DAS SCHWEIGENDE KLASSENZIMMER Regie: Lars Kraume (BRD) Kinostart: 01. März 2018


Während eines Kinobesuchs in Westberlin sehen die Abiturienten Theo (Leonard Scheicher) und Kurt (Tom Gramenz) in der Wochenschau dramatische Bilder vom Aufstand der Ungarn in Budapest. Zurück in Stalinstadt entsteht spontan die Idee im Unterricht eine solidarische Schweigeminute für die Opfer des Aufstands abzuhalten. Diese Geste zieht jedoch viel weitere Kreise als erwartet: Während ihr Rektor (Fiorian Lukas) zwar zunächst versucht, das Ganze als Jugendlaune abzutun, geraten die Schüler in die politischen Mühlen der noch jungen DDR. Der Volksbildungsminister (Burghart Klaußner) verurteilt die Aktion als eindeutig konterrevolutionären Akt und verlangt von den Schülern innerhalb einer Woche den Rädelsführer zu benennen. Doch die Schüler halten zusammen und werden damit vor eine existentielle Entscheidung gestellt.

BESETZUNG

Leonard Scheicher – Theo Lemke
Tom Gramenz – Kurt Wächter
Lena Klenke – Lena
Isaiah Michalski – Paul
Jonas Dassler – Erik Babinsky
Ronald Zehrfeld – Hermann Lemke
Florian Lukas – Direktor Schwarz
Jördis Triebel – Kreisschulrätin Kessler
Michael Gwisdek – Edgar
Burghart Klaußner – Volksbildungsminister Lange
Götz Schubert – Pfarrer Melzer
Judith Engel – Anna Wächter
Max Hopp – Hans Wächter
Rolf Kanies – Wardetzki
Daniel Krauss – FDJ-Sekretär Lange
Carina N. Wiese – Irmgard Lemke

STAB

Regie: Lars Kraume
Drehbuch: Lars Kraume
Dietrich Garstka Autor der Vorlage
Produktion: Miriam Düssel
Susanne Freyer
Kalle Friz
Isabel Hund
Thomas Kufus
Caroline von Senden
Kamera: Jens Harant

TECHNISCHE DATEN

Lauflänge: 111 Min.
Format: Cinemascope
Ton: 5.1

Kommentar von Dietrich Garstka

“Das ist doch vorbei! Die Geschichte muss man mal ruhen lassen!” – Es gab Stimmen, die immer schon so oder ähnlich formulierten.

Und es gab Menschen, die immer schon sahen, was damals wirklich geschah: Junge Menschen, die Widerstand gegen einen Staatsapparat leisteten, ohne diesen Widerstand je geplant zu haben. Die in den Widerstand sozusagen hineinrutschten, dann aber an ihm und an sich selbst wuchsen. Jugendliche, die ein Zeichen setzten, weil sie sich mit der Kraft, die Jugendlichen eigen ist, und auch heute noch eigen ist, empörten gegen das, was sie als Unfreiheit erlebten.

Miriam Düssel, die Produzentin, hat das gesehen. Ich erinnere mich noch genau an unser erstes Gespräch im Ullstein Verlag. Sie sah die Kraft, die in dieser Geschichte liegt. Lars Kraume hat das gesehen. Ihm gelingt es, bei aller Leichtigkeit von Jugend auch die Politisierung ihres Verhaltens einzufangen und eine Entwicklung nachzuzeichnen, die zeigt, wie die Klasse unter dem entstehenden Druck des Staatsapparates zusammenwächst. Das haben die Funktionäre damals nicht verstanden. Aber genau diese Entwicklung ist sehr gut dargestellt.

Dass der Stoff filmisch umgesetzt würde, hat mich, ehrlich gesagt, nicht überrascht. Seit Erscheinen des Buches haben die öffentlichen Medien schon immer ein großes Interesse an der Geschichte gezeigt. Natürlich war mir zunächst auch ein wenig bang, denn es ist ja vielleicht auch schwierig zu akzeptieren, dass ein Film einer anderen Dramaturgie folgt. Aber dass es nun diesen Film gibt, freut mich aufrichtig. Bei jedem Bild dachte ich: Aha. Ja, so war’s. Das hat sich so ereignet. Alles treffsicher. Die Erinnerung wurde wach und die Gefühle waren genau die gleichen, wie vor sechzig Jahren. Ablehnung bis zur Verachtung für die Ideologisierung von Menschen. Verachtung dafür, dass es selbst bei Schülern letztlich nur noch darum gehen sollte, ob sie für oder gegen das Regime waren. Bist du für den Frieden oder gegen den Frieden, hieß immer auch, bist du für die DDR oder gegen sie. Das war eine elende Verengung von Weit.
Und beim Betrachten der Szenen meldete sich auch wieder die Angst, die man spürt, wenn man denkt, jetzt wird vielleicht jemand verraten vor einem Minister, der ja die Macht hat, eine ganze Klasse zu zerschlagen. Diese Bedrohlichkeit hatte ich auf einmal wieder stark im Gefühl, denn der Film erzählt die Geschehnisse mit einer starken Sprache, mit starken Bildern. Ohne Verdrehung, sehr klar in der Linie, sehr sachlich auch in der Entschlossenheit eines Regimes, denjenigen zu stellen, den es als Rädelsführer gestellt sehen wollte.

Ja, so sind sie, dachte ich, ja, so waren sie, die Diktatoren, die sich auch gegen Jugendliche richten und sie ernst nehmen als Gefährder ihrer Macht, deren Protest sie durch nichts entschuldigen, weil sie fixiert waren, weil sie keine Veränderung duldeten. Die ganze Atmosphäre stimmt. Die Lebensfreude einerseits. Die Stimmung des Misstrauens andererseits. Intensiv.

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