Chancen und Herausforderungen von Social Media – BE.LIKE.ME. in Erfurt Ausstellung vom 16. August bis 31. Oktober 2024 am Anger 28/29 in Erfurt


Welche menschlichen Bedürfnisse werden von den Sozialen Netzwerken angesprochen? Wie wirkt sich die Nutzung von Sozialen Medien auf unser Gehirn aus? Welchen Einfluss haben Algorithmen und wie können uns App Mechanismen unter Druck setzen und suchtartiges Verhalten fördern? Diesen und weiteren Fragen geht die neue Ausstellung der Stiftung Welt der Versuchungen BE.LIKE.ME. Social Media und ich auf den Grund, zu sehen bis 31. Oktober 2024 am Anger 28/29 in Erfurt.

Seit den 2000er-Jahren boomen Apps wie Facebook und X (ehemals Twitter), Insta und BeReal, Youtube, Snapchat und TikTok – nahezu jede:r hat irgendwo ein Profil, stellt Posts, Bilder und Videos online und kommentiert die der anderen rege. Im Smartphone-Zeitalter durchdringen sie uns individuell und gesellschaftlich, beruflich und privat. Egal wo, und immer: jetzt. Wir nutzen Social Media für Kontakt und Information, soziale Teilhabe, Partnersuche, Konsum, zur Zerstreuung, Stimulation und nicht zuletzt, um nichts zu verpassen sowie zur Selbstbestätigung auf der Jagd nach Likes.

„Dass uns diese veränderten Lebensgewohnheiten einerseits Chancen bieten, andererseits aber auch mental, körperlich und persönlichkeits-rechtlich viel abverlangen, ist das eine. Dazu können sie auch suchtartiges Verhalten fördern“, sagt Susanne Rockweiler, Chefkuratorin der Stiftung Welt der Versuchungen. „Das Spannungsfeld zwischen Chancen und Risiken sowie Mechanismen, die uns Menschen als soziale Wesen eigen sind, und die sich Hersteller von Apps zunutze machen, wird BE.LIKE.ME. aus Perspektive der Nutzer:innen mit allen Interessierten diskutieren – mit zusätzlichem Fokus auf junge Menschen und Familien. BE.LIKE.ME verschafft einen ersten Einblick und lädt zum Gespräch ein mit sich und anderen.“

Die weitgehend interaktive und partizipative Ausstellung vereint wissenschaftliche Erkenntnisse der aktuellen Hirn- und Verhaltenssuchtforschung mit zeitgenössischen künstlerischen Positionen. Gezeigt werden Arbeiten von: Dries Depoorter, Anaïs Goupy, Jeppe Hein, Marc Lee, Jonas Lund, Volker März, Maria Mavropoulou, Erwin Stache, Paula Wolber, Faina Yunusova, Bettina Zachow sowie die drei gemeinsam arbeitenden Künstler des ZKM (Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe) Bernd Lintermann, Florian Hertweck und Peter Weibel. PRESSEMITTEILUNG Chancen und Herausforderungen von Social Media – Ausstellung BE.LIKE.ME. Social Media und ich in Erfurt eröffnet.

STATEMENTS

Burkhard Blienert, Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen:

Medien, Technik, Zugänge und wie sie genutzt werden – gerade auch von Jugendlichen – haben sich in den zurückliegenden zehn Jahren grundlegend geändert. Soziale Medien erleben weiterhin einen gigantischen Hype. Es gibt eigentlich keinen Ort und keine Zeit mehr auf dieser Welt, wo nicht gestreamt, gechattet, gezockt, gepostet und gelikt wird. Der Markt dafür ist global, innovativ und unglaublich umkämpft. Deshalb wird auch alles genutzt, was technisch möglich ist. Algorithmen sorgen dafür, dass das Belohnungszentrum permanent angesprochen wird. Das hat natürlich Folgen – schwerwiegende dazu. Es wird immer schwieriger, auch das eigene Medienverhalten zu kontrollieren, aber noch prekärer ist, dass sich Kinder und Jugendliche immer früher etwa an die Mechanismen von Glücksspiel oder auch Sozialer Netzwerke gewöhnen.

Als Sucht- und Drogenbeauftragter setze ich mich dafür ein, dass Mediennutzung beherrschbar bleibt und dass wir Kinder und Jugendliche wirkungsvoll schützen. Medienabhängigkeit und achtsame Mediennutzung sind mir wichtige Anliegen. Nicht zuletzt, weil es immer wieder Schnittmengen zwischen klassischen Suchtmitteln und Verhaltenssüchten wie Mediensucht gibt. Wir müssen besser verstehen und erkennen, wie und wo Probleme mit der Mediennutzung entstehen – bei Kindern, Jugendlichen, aber auch Erwachsenen.

