Hopi-Schnitzkunst als Online-Ausstellung


Studierende der Goethe-Universität präsentieren im Internet eine Sammlung von Tithu-Figuren aus Arizona. Die virtuelle Ausstellung „Die Wanderer. Katsinam, Tithu und Aby Warburg“ zeigt die Vielfalt spiritueller Figuren aus der Tradition der Hopi. Erarbeitet haben die Schau Studierende der Goethe-Universität in einem interdisziplinären Lehrprojekt im Sommersemester 2020. Unter durch Corona deutlich erschwerten Bedingungen haben sie eine private Sammlung aus der Schweiz für das Publikum aufbereitet.

Manche sehen aus wie Adler im Menschengewand, manche wie bunt behangene Außerirdische. Eine Art Clown mit Kopf und Körper einer Biene schleckt an einem Lutscher. Ein überdimensionierter Kopf ist von Kaktusblättern umkränzt. – Die Phantasie der Hopi beim Schnitzen ihrer sogenannten Katsina-Puppen scheint grenzenlos zu sein. Und doch wiederholen sich bestimmte Themen und Figuren, deren spirituellen Vorbildern bestimmte Funktionen rund um das Thema Wasser und Fruchtbarkeit zugewiesen sind. Das Spektrum umfasst ungefähr 300 immer wiederkehrende Katsinam, doch verändert sich diese Zahl stetig. Wer sich ein Bild davon machen möchte, kann sich unter www.diewanderer.info die Ausstellung „Die Wanderer. Katsinam, Tithu und Aby Warburg“ ansehen. Studierende der Kunstgeschichte und der Ethnologie haben im Rahmen eines Lehrprojekts eine Schweizer Sammlung aufgearbeitet.

Die virtuelle Ausstellung ist im Sommersemester 2020 entstanden – unter widrigen Bedingungen: Wegen der Pandemie konnten sich die Studierenden nur online besprechen; ein Besuch von Mitgliedern des Hopi-Stammes in Frankfurt musste abgesagt werden; und auch die bereits organisierte Exkursion nach Zürich fand nicht statt. Die 18 Studierenden, angeleitet durch den Ethnologen Dr. Markus Lindner und die Kunsthistorikerin Dr. Hilja Droste (inzwischen an der Universität Bonn) machten das Beste daraus und befassten sich intensiv mit dem Material, das ihnen vom Nordamerika Native Museum der Stadt Zürich (NONAM) zur Verfügung gestellt worden war: Bilder und Informationen zu den knapp 200 so genannten Katsina-Puppen aus der Sammlung Antonio und Christin Ferretti, die die Hopi selbst als tithu (Singular tihu) bezeichnen. 30 Jahre lang haben die Ferrettis, die viele Jahre in Nordamerika lebten, die kleinen und größeren Skulpturen den Hopi-Künstlern abgekauft. Dann übergaben sie die wertvolle Sammlung dem Zürcher Museum.

Die Tithu, die von Hopi-Künstlern in Arizona aus dem Wurzelholz der Amerikanischen Pappel geschnitzt werden, dienten bis ins späte 19. Jahrhundert ausschließlich als zeremonielle Geschenke für Mädchen. Sie stellen spirituelle Wesen (Katsinam) dar, die im Lauf des zeremoniellen Jahreszyklus zu den Hopi kommen, um durch ihre Gebete und Tänze für Niederschlag zu sorgen und somit für eine erfolgreiche Ernte. Diesen Jahreszyklus der Tänze und Rituale lernen die Mädchen anhand der Puppen, während Jungen direkt in die Zeremonien eingeführt werden. Die Figuren erscheinen in unterschiedlicher Ausführung, je nach Stil und Zeit, in der sie entstanden sind.

Im späten 19. Jahrhundert wuchs das Interesse von Ethnologen und Touristen an den bunten Skulpturen und ihrer rituellen Bedeutung, so dass diese bald intensiv gesammelt wurden. Auch für den Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler Aby Warburg, der 1895/96 die USA bereiste, wurde die Kultur der Hopi prägend für sein späteres Schaffen. Zur selben Zeit entwickelten viele internationale Künstler wie André Breton, Max Ernst und Marcel Duchamp ein großes künstlerisches Interesse Teil in ihren Werken abbildeten. Die Ausstellung im Internet zeigt zum einen die Figuren der Sammlung, die ausführlich eingeordnet und beschrieben sind. Zum anderen wird auch die Bedeutung Aby Warburgs skizziert. Warburg wird häufig auch als „Wanderer zwischen den Welten“ bezeichnet – ähnlich wie die Katsinam für die Hopi die Menschen waren, die für die Zeremonien von der spirituellen in unsere Welt wandern. Der Begriff des Wanderers im Titel verweist außerdem auch auf die „Wanderung“ der Tithu, der zeremoniellen Objekte, die als Kunstwerke in die westliche Welt eingewandert sind.

