DAS MÄDCHEN MIT DEN GOLDENEN HÄNDEN Regie: Katharina Marie Schubert (BRD) Nostalgische Geschichte um ein verfallenes Kinderheim im Osten Deutschlands , das vor unausweichlicher Willkür und westlichem Spekulantentum gerettet werden soll


Ab 17. Februar 2022 im Kino: Eine kleine Stadt im Osten Deutschlands im Jahr 1999 kurz vor dem Millennium-Wechsel. Die Menschen haben schon viele Umbrüche hinter sich, weitere stehen bevor. Gudrun feiert ihren 60. Geburtstag, in einem alten, verfallenen Herrenhaus, das zu DDR-Zeiten als Kinderheim genutzt wurde, in dem auch sie selber elternlos aufgewachsen ist. Eine schwierige Geschichte zwischen Wehmut und Nostalgie. Zur Geburtstagsfeier reist auch Gudruns Tochter Lara aus Berlin an. Sie ist mit dem Stiefvater aufgewachsen, über ihren leiblichen Vater wollte die Mutter nie sprechen, entsprechend angespannt ist das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter. Ausgerechnet während der Feier erfährt Gudrun, dass das ehemalige Kinderheim an finanzkräftige Investoren verkauft werden soll, die es zum Hotel ausbauen wollen: Eine wirtschaftliche Perspektive für die strukturarme Region oder Ausverkauf der eigenen Geschichte? Über diese Frage scheiden sich die Geister im Ort. Während Gudrun in den nächsten Tagen alles daran setzt, das Kinderheim als Gemeinde- und Begegnungszentrum für alle Bewohner zu erhalten, macht sich ihre Tochter Lara auf die Suche nach ihrem Vater und einer Erklärung für die unnachgiebige Härte ihrer Mutter.

Ein Müller war nach und nach in Armut geraten und hatte nichts mehr als seine Mühle und einen großen Apfelbaum dahinter. Da trat der Teufel zu ihm und sprach ‘Ich will dich reich machen, wenn du mir versprichst, was hinter deiner Mühle steht. ‘Was kann das anderes sein als mein Apfelbaum? dachte der Müller und sagte ‘Ja,’.

Tochter Lara (Birte Schnöink) daneben ihr Stiefvater Werner (Peter René Lüdicke) am Krankenbett zu Besuch bei Gudrun nach ihrem Autounfall auf dem Fußweg mit der Folge einer Gehirnerschütterung

Ganz ohne Schuldzuweisungen und Weinerlichkeit spürt Katharina Marie Schubert in ihrem Spielfilmdebüt DAS MÄDCHEN MIT DEN GOLDENEN HÄNDEN als Drehbuchautorin und Regisseurin der Frage nach, warum der Graben zwischen dem Osten und dem Westen Deutschlands noch immer so tief ist. Gesellschaftliche Probleme spiegelt sie auf raffinierte Weise in Familienstrukturen. Der klassische Konflikt zwischen den Generationen wird hier durch den Konflikt zwischen den Systemen und Weltanschauungen verschärft.

Dabei wird eigentlich gar nicht ersichtlich, wer die Person mit den goldenen Händen überhaupt sein soll? So viel Misskredit wird verteilt, obwohl erstmal friedliches Auskommen miteinander angesagt wäre, um die verschiedenen Fronten zu kitten. Das Kinderheim selbst, ein stattlicher Bau, ist ein Relikt der Vergangenheit, welches DDR-Zeiten und sogar die Zeiten davor überlebt hat. Was jetzt damit passieren soll, bestimmen allein ökonomische Restriktionen und Erwägungen. Das will Gudrun nicht wahr haben, weshalb sie mit ihren Mitteln gegen den Verkauf des Hauses protestiert. Sang und klanglos ist die Akquise des Hauses hinter ihrem Rücken vonstatten gegangen. Gudrun ist durch Erinnerungen an das verfallene Haus, das mal ihr Kinderheim war, vollends eingenommen, das sie nicht davon lassen kann. Nostalgisch kann hier auch mit Ostalgie übersetzt werden. 

Bürgermeister der Stadt und Widersacher gespielt von Jörg Schüttauf

Im Erdgeschoss ist eine große, festliche Tafel aufgebaut, provisorisch, aber liebevoll dekoriert. Hier und da rückt Gudrun etwas zurecht,  schiebt zwei Bierdeckel unter die Füße eines wackelnden Tisches, zupft an der Tischdecke, rückt ein Glas, einen Teller zurecht. Ihre Tochter Lara (Birte Schnöink), die in Berlin lebt, sitzt in einem Regionalzug auf dem Weg zu ihr. Gegenüber belustigt sich ein junges Berliner Pärchen über die Ostlandschaften: „Dabergotz, Dreetz, Breddin, Lumpzig…“ So nah an Berlin, und doch so weit weg… „Leben hier Menschen?“, fragen sie sich kichernd.