Umso wichtiger ist die interaktive Ausstellung BE.LIKE.ME. Social Media und ich der Stiftung Welt der Versuchungen. Sie zeigt beide Seiten einer Medaille, verteufelt nicht pauschal, setzt den digitalen Finger aber in die richtigen Wunden. Sie hilft somit, dem Thema Social Media die notwendige Aufmerksamkeit in Politik und Gesellschaft zu verschaffen.

Heike Werner, Thüringer Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie:

Das Smartphone und die Sozialen Netzwerke haben unser aller Leben verändert. Sie haben es in vielerlei Hinsicht vereinfacht, es in mancher Hinsicht spannender, informativer, vernetzter, inspirierter gemacht. Ein Leben ohne sie ist für die meisten von uns undenkbar geworden. Aber das Smartphone und seine Funktionen haben auch unser soziales Miteinander, unser Verhältnis zueinander und zu uns selbst geändert. Und das in einer Weise, die vor 20 Jahren noch undenkbar war und deren Ausmaß und ambivalente Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft noch gar nicht 100-prozentig abzuschätzen sind. Gerade Social Media-Apps spielen bei diesen gesellschaftlichen Veränderungen eine bedeutende Rolle. Fast alle nutzen wir die Sozialen Netzwerke täglich – auch Kinder und Jugendliche sowie ihre Eltern oder Elternteile. Dagegen ist per se gar nichts einzuwenden. Aber zum  Teil werden sie eben leider auch in einem kritischen und gesundheitsgefährdeten Ausmaß genutzt. Darüber sollten wir reden – und die Stiftung Welt der Versuchungen liefert mit der Ausstellung BE.LIKE.ME. Social Media und ich einen wunderbaren Ausgangspunkt für eine generationenübergreifende Diskussion dazu.

Matthias Brand, Psychologe und Verhaltenssuchtforscher an der Universität Duisburg-Essen (Forschungsschwerpunkt: Internetbezogenes Suchtverhalten):

Social Media sind nicht von sich heraus gut oder schlecht – es kommt auf die individuelle Nutzung an. Für eine funktionale und unproblematische Nutzung ist es wichtig, sich selbst in Disziplin zu üben, so unsexy das auch klingt. Zum Beispiel selbst festlegen, wann und wie häufig Social Media im Tagesablauf für was genutzt werden sollen, anstatt auf die einkommenden Nachrichten sofort zu reagieren. In Kürze: Es ist wichtig, selbst zu bestimmen, wie ich welche Social Media nutze und es ist wichtig, darauf zu achten, dass Social Media nicht zum alles bestimmenden Element des Alltags werden, sondern andere Aktivitäten ebenso wesentlich und bereichernd sind. Und dabei ist auch zentral, sich selbst vor Augen zu führen, wie die eigene Nutzung ist und sie ggf. durch selbstbestimmte Regeln einzuschränken. In anderen Bereichen schaffen wir das auch. Gleichzeitig stellen wir fest, dass es einigen Personen nicht gut gelingt, ihre Social Media Nutzung selbst zu regulieren. Sie erleben eine verminderte Kontrolle über ihre Nutzung, Social Media bekommen eine immer stärker werdende Priorität im Alltag und andere Aktivitäten werden vernachlässigt, und sie nutzen Social Media exzessiv, obwohl sie dadurch negative Folgen und Beeinträchtigungen im Alltag erleben bzw. darunter leiden. Dann sprechen wir von einer suchtartigen Nutzung. Dafür sollten Therapie- und Beratungsangebote ausgebaut werden, damit Betroffenen besser geholfen werden kann. Das gilt für Verhaltenssüchte insgesamt, also auch für z.B. die Computerspielstörung. Gleichzeitig gibt es keinen Grund für eine allgemeine Panik – die überwältigende Mehrheit der Nutzenden hat kein Problem mit Social Media. Damit das so bleibt, sollte dem Thema Medienkompetenz in der Schule, aber auch im privaten Umfeld mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

BE.LIKE.ME. Social Media und ich

Ausstellungsort: Anger 28/29, Eingang Lachsgasse
Laufzeit: 16. August bis 31. Oktober 2024
Öffnungszeiten: täglich außer DI von 11-18h, DO bis 20h, DI geschlossen

www.welt-der-versuchungen.de

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