Die Pandemie zeigt auf, wo Kinder und Jugendliche gefährdet sind Beratungsangebot


Jungen haben durch Distanzunterricht und Online-Angebote während der coronabedingten Schulschließungen stärkere Lerneinbußen erfahren als Mädchen. Dies ist eines der Ergebnisse der detaillierten Auswertung einer Studie aus der Pädagogischen Psychologie an der Goethe-Universität, die bereits im Frühsommer veröffentlicht wurde und bei Kindern und Jugendlichen in der Pandemie starke Lerneinbußen diagnostiziert hatte. Auf Grundlage ihrer Studie haben die Verfasser ein Beratungsangebot für Jugendliche der Sekundarstufe entwickelt, das nun in die Startphase geht.

Kinder im Grundschulalter waren durch Distanzunterricht und Online-Angebote während der Pandemie in ihren Lernleistungen besonders betroffen. Jugendliche wiesen vor allem dann Lerndefizite auf, wenn sie aus Haushalten mit niedrigem sozio-ökonomischen Status stammten oder bereits vorher unter Lernschwierigkeiten litten. Fand dagegen systematisch Online-Unterricht statt, waren diese Lerneinbußen allerdings weitaus geringer und profitierten davon auch lernschwache Kinder und Jugendliche. Insgesamt haben Mädchen das Online-Angebot stärker genutzt als ihre gleichaltrigen Mitschüler.

Dies ergibt die Detailauswertung einer Studie aus der Pädagogischen Psychologie an der Goethe-Universität, deren erste Ergebnisse im Frühsommer veröffentlicht worden waren. Bei diesem systematischen Review waren mit wissenschaftlichen Datenbanken weltweit jene Studien identifiziert worden, in denen die Auswirkungen der coronabedingten Schulschließungen auf die Leistungen und Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern berechnet wurden. Inzwischen wurde eine genauere Auswertung der Studien publiziert.

Der Befund, dass Mädchen vom Online-Unterricht mehr profitierten als ihre gleichaltrigen Mitschüler, entspricht den Ergebnissen zweier Masterarbeiten im Studiengang Psychologie der Goethe-Universität, in deren Rahmen Schulpsychologinnen zu ihren Erfahrungen während der coronabedingten Schulschließungen befragt wurden. Auch diese gaben an, dass Jungen im Durchschnitt weniger in der Lage waren, ihr Lernen zu strukturieren und deshalb ihre Lernzeit erheblich reduzierten. Die Befragungen bestätigen eine weitere These des Review: Kinder mit schlechter technischer und räumlicher Ausstattung zu Hause kamen mit Online-Angeboten weniger gut klar. Der sozio-ökonomische Status korreliert zudem mit der Schulform, so dass besonders Kinder und Jugendliche aus Haupt-, Real- und Brennpunktschulen von Lernproblemen betroffen waren. Kinder aus sozial benachteiligten Elternhäusern wiesen zudem oft auch eine negative sozio-emotionale Entwicklung auf, die wiederum den Lernerfolg negativ beeinflusste.

„Bildungsbenachteiligungen gab es vor und während der Pandemie. Und es wird sie auch danach geben“, sagt Dr. Thomas Dreisörner, der einer der Verfasser der Studie ist. „Die Pandemie hat aber wieder einmal wie unter einem Brennglas gezeigt, wo Kinder und Jugendliche besonders gefährdet sind. Es ist jetzt an der Zeit, mit wissenschaftlich fundierten Angeboten diese Bildungsbenachteiligungen zu kompensieren.“

Die Verfasser haben deshalb auf die Ergebnisse ihrer Studie reagiert und ein Beratungsangebot für besonders gefährdete Jugendliche der 9. bis 12. Klassenstufe entwickelt. In diesem Rahmen nehmen interessierte Jugendliche an einem Online-Screening teil, das ihren aktuellen Leistungsstand in Mathematik, ihre Motivation sowie den Umgang mit Medien erfasst. Ziel der Beratung ist, Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten stärker für schulische Inhalte und eine längere, intensivere Lernzeit zu motivieren. Darüber hinaus sollen sie dazu befähigt werden, weniger Medien zu konsumieren und sich von Medien beim Lernen weniger ablenken lassen. Zudem soll das emotionale Wohlbefinden der jungen Menschen und ihr Umgang mit Stress verbessert werden. Die Beratung wird von der Beratungsstelle MainKind an der Goethe-Universität geleistet und soll langfristig in deren Portfolio eingehen.

                                                                                                              flyer_mainkind.pdf (uni-frankfurt.de)     

Die Beratungsstelle MainKind wird von Professur von Prof. Andreas Frey, der Pädagogische Psychologie mit Schwerpunkt Beratung, Diagnostik und Evaluation lehrt und einer der Verfasser der Studie ist, wissenschaftlich geleitet; die fachliche Leitung erfolgt durch Dr. Thomas Dreisörner. Die Beratungsstelle bietet für Kinder, Jugendliche und deren Familien eine ausführliche Diagnostik und Beratung zu Lernauffälligkeiten an.

Das von Svenja Hammerstein, Christoph König, Thomas Dreisörner und Andreas Frey verfasste systematische Review “Effects of COVID-19-Related School Closures on Student Achievement—A Systematic Review” ist kostenfrei zum Download verfügbar https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.746289 

Die Arbeit wurde im Projekt „Coronabedingte Bildungsbenachteiligungen erkennen und verringern“ (CoBi) entwickelt, das von der Beisheim Stiftung und dem Goethe Corona-Fonds der Goethe-Universität gefördert wird.