Wunder und Wissenschaft. Porzellan und Sammellust im barocken Wien Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz–Vienna. Fürstliche Sammlungen Art Service in Wien vom 30. Jänner – 30. März 2025


Die Inszenierung barocker Tafelkultur war Ausdruck hoher Repräsentationskunst, die sich vor allem an höfischen Festtagen in ihrer ganzen Pracht entfaltete. Begeisterung und Nachfrage für die ästhetische wie künstlerische Vielfalt machten die neuartigen Porzellane aus der Wiener Manufaktur Du Paquier schon bald zum bestaunten Mittelpunkt einer kulinarischen Gesamtkomposition. Die Sonderausstellung WUNDER UND WISSENSCHAFT im Gartenpalais Liechtenstein widmet sich Porzellan und der Sammellust im barocken Wien (30. Jänner bis 30. März 2025).

Simon de Vlieger, Holländische Handelsschiffe auf stürmischer See vor einer Felsenküste

Aufwändig gestaltete und bis ins Detail inszenierte Schaubuffets stellten das Zentrum barocker Tafelkultur dar. Tonangebende Materialien waren dabei bis zur Gründung der europäischen Porzellanmanufakturen zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch Silber, Zinn oder Fayence. Schon bald aber sollte sich der weiße Werkstoff in fantasiereicher Form- und Farbgestaltung auch am Wiener Hof als exquisites Must-have etablieren. Obwohl 1718 als zweitälteste europäische Porzellanmanufaktur in Wien gegründet, datiert das früheste Du Paquier Porzellan in die 1720er Jahre. Die aus dieser Zeit erhaltenen Teller und Platten sind meist Einzelstücke.

Service à la française

Mit der Vermählung von Maria Theresia mit Franz Stephan von Lothringen 1736 bestimmte die französische Manier die Tafelkultur und die Speisen. Das „service à la française“ präsentierte im Sinne einer barocken Gesamtkomposition bei jedem Gang mehrere sehr unterschiedliche Gerichte gleichzeitig und verlangte nach einer gestalteten Tafelmitte. Sie bestand ursprünglich meist aus kunstvollen Dekorationsformstücke aus Tragant oder Zucker, die nicht zum Verzehr gedacht waren.

Der Werkstoff Porzellan bot neue Möglichkeiten, die kosten- und zeitintensiven und gleichzeitig vergänglichen Patisseriearbeiten der Tafeldekoration zu ersetzen. Maria Theresia ordnete in einer kaiserlichen Verfügung an, dass „die kostbaren Penat-Zuckerarbeiten, und mühsame Erfindung Auszierungen gedachten 1761 Jahres für ordinari abzuschaffen, und nur mit Porzellanfiguren und natürlichem Blum-Werck bedienet zu werden“ sind.

Manufaktur Du Paquier, Tasse mit Untertasse (Trembleuse)

Figurengruppen und Tafelaufsätze machten den Tisch zur Bühne: Bis heute erzählen die aus Porzellan ausgeformten Stücke mit ihren kostümhistorischen Details vom inszenierten Tafeln bei Hofe. Sie sollten für Gesprächsstoff bei Tisch sorgen, konnten doch die Gäste beim Austausch über die Schmuckstücke ihre Bildung beweisen. An der Gestaltung der dekorativen Tischfiguren sind außerdem Kleidungsvorschriften, Modetrends und Vorlieben der Zeit abzulesen. Die Harlekinfamilie beispielsweise zeigt nicht nur ein Lieblingskostüm der Hofgesellschaft, sondern auch den künstlerischen Fortschritt beim Modellieren der Porzellanplastik.

Die Idee des zusammengehörenden „Tafel-Service“ aus Porzellan wurde wohl erstmals in Wien bei Du Paquier realisiert. Erhalten ist aus dieser Zeit ein heute 112 Teile umfassendes Porzellan-Service aus dem Besitz der Fürsten von Thurn und Taxis. Ein 1728 bestelltes blau-weißes Du Paquier-Service dürfte verwendet worden sein, als das kaiserliche Ehepaar im September 1732 das Augustiner Chorherrenstift Sankt Florian besuchte. Deutlich ist der Einfluss asiatischer Vorbilder bei diesen ersten Porzellanerzeugnissen.

