Garden Futures. Designing with Nature 25. März 2023 bis 3. Oktober 2023, Vitra Design Museum, Weil am Rhein


Eine Ausstellung des Vitra Design Museums, der Wüstenrot Stiftung und des Nieuwe Instituut Gärten sind Spiegel von Identitäten, Träumen und Visionen, sie haben tiefe kulturelle Wurzeln und sind Ausdruck unserer Beziehung zur Natur. Heute ist der Garten viel mehr als ein romantisches Idyll. Gärten sind zu Orten der Avantgarde geworden, dienen als Experimentierfelder für soziale Gerechtigkeit, Biodiversität und eine nachhaltige Zukunft. Mit »Garden Futures« präsentiert das Vitra Design Museum erstmals eine große Ausstellung zur Geschichte und Zukunft des  modernen Gartens. Welche Ideen und Vorstellungen haben unser heutiges  Gartenideal geprägt? Welchen Beitrag leisten Gärten zu einer Zukunft, die für  alle lebenswert ist? Diese Fragen untersucht die Ausstellung anhand von  vielfältigen Beispielen aus Design, Alltagskultur und Landschaftsarchitektur –  vom Liegestuhl bis zur vertikalen Stadtfarm, von zeitgenössischen Community-Gärten über begrünte Gebäude bis hin zu Gärten von GestalterInnen und  KünstlerInnen wie Roberto Burle Marx, Mien Ruys oder Derek Jarman. Gestaltet  wurde die Ausstellung durch das bekannte italienische Designduo Formafantasma.  

Céline Baumann, Das Parlament der Pflanzen, 2020 © Studio Céline Baumann

Der Garten war schon immer ein Raum, in dem die Hoffnung auf eine bessere Zukunft Gestalt  annimmt. Wo immer Menschen ein Stück Natur einhegen, um einen Garten anzulegen, spiegelt sich stets auch ihr eigenes Verhältnis zur Natur – und mitunter das ganzer Gesellschaften und Epochen. Das verdeutlichen zum Auftakt der Ausstellung vielfältige Beispiele aus Kunst und Architektur in einer  Medieninstallation mit Werken von Hans Thoma, Georg Gerster, Athanasius Kircher, Barbara  Stauffacher-Solomon, Gabriel Guevrekian, Alvar Aalto, Thomas Church, Vita Sackville-West, Luis  Barragán und anderen. Der Garten erscheint hier als Ort, der sowohl unseren Alltag als auch unsere  Fantasie beflügelt und mal ganz praktische, oft aber auch tiefe symbolische oder philosophisch religiöse Bedeutung hat.  Selbst der intimste Garten ist nie nur persönlicher Rückzugsort, sondern stets auch Zeugnis sozialer  und historischer Entwicklungen, politischer und wirtschaftlicher Interessen und kultureller  Wertesysteme: Dies thematisiert der zweite Teil der Ausstellung. So wurzelt manche Staude, die  heute in westlichen Gärten beheimatet ist, tief in der Kolonialgeschichte. Der Transport lebender  Gewächse um die Welt wurde durch den so genannten Wardschen Kasten möglich, der den  kommerziellen Pflanzenhandel und den privaten Garten veränderte, den globalen Austausch  wichtiger Nutzpflanzen wie Tee oder Kautschuk im Interesse der Kolonialmächte beförderte und  eng verknüpft ist mit der Ausbreitung invasiver Arten.  

Ebenezer Howard, Diagramm eines Gartenstadt-Konzepts, veröffentlicht in seinem Buch »To-Morrow: A Peaceful Path to Real Reform«, 1898 © Town and Country Planning Association 09 Alexandra Kehayoglou, Santa Cruz River, Teppich, National Gallery of Victoria, 2016/17

Ebenfalls im 19. Jahrhundert entstanden zahlreiche urbanistische Konzepte, die Stadt und Garten  miteinander verbinden sollten. So formulierte 1898 der britische Sozialreformer Ebenezer Howard  die Idee der Gartenstadt, in der sich auch ärmere Bevölkerungsschichten selbst versorgen können. Die von Liz Christy in New York initiierte Green-Guerrilla-Bewegung wiederum beansprucht den  städtischen Garten als Raum für soziale Gerechtigkeit und öffentliche Beteiligung. Diese Bewegung  wurde in den 1970er Jahren ausgerufen, doch die von Christy und ihren VorgängerInnen aufgeworfenen Fragen werden noch heute debattiert: Wer hat überhaupt Anspruch auf einen  Garten, wozu ist ein Garten gut, und wie können Gärten in ein urbanes Umfeld integriert werden? Wie unterschiedlich die Antworten hierauf sein können, verdeutlichen im dritten Teil der Ausstellung neun wegweisende GartengestalterInnen der jüngeren Zeit.

