Eine glückliche Aufführung ist den Darstellern gelungen, von Anfang bis zum Ende wurde ein durchgängiges Erleben auf der Bühne absolviert. Es ist immer die Frage, wie verständlich sind so von Alters hergebrachte Stücke heutzutage noch? Mozart komponierte sein Singspiel 1782 für das Wiener Burgtheater. Doch an Aktualität mangelt es nicht. In der Einführung wurde auf die Bedeutung zwischen Orient und Okzident hingewiesen, die im Stück thematisiert werden. Letztlich geht es jedoch um die Liebe in Mozarts Oper, einzige Option die zwischen den Kulturen zählen kann. Sie ist das einzige um derentwillen allesamt bangen, leiden und aufbegehren.
Der junge spanische Edelmann Belmonte möchte seine Braut Konstanze, deren Zofe Blonde und seinen Diener Pedrillo aus dem Serail des hohen türkischen Würdenträgers Bassa Selim befreien. Die Flucht scheitert im letzten Augenblick, die Gefangenen werden vor den Bassa geführt. Dieser schenkt ihnen jedoch, statt Rache zu nehmen, die Freiheit. Seinem widerstrebenden Aufseher Osmin erklärt er, dass es keinen Sinn habe, Andersdenkende gegen ihren Willen überzeugen zu wollen.
In diesem Frankfurter Evergreen des Erfolgsregisseurs Christof Loy übernimmt in dieser Spielzeit die litauische Dirigentin Giedrė Šlekytė die musikalische Leitung. Sie debütierte an der Oper Frankfurt 2021 mit Dialogues des Carmélites. Zu sehen war sie beim Schlussapplaus auf der Bühne in der Mitte ihrer singenden Mannschaft aus Frauen und Männern. Vor vollen Rängen im Parkett, die Frankfurter sind ein dankbares Publikum, wurde mit Beifall auch während der Aufführung nicht gespart, an den passenden Stellen der Inszenierung kamen plötzlich Bravo-Rufe wie aus dem Hintergrund geschossen, begleitet von einer unmittelbaren Beifallswelle, die sogleich wieder abebbte, um den Fluss der Handlung nicht weiter aufzuhalten. Ich erinnere an eine Szene in der Konstanze neben Belmonte auftritt. Es ist ein sensibles Geschehen, das immer allgegenwärtig auf laufender Opernbühne spielt. Insgesamt drei Akte mit zwei Pausen bestimmen den weiteren Ablauf der Handlung.

Die rumänische Sopranistin Adela Zaharia ist seit 2015/16 Ensemblemitglied an der Deutschen Oper am Rhein und trat bereits an den international bedeutenden Opernhäusern in Amsterdam, Los Angeles, Hamburg, London, Paris, New York u.v.m. auf. Als Konstanze legt sie ihr Hausdebüt vor und tritt damit in die Fußstapfen u.a. von Diana Damrau. Adela Zaharia sang ihre Partie mit hoher Singstimme, zudem repräsentierte sie die junge Spanierin Konstanze ungewöhnlich lebensecht wie ein Ebenbild der Gestalt aus Mozarts ureigenster Oper.
August Zirner ist vielen kein Unbekannter. Er zählt zu einer der renommiertesten Schauspieler im deutschsprachigen Raum. War Ensemblemitglied an den Staatstheatern in Hannover und Wiesbaden sowie an den Münchner Kammerspielen. August Zirner spielte die Rolle des Bassa Selim bereits ab 2010 an der Wiener Volksoper. Der Rolle als großzügiger Sklavenbesitzer wird er mit fast väterlicher Rührung nur gerecht. Seine Auftritte sind durch jene Dominanz geprägt, deren Anschein er unbedingt erwecken möchte. Er spielt seine Rolle nicht ohne gewisse Noblesse.
Das schlichte Bühnenbild, wenig Möbel, sparsame Ausstattung haben ihre Auswirkung auf Sichtbarkeit und Singspiel mit Interpreten. Zusätzlich werden Vordergrund zu Hintergrund Effekte eingebaut. Im Vordergrund spielt eine Szene, während im Hintergrund ein Fenster erscheint, in dem wiederum eine Bühne mit Schlafzimmerszene zeitgleich abgewickelt werden. Manchmal verdunkelt ein durchscheinender Vorhang die Szenerie im Vordergrund. Personen und Figuren erscheinen dunkler und schattiger. Um so größer der Moment, in dem sich der dünne Vorhang hebt, um die Szenerie in vollem Lichtschein erneut frei zu geben.
Der junge Tenor Magnus Dietrich singt Belmonte in Mozarts Oper. Er wechselte mit Beginn der Saison 2023/24 vom Internationalen Opernstudio der Staatsoper Berlin in das Frankfurter Ensemble. Ensemblemitglied Michael Porter ist mit der Produktion bereits vertraut und übernimmt erneut die Rolle des Pedrillo. Der Bass Thomas Faulkner (Osmin) begann seine Laufbahn im Opernstudio der Oper Frankfurt und gehört seit 2016/17 zum Ensemble. Hier gab er wichtige Rollendebüts, u.a. als Lodovico (Verdis Otello) sowie als Elmiro (Rossinis Otello). Jüngste Gastengagements führten ihn u.a. als Osmin an die Staatsoper Hamburg sowie als Masetto (Don Giovanni) an das Royal Opera House Covent Garden in London. Bei den Tiroler Festspielen in Erl wurde er bereits als Wassermann (Rusalka) und Fasolt (Das Rheingold) engagiert.

Entzückend gespielt das Blondchen, fast ein wenig keck, das während der Aufführung gar nicht blond sondern dunkel ist, immer lautstark signalisierend um bereit zu sein und durch kritische Äußerungen das Singspiel gegen Bevollmächtigte aufzurühren. Die italienische Sopranistin Bianca Tognocchi gehört seit 2020/21 dem Ensemble der Oper Frankfurt an und stellte sich bereits 2019/20 u.a. als Gilda (Rigoletto) in Frankfurt vor, die sie in der Saison 2024/25 erneut singen wird. Sie spielt in ‚Die Entführung aus dem Serail‚ die Rolle der Blonde, einer englischen Zofe. Der herrschende Feudalismus schwingt bei Mozart noch überall durch, die Menschenrechte nicht durchgesetzt haben noch keine unmittelbare Gültigkeit. Das tagesaktuelle Geschehen seiner Zeit jedoch spiegelt sich bis zur Bühnenreife in seinen Opern frappant wider. Viele Details sprechen eine Sprache menschlicher Aufgeschlossenheit und sei es nur des Humors wegen.
‚Die Entführung aus dem Serail‘ aus dem Jahr 1782 zählt zu den frühen Opern Mozarts, wenn sie auch nicht zu den beliebtesten 10 Opern der Welt mitgezählt wird, gibt sie wie anfangs erwähnt noch immer einen Evergreen bis in die Gegenwart, der weltweiten Platz für Aufführungen findet.
Weitere Vorstellungen an der Oper Frankfurt: 3., 5., 13. Juli 2024 Alle diese Vorstellungen beginnen um 19 Uhr..