Die Stadt und das Grün. Frankfurter Gartenlust    Historisches Museum Frankfurt, 25. März - 29. August 2021 - Ausstellung im HMF wird verlängert bis 10. Oktober 2021


Seit über 30 Jahren widmet sich erstmals wieder eine Ausstellung ausführlich der Geschichte  der öffentlichen Grünanlagen in Frankfurt. Ab dem 25. März schaut das Historische Museum  in der „Frankfurter Gartenlust“ dem öffentlichen Grün beim Wachsen zu und erkundet die  Entwicklung der städtischen Parkanlagen seit dem 18. Jahrhundert aus unterschiedlichen  Perspektiven. Zugleich würdigt die Ausstellung zwei Stadtjubiläen: 150 Jahre Palmengarten  und 30 Jahre GrünGürtel. 

Parks und Gärten gehören wie selbstverständlich zu Frankfurt – je nach Berechnung machen  sie inklusive Sportanlagen, Friedhöfe oder Straßenbegleitgrün sogar über die Hälfte des  Stadtgebietes aus. Sie werden insbesondere zur Naherholung genutzt: zum Spazierengehen, Feiern und Sporttreiben; sie sorgen in doppelter Hinsicht für ein gutes Stadtklima. In der  Gegenwart wird es immer deutlicher, wie sehr Grünflächen im urbanen Raum benötigt  werden, um dem Klimawandel zu trotzen und um für Biodiversität auch in der Stadt zu  sorgen. Zugespitzt heißt das: ohne städtisches Grün verringert sich die Lebensqualität in  Frankfurt. Ganz aktuell hat die Pandemie die wichtige Rolle des öffentlichen Grüns für die  Stadtbevölkerung einmal mehr offenbart.

Mit der Niederlegung der Stadtbefestigung zu Beginn des 19. Jahrhunderts erhielt Frankfurt  den ersten öffentlichen Park im Stil eines englischen Landschaftsgartens. Seitdem sind  gestaltete Grünflächen mit dem Konzept von Stadt verknüpft. In den Wallanlagen standen anfangs besonders das Spazierengehen und das Genießen im Vordergrund. Damals war viel  von Lustwandeln auf Lustwegen die Rede. Wo ist diese Lust heute geblieben – oder ist es  vielmehr eine Last geworden, sich mit vielen anderen einen Park zu teilen?  Die Ausstellung verfolgt die Entwicklung der Parks und öffentlichen Gärten, die  Auseinandersetzung mit Natur und Grünflächenplanung in Frankfurt von Ende des 18.  Jahrhundert bis in die Gegenwart. Der Bogen spannt sich in einer chronologischen Abfolge  begonnen bei den bürgerlichen Gärten vor der Stadt über die Wallanlagen und den  Palmengarten bis hin zum kürzlich angelegten Hafenpark am Main.

Die Ausstellung  diskutiert die Rolle von Grünflächen und die Grünflächenkonzepte in Zeiten von starkem  Bevölkerungszuwachs, vielfältigen Freizeitbedürfnissen und des Klimawandels. Sie nimmt  verschiedene Perspektiven ein und fragt, wie Frankfurter*innen, Künstler*innen oder die  Stadtplanung die Grünflächen und die Flora nutzen, wahrnehmen, interpretieren und  verwandeln. Die rund 300 Exponate – Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Pläne, Modelle  sowie dreidimensionale Objekte werden in einer atmosphärischen Inszenierung, die von Atelier Markgraph (Frankfurt) gestaltet wurde, in sieben Themenräumen präsentiert.  

Die Ausstellung ist über Frankfurt hinaus ein Beitrag zur Diskussion über Grünflächen, ihrer  Nutzung und ihrer Nutzer*innen in ihrer komplexen Bedeutung für die Stadtbevölkerung.  Das Verhältnis von Stadt und Natur muss stets neu definiert werden; damit sind Utopien,  aber auch Dystopien verknüpft.  

„Frankfurter Gartenlust“ bietet darüber hinaus Gelegenheit, besondere Objekte aus der  Museumssammlung vorzustellen. Auch kostbare Leihgaben anderer Sammlungen aus  Frankfurt, Heidelberg, Wiesbaden oder Bamberg werden präsentiert. Gegenwärtige  künstlerische Positionen kommentieren die einzelnen Bereiche. Hands-on-Stationen sowie  viele interaktive Möglichkeiten bieten einen zusätzlichen Anreiz für Familien. Diese  Stationen sind über einen Multimedia-Guide in einer Rallye erfahrbar.

Zur Ausstellung erscheint das Buch: „Frankfurter Gartenlust. Ein Lesebuch zur Ausstellung“  im Frankfurter Societäts-Verlag zum Preis von 25 Euro. Es versammelt Beiträge von 38  Autor*innen aus Kultur- und Naturwissenschaft, Soziologie, Kunstgeschichte, Ökologie und  Denkmalpflege. Zusammen mit Praxisbeispielen und zahlreichen Abbildungen ergibt sich ein  vielschichtiges Bild der Stadt und des Grüns.