Am Bahnhof wird Lara von ihrem Stiefvater Werner erwartet. Beim Einkauf im Supermarkt liest Lara ihm die Geburtstagsrede vor, die sie für ihre Mutter geschrieben hat: „Das wird ihr nicht gefallen“, trotzt sie, „aber das ist mir egal.“ Als die beiden zuhause eintreffen, fällt die Begrüßung von Laras Mutter Gudrun alles andere als herzlich aus. 

Vieles im Film wurde in Zeitz gedreht, einem Städtchen in der Nähe von Leipzig. Das Schloss, das im Film das Kinderheim ist, war ein Glücksfund der Szenenbildnerin.

Filmposter

Das Debüt der renommierten Theater- und Kinoschauspielerin Katharina Marie Schubert ist prominent besetzt, unter anderem mit Corinna Harfouch, Jörg Schüttauf, Peter René Lüdicke, Gabriela Maria Schmeide und Newcomerin Birte Schnöink. Die Kamera führte der mehrfach preisgekrönte Rumäne Barbu Bălășoiu. Der Film ist eine Ko-Produktion der Münchner if… Productions Film GmbH (Produzent: Ingo Fliess) mit dem Mitteldeutschen Rundfunk (Redaktion: Meike Götz), arte (Redaktion: Barbara Häbe) und dem Hessischen Rundfunk (Redaktion: Jörg Himstedt).

Ein Themenfilm war nicht beabsichtigt, erklärt die Regisseurin. Es ging mehr um die Fragen, als um die Antworten. Filmerzählerisch und ästhetisch waren Idee und Wunsch der Regisseurin, einen ruhigen Atem zu finden und bildlich originell – mit zum Teil langen und komplexen Plansequenzen – die Wirklichkeit leicht zu überhöhen. Mit ihrem Kameramann Barbu Bălășoiu entwickelte sie eine eigene Sprache, kongenial unterstützt durch Juliane Friedrichs Szenenbild und Christian Röhrs Kostüm.

STAB
Drehbuch & Regie  
KATHARINA MARIE SCHUBERT
Produzent |  INGO FLIESS
Herstellungsleitung 
LUZIE LOHMEYER
Produktionsleiter  
RICHARD HEINECKE
Aufnahmeleiterin  | VERENA RADKE
Regieassistent | ROBERT OBERMAIR
Kamera  | BARBU BĂLĂȘOIU
Schnitt  | ANJA POHL
Szenenbild  | JULIANE FRIEDRICH
Kostümbild  | CHRISTIAN RÖHRS
Maskenbild  
DANA BIELER & IRINA SCHWARZ
Musik  | MARVIN MILLER
Redaktion  | BARBARA HÄBE (ARTE), JÖRG HIMSTEDT (HR),
MEIKE GÖTZ (MDR)
BESETZUNG
Gudrun  | CORINNA HARFOUCH
Lara  | BIRTE SCHNÖINK
Werner  | PETER RENÉ LÜDICKE
Bürgermeister |  JÖRG SCHÜTTAUF
Jutta  | GABRIELA MARIA SCHMEIDE
Victoria  | ULRIKE KRUMBIEGEL
Peter Melzner  | STEPHAN BISSMEIER
Henriette |  IMOGEN KOGGE
Schwester Kerstin  | SARAH FRANKE
Jenni  | LUISA-CÉLINE GAFFRON
Bankdirektor  | CHRISTIAN KOERNER
Kathi  | FRANZISKA RITTER
Ronnie  | MARTIN BADEN
ABV Mike  | CHRISTOPH GRUNERT
Dr. Fritz  | PETER JORDAN
Tora  | TORA AUGESTAD

Zur Filmwebsite:  Das Mädchen mit den goldenen Händen
Produktionsland: Deutschland, Jahr: 2021, Spieldauer: 107 Minuten, Farbe: Dolby Digital, Kinostart: 17.02.2022 Verleih: Wild Bunch Germany GmbH

Gefördert wurde DAS MÄDCHEN MIT DEN GOLDENEN HÄNDEN von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM), dem Deutschen Filmförderfonds (DFFF), dem FilmFernsehFonds Bayern (FFF, Projekt- und Produktionsförderung) und der FFA. Gedreht wurde von Ende Januar bis Anfang März 2020 in Zeitz und Umgebung, und in Berlin. Auf dem 38. Filmfest München 2021 feierte DAS MÄDCHEN MIT DEN GOLDENEN HÄNDEN seine Weltpremiere.

Siehe auch: Gespräch mit Katharina Marie Schubert – Drehbuch und Regie – kulturexpress.info

Print Friendly, PDF & Email