem OLG Frankfurt am Main ruht derzeit wegen Vergleichsverhandlungen.

TILP hat eine Plattform unter www.wirecard-klage.de eingerichtet, auf der sich Anleger und Investoren kostenfrei registrieren können und dann kostenfrei weitere Informationen erhalten.

Foto (c) Wirecard AG, Meldung: TILP, Kirchentellinsfurt

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