Die Ausstellung steht zunächst unbefristet online zur Verfügung. Das Schweizer Museum NONAM, wo man von der Arbeit der Studierenden sehr begeistert ist, hat jedoch bereits Interesse signalisiert und plant die Webseite künftig in ihre Dauerausstellung zu integrieren. Derweil widmen sich Dr. Markus Lindner und Dr. Hilja Droste der Erstellung einer Onlinepublikation, zudem sollen alle Texte noch ins Englische übersetzt werden.

Das Projekt wurde durch den Förderfonds Lehre und durch das Projekt Starker Start ins Studium unterstützt.

Die Ausstellung finden Sie unter folgendem Link: www.diewanderer.info

Initiationstanz des Maraw-Frauenbundes

Palikmana (Wassertrinkendes Mädchen), Künstler Vernon Laban, in Hotevilla (Third Mesa), aus der Sammlung Antonio und Christin Ferretti, NONAM Inv. Nr. 2018-FE-00155. Material: Cottonwood, Größe 54 x 24 x 9,5cm

Die schmale, langestreckte Figur ist nahezu gänzlich von einem Umhang umhüllt und steht auf einem kunstvoll ausgearbeiteten Sockel. Der grau-braune Schuh des rechten Fußes lugt aus dem Umhang heraus, während der rechte Schuh durch das zweite, deutlich tiefer herabfallende Ende der Kleidung umhüllt ist. Der Stoff selbst ist am unteren Saum sowie im über die Schultern fallenden Bereich von einer breiten Bordüre in alternierenden grünen, sowie schwarzen Feldern gesäumt. Die ockerfarbene Hand, die auf der Brusthöhe zum Vorschein kommt, hält zwei dunkle Federn und trägt am Ringfinder einen breiten, türkisfarbenen Ring. Dieselbe Farbigkeit haben zudem einige der Streifen der Mundpartie, die strahlenförmig den unteren Bereich des Gesichts bedecken und nach oben von einer rötlichen Linie begrenzt werden. Auf dem länglich-ovalen Kopf ist auf Höhe der Augen ein waagrechtes Rechteck angebracht, aus dessen Enden jeweils eine weiß-schwarze Feder heraustritt. Das Rechteck selbst ist durch ein schwarz-weißes Schachbrettmuster und einer seitlichen, roten Linie verziert. Auf den Wangen befinden sich drei diagonal verlaufende rote Linien, die am oberen Ende durch eine weitere Linie verbunden sind. Bis zu den Wangen reichende Haare in Braun sowie eine blattartige Kopfbedeckung rahmen das Gesicht. Die den Kopf bekrönende tablita besteht aus einem quadratischen Rahmen, an dem in der Mitte zwei abgestufte Wolkensymbole übereinander dargestellt sind. Der entstandene Zwischenraum ist ausgestanzt. Zu beiden Seiten sind dem Rahmen jeweils zwei weitere Wolkensymbole angelagert, die mit schwarz-weißen Federn besetzt sind – wobei eine der Federn abgebrochen sein zu scheint. Das Wolkensymbol am oberen Abschluss wird zusätzlich von zwei sich emporstreckenden Blitzsymbolen flankiert.

Wissenschaftliche Einordnung

Palikmana und die sehr ähnliche Polimana werden nicht immer als Katsinam angesehen. Secakuku bezeichnet Palikmana jedoch als „katsina maiden“. Diese sind als Polimana (Schmetterlingsmädchen) die weibliche Begleitung der Polìitaqa-Katsinam beim Schmetterlingstanz. Palikmana, was übersetzt wasserholendes Mädchen bedeutet, kann auch als maismahlendes Mädchen (Salakmana, 2018-FE-00011) auftreten oder andere Tänze aufführen. Auf der ersten und zweiten Mesa werden sie – im Gegensatz zu den anderen Zeremonien – beim Initiationstanz des Maraw-Frauenbundes durch unmaskierte Frauen dargestellt, was einer Zuordnung als Katsina widerspricht.

Die Katsinam tragen üblicherweise eine reich verzierte, überdimensionale tablita, welche mit treppenförmigen Wolkenabbildungen in bunten Farben gestaltet ist. Auf den hell grundierten Wangen befinden sich rote Schraffierungen oder Punkte. Die Kinnpartie ist mit strahlenförmig auseinanderlaufenden Linien verschiedener Farben gekennzeichnet. Vor der Stirn angebrachte Applikation sind als Maiskolben zu deuten, welcher von den Hopi als Inbegriff des Lebens angesehen wird.

In ihrer prachtvollen Gestaltung werden die Palikmana mit der Blüte und Jugend, der Fülle der Natur und des Lebens, der Fröhlichkeit sowie der Attraktivität der Geschlechter verbunden. Wie von vielen anderen Katsinam erhoffen die Hopi auch von ihnen das Aufkommen von Regen und das Gedeihen neuer Frucht.