Der brasilianische Landschaftsarchitekt Roberto Burle Marx (1909–1994) gestaltete mit einheimischen Pflanzen möglichst  naturnahe Gärten, die Pflanzenkompositionen des Gartenarchitekten Piet Oudolf wirken nicht nur  zur Blütezeit ansprechend und die Autorin und Gärtnerin Jamaica Kincaid nimmt ihren Garten in  Vermont (USA) als Ausgangspunkt für ihre Auseinandersetzung mit Kolonialgeschichte,  Verdrängung und kultureller Aneignung. Der Künstler und Filmemacher Derek Jarman (1942–1994)  erschuf im Angesicht des eigenen Todes ein blühendes Gartenkunstwerk, wo kaum jemand es für  möglich gehalten hätte: im unwirtlichen Kies der südenglischen Küste neben einem Atomkraftwerk. Der malaysische Landschaftsarchitekt Ng Sek San wirkte bei der Gründung eines Gemeinschaftsgartens in Kuala Lumpur mit, der exemplarisch für die vielen Bürgerinitiativen in den Megastädten  und Metropolen der Welt steht. Der weitläufige Liao-Garten des Künstlers Zheng Guogu wiederum  lehnt sich an die Ästhetik des Videospiels »Age of Empires« an und schlägt so eine Brücke zwischen  virtueller und realer Umgebung. All diese Beispiele zeigen, dass Gärten auf faszinierend vielfältige  Weise die künstlerisch-gestalterische Haltung ihrer UrheberInnen zum Ausdruck bringen und als  eigene Gestaltungsdisziplin an der Schnittstelle von Kunst, Architektur und Design mehr Beachtung  finden sollten.

Stefano Boeri, Bosco Verticale, Mailand, 2014 © Stefano Boeri Architetti, Foto: The Blink Fish, 2018
Stefano Boeri Architetti, Bosco verticale, Mailand, 2007-2014 © Stefano Boeri Architetti, Foto: Dimitar Harizanov, 2020

Der letzte Teil der Ausstellung betrachtet aktuelle Projekte, die sich mit der Zukunft des Gartens  auseinandersetzen: Im Zeitalter von Klimakrise, sozialer Ungerechtigkeit, bedrohter Artenvielfalt und  sozialer Isolation wird der Garten zu einem Ort für innovative Zukunftsvisionen. Vor diesem  Hintergrund rückt der Garten als Ort der Heilung, der Spiritualität oder des Lernens in den  Mittelpunkt. Die eigens für die Ausstellung geschaffene begehbare Textil-»Wiese« der  argentinischen Künstlerin Alexandra Kehayoglou schärft das Bewusstsein für die dramatische  Bedrohung scheinbar zeitloser Landschaften durch den Klimawandel. Wie dieses Bewusstsein in  Städte, Gebäude, Schulen und andere Bereiche getragen werden kann, veranschaulichen die  aktuellen Gartenprojekte, die neben traditionellen und indigenen Praktiken auf einer sechs Meter  langen Illustration des Architekten Thomas Rustemeyer dargestellt sind. Im Zeitalter des  Anthropozäns – so die Botschaft dieser Projekte und der Forschung – müssen wir unseren gesamten Planeten als Garten verstehen, den wir verantwortungsvoll pflegen und nutzen. Beteiligte KünstlerInnen und DesignerInnen (Auswahl)  Céline Baumann, Burle Marx, Mien Ruys, Kieran Dodds, Leonardo Finotti, Formafantasma, Zheng  Guogu, Alexandra Kehayoglou, Jamaica Kincaid, Piet Oudolf, Ng Sek San, Lalage Show, Chew  Yue Siew, Howard Sooley, Stefano Boeri, José Tabacow, Henk Wildschut, Julia Watson, Marjan van  Aubel, Dan Pearson, Midori Shintani, Full Grown, Fritz Haeg, Catherine Mosbach, James  Hitchmough, Bas Smets, Alexandra Daisy Ginsberg, und viele andere.  Zur Ausstellung erscheint eine reich bebilderte Publikation mit Essays, Interviews und  Fallstudien: Hardcover mit Leineneinband, 24 x 28,5 cm, 228 Seiten, ca. 180 Abbildungen,  ISBN 978-3-945852-52-1 (Deutsch), 55,00 €, erhältlich u.a. auf: www.design-museum.de/shop  

Zheng Guogu, Liao Garden, Yangjiang, China, entworfen ab 2005, mit freundlicher Genehmigung von Zheng Guogu und Vitamin Creative Space

