Immobilienmarkt und Finanzstabilität – Teil 1 Deutsche Bundesbank


Es mag überraschen, dass eine Notenbank, die sich mit Veränderungen der Inflationsrate beschäftigen sollte, Interesse für den Immobilienmarkt entwickelt. Dieses Interesse erklärt nicht, weshalb die Bundesbank aktuell mit der Neugestaltung ihres Hauptsitzes in Frankfurt als Bauherrin eines Großprojekts beschäftigt ist. Kreditfinanzierte Booms auf den Immobilienmärkten spielen aber schon eine Rolle für das Entstehen und die Schwere von Finanzkrisen. Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank stellte am 12. November im Rahmen des DVFA Immobilienforums mehrere Fragen auf, die hier in drei Beiträgen näher ausgeführt werden sollen, erstens:

Warum ist der Immobilienmarkt relevant für die Finanzstabilität?

Immobilienmärkte sind für das Finanzsystem, die privaten Haushalte und die öffentlichen Haushalte bedeutsam. Das Baugewerbe trägt gut 5 Prozent zur gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung in Deutschland bei. Das scheint auf den ersten Blick nicht viel zu sein. Der Bausektor ist aber vergleichsweise volatil und stark vernetzt mit anderen Sektoren.

Ein hoher Anteil des Nettovermögens der privaten Haushalte – 80 Prozent in Deutschland – ist in Immobilien investiert. Das entspricht rund 280 Prozent des BIP im Jahr 2018 laut Statistischem Bundesamt 2019. In vielen Industrienationen sind mehr als zwei Drittel der Bevölkerung Wohneigentümer. In Deutschland ist diese Quote geringer: Rund 46 Prozent der Haushalte in Deutschland lebten 2018 in eigenen Wohnungen oder Häusern. Die meisten dieser Eigentümer sehen ihre Immobilie nicht nur als ihr „Zuhause“, sondern auch als eine wichtige Wertanlage. Der Grund ist naheliegend: Für die meisten ist der Kauf einer Immobilie die größte Kaufentscheidung, die sie je in ihrem Leben tätigen werden. Im Schnitt werden 85 Prozent des Marktwerts beim Kauf von Immobilien durch Kredite finanziert – mit leicht steigender Tendenz. Das Verhältnis zwischen den von privaten Haushalten aufgenommenen Krediten und dem und dem verfügbaren Einkommen liegt bei knapp 95 Prozent.

Spiegelbildlich sind Wohnimmobilienkredite einer der größten Aktivposten des Bankensystems: Rund 51 Prozent der Kredite des deutschen Bankensektors an Unternehmen und Privatpersonen entfallen auf Wohnungsbaukredite. Bei den Sparkassen- und Genossenschaftsbanken sind es 56 – 57 Prozent, bei den Kreditbanken nur etwa 40 Prozent.

Interessant ist die Dynamik auf diesen Märkten: Insgesamt wurden seit 2010 im Durchschnitt jährlich rund 2,6 Prozent mehr Wohnungsbaukredite an private Haushalte ausgereicht, im vergangenen Jahr betrug das Kreditwachstum mit 5 Prozent fast doppelt so viel. Die Marktanteile von Sparkassen und Kreditgenossenschaften sind gestiegen.

Es wird daher intensiv diskutiert, wie Angebot und Nachfrage besser in Einklang gebracht und soziale Härten vermieden werden können. Mit dem Maßnahmenpaket „Wohnraumoffensive“ will die Bundesregierung in der aktuellen Legislaturperiode zusammen mit Ländern und Kommunen 1,5 Mio. neue Wohnungen ermöglichen. Die Bandbreite der Maßnahmen reicht dabei vom Baukindergeld und einer Reform des Wohngelds über Städtebauförderung bis hin zur Novellierung des Baurechts, erklärte die Bundesregierung, 2019.

Die politische Einschätzung dieser Maßnahmen ist nicht Aufgabe der Bundesbank. Aber all dies zeigt: Der Immobilienmarkt ist bedeutsam. gebraucht werden gute Informationen und Daten, um Trends richtig einschätzen und gegebenenfalls reagieren zu können. Von solchen Daten würden alle Politikbereiche profitieren, die sich mit dem Immobilienmarkt beschäftigen.

Abstecher zum Preisniveau: Preissteigerungen am Immobilienmarkt schlagen sich kaum in der gemessenen gesamtwirtschaftlichen Inflationsrate nieder. Im Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) – der zentralen Zielgröße für die Geldpolitik – werden Preise für Wohnimmobilien nicht direkt erfasst. Änderungen der Preise für Wohnimmobilien schlagen sich dann nieder, wenn sie die Mieten beeinflussen. Fast 90 Prozent der Mieten sind jedoch Bestandsmieten, die im Gegensatz zu Neuvermietungen relativ träge auf Änderungen der Immobilienpreise reagieren. Insgesamt ist der Zusammenhang zwischen den Immobilienpreisen und den im Preisindex enthaltenen Mieten in Deutschland daher schwach.

Foto (c) Kulturexpress, Meldung: Deutsche Bundesbank

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