Verwendete Literatur´: Schmidt 1985, Colton 1959, Fewkes 1903, Schierle 2011, Secakuku 1995, Wright 1973, Adobe Gallery, Elektr. Ressource: https://www.adobegallery.com/art/hopi-poli-mana-katsina-doll-from-1937, abgerufen am 28.05.2020

https://www.ancientnations.com/Gallery%20HTML/mira/cecil_calnimptewa_palhik_mana.html 

Name der Bearbeiter*in  Elaine Breidenstein

Soyohim (Gemischte Tänze)

Yung’a (Opuntienfrucht-Katsina), Künstler Clark Tenakhongva, in First Mesa, Polacca, erworben 2004, Sammlung Antonio und Christin Ferretti, NONAM Inv. Nr. 2018-FE-00041, Cottonwood (Wurzelholz der Pappel), natürliche Farben, Größe: 46 x 34 x 8,5cm

Der überdimensional große Kopf der tihu hat einen weißen Untergrund. Darauf sind mehrere Reihen schwarzer Kreuze, zwei flache Röhrenaugen und (auf der Stirn) ein Halbmond, der als Mund mit hoch gerichteten Mundwinkeln gelesen werden kann, abgebildet. Seitlich des Kopfes ist jeweils ein rotfarbiges abgerundetes Viereck angebracht, in dessen Mitte eine kleine Feder (?) herausragt. Auf dem Kopf ist ein größeres Bündel von Federn befestigt und dahnter ist die Bekrönung aus fünf Opuntienzweigen mit roten Blüten an der Spitzen aufgesetzt.
Der Kopf wird durch ein rotweißes Band, das mit einem Zick-Zack-Muster gestaltet wurde, vom Körper abgetrennt. An diesem Band hängen dünne dunkle Haare, die mit zwei weißen Strichen horizontal bemalt wurden. Im gleichen Rotton, in dem die Ohren dargestellt sind, zeigt sich der Oberkörper der Figur. Er ist fast so breit wie der Kopf und wird mit angewinkelten Armen dargestellt, die zwei unausgearbeitete Fäuste an die Brust halten. Als Schmuck trägt die Figur eine weiße Halskette und an den Armen Bänder, die ebenfalls mit Kreuzen dekoriert sind. Auf dem Bauch sind vier weiße Streifen gemalt. Eine dunkelrote Schärpe hängt von der rechten Schulter diagonal über die Brust bis hin zur linken Hüftseite.

Als Bekleidung wird eine Art Rock dargestellt. Etwas hervorstehend beginnt dieser mit einem braunen Bund mit grüner und schwarzer Umrandung, der abwechselnd durch Ovale und Kreuze dekoriert ist. Das Kleidungsstück ist zum Großteil in einem altweißen Ton gehalten und endet mit einem grauen Streifen, der von einer weiteren schwarzen Linie unterlegt wird. Die rechte Seite des Rockes zeigt jedoch ein aufwendigeres Muster. Mit einer schwarzen gezackten Linie trennt es sich vom restlichen weißen Rock ab. Rote und schwarze Formen im geometrischen Stil werden mit weißen und grünen Akzenten untermauert. Eine Verlängerung des Rockes an der rechten Seite, die eine Art überhängendes Tuch darstellen soll, zeigt weitere Muster in denselben Farben. Unter dem Rock werden die beigefarbenen Mokassins sichtbar, die mit roten Verzierungen versehen sind.

Wissenschaftliche Einordnung
Yung’a, der Opuntienfrucht-Katsina, erschien kurz vor dem Jahr 1900 auf der First Mesa während der gemischten Tänze (Soyohim) und verschwand bald wieder. Auf der Third Mesa war seine Aufgabe die Reinigung von Quellen. Die Kreuze an seinem Kopf und Oberkörper stellen Sterne dar. Die getreppten Formen in der Verzierung des Rocks werden häufig als Wolken interpretiert und sind bei unterschiedlichen tithu zu finden.

Normalerweise trägt Yung’a einen Yucca-Bündel sowie Pfeil und Bogen mit sich. Wright dagegen schreibt, dass statt des Yucca-Bündels ein Stock mit einem Kopf aus Kakteen üblich sei.

Obwohl sie seinen Kopf verziert, verkörpert er nicht die ganze Opuntienpflanze, sondern nur deren Früchte. Die Opuntien in ihrer Gesamtheit werden von einem anderen Katsinam – Navuk-china – personifiziert. Die auffällige Darstellung führt dazu, dass Yung’a gerne gekauft und deshalb häufig geschnitzt wird – obwohl seine Bedeutung sehr gering ist.

Verwendete Literatur
Colton 1959, Haberland 1997, Wright 1973
Name der Bearbeiter*in Sarah Heidari

Meldung: Goethe-Uni, Frankfurt am Main

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