Das Rotterdamer Nieuwe Instituut ist das niederländische Museum und Institut für Architektur,  Design und digitale Kultur. Als globales Zentrum für Innovation im Design setzt das Nieuwe Instituut  auf das Potenzial neuer Denkansätze und entwickelt auf der Grundlage von Ideen der  Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft innovative Entwürfe und Experimente für ein besseres  Morgen. Neben Initiativen in den Niederlanden und weltweit bietet ein umfassendes Ausstellungs- Forschungs- und Veranstaltungsprogramm ein Forum für den Austausch zwischen führenden  DenkerInnen und DesignerInnen und einer breiten Öffentlichkeit. Das Nieuwe Instituut fördert die  kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen unserer Zeit und lädt BesucherInnen aller  Altersgruppen zum Diskutieren, Nachdenken und Beitragen ein. Als das niederländische Museum  für Architektur und Stadtplanung betreut das Nieuwe Instituut mit dem 1933 errichteten Huis Sonneveld auf dem Institutscampus im Rotterdamer Museumpark ein wertvolles Beispiel der  niederländischen Neuen Sachlichkeit. Das Nieuwe Instituut erklärte sich 2022 zum weltweit ersten  Zoöp. In diesem innovativen Modell wird das gesamte Handeln des Museums an seinem Beitrag  zum Wohlergehen anderer Lebensformen gemessen. Ökologie und Biodiversität sind auch das  Leitbild des New Garden.

Maria Sibylla Merian, Buschrose mit Miniermotte, Larve und Puppe, nach 1679 © Sammlung Städel Museum Frankfurt

Das Institut beteiligt sich maßgeblich am niederländischen Pavillon für  die Architekturbiennale Venedig und übernimmt 2023 die künstlerische Leitung der London Design  Biennale. Die Wüstenrot Stiftung kümmert sich um materielles und immaterielles kulturelles Erbe. Gleichzeitig  sucht sie nach Wegen, wie sich unser Gemeinwesen den vielfältigen Herausforderungen der  Zukunft stellen kann. Dabei betrachtet sie kulturelles Erbe als Ausgangs- und Orientierungspunkt. Ziel der Stiftung ist es, durch die Entwicklung und Verbreitung praxisorientierter Modelle Denk- und  Handlungsanstöße zu geben und so positive Veränderungen über ihr eigenes Handeln hinaus zu  bewirken. In ihren Themengebieten Denkmale, Zukunftsfragen, Stadt & Land, Literatur, Kunst &  Kultur und Bildung konzipiert und realisiert sie eigene Projekte und fördert die Ideen und Vorhaben  anderer gemeinnütziger Institutionen. Dabei richtet die Stiftung ihre Aufmerksamkeit besonders auf  die gebaute Umwelt, unsere Lebensqualität und den Umgang mit unserem gemeinsamen kulturellen  Erbe.

Hans Aeschbach, Lonza Dünger, 1960 © Plakatsammlung Schule für Gestaltung Basel

Ein Schwerpunkt liegt auf Kulturgütern, die nach 1945 entstanden sind.  Weleda begann im Jahre 1921 als pharmazeutischer Laborbetrieb mit eigenem Heilpflanzengarten.  Heute ist das Unternehmen die weltweit führende Herstellerin von zertifizierten Naturkosmetikprodukten und Arzneimitteln für die anthroposophische Therapierichtung. Seit der Gründung geht  es Weleda um die Gesundheit und Schönheit von Mensch und Natur. Weleda Produkte sind in über  50 Ländern erhältlich. Die eingesetzten Rohstoffe stammen überwiegend aus biologisch-dynamischem oder biologischem Anbau sowie aus zertifizierter Wildsammlung. Seit 2021 ist Weleda  zudem eine zertifizierte B Corp und verpflichtet sich dadurch, einen Beitrag zur Umwelt- und  Gemeinwohlorientierung zu leisten und so zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beizutragen.  Nach der Präsentation im Vitra Design Museum wird die Ausstellung im Design Museum  Helsinki und dem Museum of Finnish Architecture (10. November 2023 bis 31. März 2024), im  Vandalorum in Värnamo (27. April bis 13. Oktober 2024), im Nieuwe Insituut in Rotterdam  (November 2024 bis März 2025) und im V&A Dundee (April bis Dezember 2025) gezeigt.  Weitere Stationen sind in Planung.

Vitra Design Museum, Charles-Eames-Straße 2, 79576 Weil am Rhein, Germany
T +49.7621.702.3200, F +49.7621.702.3590, info@design-museum.de, www.design-museum.de

Ausstellungstitel: Garden Futures: Designing with Nature
Laufzeit: 25. März 2023 bis 3. Oktober 2023

Kuratorisches Team:
Vitra Design Museum:
Nieuwe Instituut
Viviane Stappmanns, Nina Steinmüller
Marten Kuijpers, Maria Heinrich
Ausstellungsgestaltung Formafantasma
Hashtags: #VDMGardenFutures