Das Kunstwerk erinnert an das ehemalige Jüdische Kinderhaus in Frankfurt-Sachsenhausen.
Am 26. April enthüllte der Frankfurter OB Peter Feldmann zusammen mit Kulturdezernentin Ina Hartwig ein bronzenes Kunstwerk im Gedenken an das ehemalige Jüdische Kinderhaus. Anwesend waren auch Zeitzeugen und der Kulturdezernent der Jüdischen Gemeinde, Marc Grünbaum, sowie Nachfahren deportierter Kinder und Betreuer, die teilnahmen. Die Familien hatten teils lange Wege aus Israel auf sich genommen, um der Enthüllung beizuwohnen.
Seit 1919 befand sich das Kinderhaus des Vereins der Weiblichen Fürsorge Israelitischer Frauenverein zur Förderung gemeinnütziger Bestrebungen in der Hans-Thoma-Straße 24. Zunächst wurden bedürftige, zumeist jüdische Kinder vom Säuglingsalter bis zum sechsten Lebensjahr aufgenommen. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten gaben Eltern, die durch die wachsende antisemitische Verfolgung in Not geraten waren oder sich auf die Flucht vorbereiteten, ihre Kinder dort in Obhut. Ein Großteil der hier lebenden Kinder sowie ihrer Betreuerinnen und Betreuer wurden in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Nur wenige überlebten. An das ehemalige Jüdische Kinder- und Waisenhaus erinnert jetzt ein Denkmal.
„Es wurde auf Anregung der von Sachsenhäuser Bürgern gegründeten ‚Initiative Jüdisches Kinderhaus Hans-Thoma-Straße 24‘ gemeinsam mit der Stadt Frankfurt geplant und umgesetzt. Gestaltet hat das Denkmal die in Schweden geborene, von einer Jury ausgewählte Künstlerin Filippa Pettersson. Es handelt sich um die bronzene Skulptur eines Dreidels. Das Spiel mit dem Dreidel, einem meist hölzernen Kreisel, ist ein Kinderspiel zum jüdischen Lichterfest Chanukka. „Wir gedenken damit der vielen Kinder und derer, die sich um ihr Wohl sorgten, und die von den Nationalsozialisten in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert und dort ermordet wurden. Wir zeigen auch, dass in unserer modernen Stadt kein Platz für Antisemitismus ist“, sagte Schirmherr und Oberbürgermeister Peter Feldmann.
Am 15. September 1942 wurde zuletzt eine Gruppe von 43 Kindern gemeinsam mit ihren Betreuerinnen und Betreuern in das Ghetto Theresienstadt verschleppt. Kurz darauf wurde das Kinderhaus geschlossen. Von diesen Kindern im Alter von einem bis 14 Jahren überlebten nur sechs. Viele Schicksale sind bis heute unbekannt. „Dieses Kunstwerk und der neu gestaltete Platz schaffen einen Ort der Erinnerung. Der Dreidel mag symbolisch nicht nur für den kostbaren Schatz der Kindheit stehen. Zusammen mit diesem Platz erinnert er auch an ein Haus, in dem viele Kinder wie auf einer Insel im braunen Meer lebten und wo versucht wurde, ihnen trotz schwierigster Umstände ein liebvolles Zuhause zu bieten“, sagte Kulturdezernentin Ina Hartwig. Die von Volker Mahnkopp, Pfarrer der benachbarten Maria-Magdalena-Gemeinde, recherchierte Geschichte zeigt, dass bisher weder die Existenz des Kinderhauses noch das Schicksal seiner Bewohnerinnen und Bewohner im Bewusstsein der Bevölkerung verankert sind.
„Unter den vier Bewerbungen hat uns Filippa Petterssons klarer Entwurf auf Anhieb am meisten überzeugt“, sagt Natascha Schröder-Cordes, Gemeindepädagogin und eine der Initiatorinnen des Denkmals. Filippa Pettersson, geboren 1987, lebt und arbeitet in Frankfurt. Sie ist Absolventin der Städelschule, an der sie bei Peter Fischli und Simon Starling von 2010 bis 2015 Bildhauerei studierte. Die Finanzierung der für das Kunstwerk erforderlichen 27.000 Euro erfolgt zum Großteil durch Stiftungen und private Spenden, die die Initiative eingeworben.