Das Rahmenprogramm bietet Lesungen, Diskussionen, Performances, Stadtgänge und  Exkursionen in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet an. Die Führungen werden analog und  digital angeboten. Das Rahmenprogramm entstand in Kooperation mit renommierten  Institutionen (Auflistung s.u.) und ist dem Musemsmagazin „Schneekugel“ zu entnehmen.

Die Ausstellungen beginnen schon auf dem Museumsplatz: Der „Museumsgarten“, in dessen  Hochbeeten derzeit u.a. historische Tulpen wachsen, wird von Skulpturen aus Frankfurter  Gärten des 17. und 18. Jahrhunderts eingerahmt.

„Frankfurter Gartenlust“ gliedert sich in sieben Abschnitte:  

1. Gartenkultur  

Der erste Raum beginnt mit einem kursorischen Blick auf das Frankfurt des 18.  Jahrhunderts. In fünf Bereiche wird nachvollzogen, welche Rolle das private und  städtische Grün in der Stadt spielte. Wie verteilte sich die Flora in Frankfurt? Wo war die  zeitgenössische Gartenkunst repräsentiert? Wie waren gärtnerische Leidenschaften im  Alltag verankert? Wo entstand botanisches Wissen und wie verbreitete es sich? Wie  versorgte sich die Stadt? Und warum galt Frankfurt als „Gartenstadt“?  Die atmosphärische Gestaltung orientiert sich an den geometrischen Gartenplanungen eines  Renaissancegartens.

2. Von der Promenade zum Park

Mit den massiven Veränderungen des Stadtbildes, die die Niederlegung der  Befestigungsanlagen zwischen 1804 und 1812 bewirkten, beschäftigt sich der zweite  Themenraum: Frankfurt wandelte sich von einer mittelalterlich befestigten Stadt in eine  offene Stadt.  Ein grüner Ring, gestaltet im Stil eines englischen Landschaftsgartens, öffnete die Stadt nach  außen zum Umland. Die neue Anlage gibt mit der Bezeichnung „Promenaden“ die  dazugehörige Aktivität buchstäblich vor: Das Flanieren oder Lustwandeln, wie es in  zeitgenössischen Beschreibungen oft heißt, ist mit im Stile der Zeit gekleideten Figurinen in  Mitten des Ausstellungsraumes inszeniert.

3. Vergnügungsorte  

1871 eröffnet, wird der Palmengarten nun 150 Jahre alt. Er brachte durch die Verknüpfung  von Gartenkunst mit vielen Formen der Unterhaltung einen neuen Aspekt für den Umgang  und die Funktion von städtischen Grünflächen ein. Der Fokus im dritten Ausstellungsraum liegt auf der Gründung des Palmengartens und  seinen ersten Jahren, als sich das Palmenhaus, die gestaltete Gartenlandschaft und das  Gesellschaftshaus als perfekte Kulisse für botanische, sportliche sowie kulturelle Angebote in  der Stadtgesellschaft unentbehrlich machten. Mit den tropischen Pflanzen wurde das Wissen  über die außereuropäische Welt in der bürgerlichen Gesellschaft popularisiert; botanische  Gärten erfüllten damit auch die Funktion, die Kolonialherrschaft zu repräsentieren und zu  stützen. Einen künstlerischen Kommentar zu den kolonialen Verflechtungen liefert die  Installation „Geraniums are never red“ des Schweizer Künstlers Uriel Orlow. Ein ganz besonderes Exponat ist das kleine Modelltreibhaus aus der Mitte des 19.  Jahrhunderts. Es veranschaulicht, wie die Faszination für Gartenkunst und Gartenbau auch  ins Private übertragen wurde.

4. Versorgung und Volksbildung  

Im vierten Ausstellungsraum werden in acht Bereichen unterschiedliche Konzepte der  Grünflächenplanung vorgestellt, mit denen die Stadt im frühen 20. Jahrhundert auf starkes  Bevölkerungswachstum, Wohnungsnot und Ernährungsengpässe in Kriegs- und Krisenzeiten  reagierte.  Die zeitgenössischen, städtebaulichen Ansätze, die Grünflächen als „sanitäres Grün“ und  „dekoratives Grün“ zu bewerten, konnten sich auch in Frankfurt etablieren. Das „sanitäre  Grün“, bezeichnet all die Flächen, die für die Gesundheit förderlich sind, wie etwa die Postkartenserie von Licht- und Luftbädern aus Frankfurt zeigt. Die Grünflächen öffneten sich  für die ganze Stadtgesellschaft – sichtbar an den großen Volksparks im Osten der Stadt.  Freiräume und ihre Gestaltung wurden zunehmend auch auf die Nutzer*innen abgestimmt – was sich bis in die Gegenwart als gängiges Prinzip durchgesetzt hat.

5. Beton statt Grün

Die Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg wurden in Frankfurt wie in vielen Städten  dazu genutzt, mit radikalen Schneisen eine autogerechte Stadt umzusetzen. Und so erzählt  der fünfte Ausstellungsraum zunächst die Geschichte der Abwesenheit des Grüns, da eine  zusammenhängende Grünflächenplanung in der Nachkriegszeit kaum im Fokus lag.  Bestehende Parks wurden jedoch als Verkehrsstrecken für Fußgänger*innen ausgebaut und  als soziale Treffpunkte gestaltet.  Schließlich wird mit dem GrünGürtel ein weiteres Stadtjubiläum gewürdigt – 2021 wird der  Beschluss zum Schutz des Grünraums 30 Jahre alt! Die zusammenhängenden Flächen am  Rande des Stadtgebietes dienen als großes Naherholungsgebiet für die Stadt und bieten  wichtige Lebensräume für Flora und Fauna.

6. Natur in der Stadt  

Die Naturwissenschaft hat den Begriff der Stadtnatur geprägt, die Grün- und Freiflächen, die  stadtspezifische Lebensräume formen, aber auch intensiv genutzte Flächen sein können. Im  sechsten Ausstellungsraum liegt der Fokus darauf, wie die Natur, Wiesen, Bäume, Pflanzen  in der Stadt seit dem 18. Jahrhundert wahrgenommen, untersucht, und porträtiert werden  und wurden. Drei Bereiche widmen sich Pflanzen, Bäumen und Streuobstwiesen: der  Biotopkartierung und Künstler*innen, die die Flora erfassen, nicht nur in Frankfurt: Auch  die beiden Frankfurter Malerinnen Maria Sibylla Merian und Louise von Panhuys werden  präsentiert.

7. Geteilte Flächen oder umkämpfter Raum?

Der Stadtraum ist beschränkt, die freien Flächen extrem teuer, die Einwohnerzahl nimmt zu und die Wohnungsknappheit auch, die Wirkungen des Klimawandels sind auch in der Stadt  immer mehr spürbar – das sind ganz pointiert die Problematiken, die Frankfurt, aber auch  jede andere Großstadt in der Gegenwart bewältigen muss. Eigentlich würde das ein komplett  anderes Grünflächenkonzept für die Stadt erfordern; die Besitzverhältnisse lassen das aber  oft nicht zu.  Der letzte Ausstellungsraum beschäftigt sich mit dieser Gemengelage und damit, wie die  Stadt mit den vielen Anforderungen umgeht, und was die Nutzer*innen eigentlich von einem Park der Gegenwart erwarten. Die städtischen Parkgestaltungskonzepte sowie die Initiativen   Frankfurter Gartenlust März 2021 von Einwohner*innen werden unter die Lupe genommen. Und es wird gefragt, was ein Park  eigentlich alles aushalten muss. Die Behörden kämpfen mit der Mehrfachkodierung – das  heißt mit den vielen unterschiedlichen Interessen der Besucher*innen, die im Park auf  engstem Raum zusammentreffen. Dies wird an der Wand der Herausforderungen mit  Objekten wie Slackline, Fußball oder Yogamatte sichtbar gemacht, die alle für beliebte  Beschäftigungen in Parks stehen.

Parkgeschichte und Gartenlounge

In jedem Bereich steht eine Parkbank, auf der fortlaufend „Parkgeschichten“ zu hören sind:  Interviews mit Protagonist*innen aus dem grünen Stadtraum. Atmosphärisch inszeniert laden die Bänke mit den Audios zum Verweilen und Vertiefen ein. Ganz zum Schluss öffnet sich die Gartenlounge, in der diskutiert, ausgeruht oder gemeinsam  an der Pinnwand Antworten auf Fragen hinterlassen werden können: Ist Frankfurt eine  grüne Stadt? Wie können wir unsere Parks für die Zukunft fit machen? Was können wir tun, um die Stadtnatur vor dem Klimawandel und dem Wachstum der Stadt zu schützen?

Kooperationen

Bei den Planungen stand das HMF in engem Austausch und Kontakt mit dem Palmengarten, dem Grünflächenamt und dem Umweltamt der Stadt Frankfurt sowie mit dem Projekt  GartenRheinMain bei der Kulturregion Frankfurt RheinMain, der Senckenberg Gesellschaft  für Naturforschung und dem hr. Bei den Ausstellungen im Jungen Museum und im  Stadtlabor ist die Stadtbevölkerung in einem partizipativen Prozess beteiligt.

Das abwechslungsreiche Rahmenprogramm wird gemeinsam mit dem Stadtlabor Gärtnern  Jetzt! organisiert und bietet zahlreiche Stadtgänge, Lesungen, Führungen und  Diskussionsrunden in Frankfurt und Rhein-Main an. Es entstand in Kooperation mit: ernst[1]may-gesellschaft, Heussenstamm – Raum für Kunst und Stadt, Urban Shorts Magazin, Deutsches Architekturmuseum Frankfurt, dem Gießkannenmuseum Gießen, Museen der Stadt Hanau, Schloss Philippsruhe, Sinclair-Haus in Bad Homburg. Die Termine sollten auf der Website überprüft werden.

Solange die Museen geschlossen sind verweist das Historische Museum auf sein digitales Angebot unter https://historisches-museum-frankfurt.de/de/museumdigital im Internet.

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