Höfische Feste

Die Jagd als herrschaftliches Privileg spielte im adeligen Festkalender eine zentrale Rolle. Die Jagdtafeln waren am wenigsten von der strengen Etikette bei Hof betroffen. 300 Jahre alte Porzellane mit Jagdsujets spiegeln die höfische Begeisterung dafür bis heute wider. Die aus der von Franz Stephan von Lothringen gegründeten Majolika-Manufaktur in Holitsch stammenden, das Auge täuschenden sogenannte Trompe-l’œil Terrinen in Gestalt von Wildschweinen, Enten oder Fasanen ließen so manchen Gast schmunzeln und verrieten meist auch den Inhalt der Speise.

In der Ausstellung zu sehen sind auch Teile des um 1730/40 datierten Jagdservice der Fürsten von Liechtenstein. Dieses ist mit Schwarzlotdekoren nach Kupferstich-Vorlagen verziert. Wie bei den thematisch gestalteten Porzellanfiguren sollten die unterschiedlich skizzierten Wildarten und Szenen die Gäste nach der Jagd bei Tisch zur Konversation anregen. Die Schüsseln, Platten und Teller dürften eine formtechnische Eigenleistung der Manufaktur Du Paquier nach ostasiatischem Vorbild sein. Die Jagdmotive sind mit Laub- und Bandelwerkbordüren gerahmt, deren Schwarz auf dem Glanz des Porzellanweiß um zarte Goldhöhungen ergänzt wurden. 1729 werden nicht nur in einer Lotterie der Manufaktur, sondern erstmals als Preise des Kaiserlichen Kränzelschießens Porzellane mit diesem Dreiklang genannt.

WUNDER UND WISSENSCHAFT. Porzellan und Sammellust im barocken Wien
Gartenpalais Liechtenstein
30.1.2025 – 30.3.2025 | täglich 10 – 18 Uhr 
freier Eintritt | keine Anmeldung erforderlich

Im Rahmen der Sonderausstellung werden zusätzlich Führungen durch die Sonderausstellung sowie Führungen durch die Dauerausstellung der Fürstlichen Sammlungen im 1. OG zu ermäßigten Preisen angeboten*:
€ 15,- (Einzelticket, zusätzliche Ermässigung für Ö1 Clubmitglieder) oder € 39,- (Familienticket: 2 Erwachsene und 2 Kinder zwischen 12 und 18 Jahren). Zusätzlich finden englische Führungen durch die Sonderausstellung immer samstags statt.

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Interview

Die Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein erzählen im Rahmen der Sonderausstellung WUNDER UND WISSENSCHAFT (30. Jänner bis 30. März) über Porzellan und Sammellust im barocken Wien. Direktor Stephan Koja über den Siegeszug des „weißen Goldes“ und die erlesenen Exponate der Wiener Manufaktur Du Paquier, die als europaweit zweite Produktionsstätte den Stil einer ganzen Epoche maßgeblich prägte.

Was macht den Werkstoff Porzellan seit jeher so besonders?

Marco Polo hatte nach seiner Asienreise Porzellan als Tafelgeschirr beschrieben und wohl auch nach Europa mitgebracht. Neben Seide, Edelsteinen und Gewürzen wurde es zu einer der begehrtesten Importwaren aus Fernost. In Europa kannte man weder die Bestandteile des Porzellans noch das Herstellungsverfahren – künstlich hergestellt, war es zerbrechlich und robust zugleich. Da die Förderung der Wissenschaften zu den fürstlichen Tugenden zählte, investierten die Herrscher in die Forschung und Entwicklung von neuen Technologien. Sie waren Impulsgeber und Financiers und verfolgten damit das Ziel, die Wirtschaft im eigenen Land dauerhaft und im merkantilistischen Sinn zu entwickeln.

Was kann uns Porzellan über die Zeit, in der die Exponate entstanden sind, erzählen?

Das 18. Jahrhundert wird oft als das Jahrhundert des Porzellans bezeichnet. Das Porzellan setzte mit seinen besonderen Eigenschaften – seinem Glanz und seiner Ästhetik – in der Innendekoration und der Tafelkultur neue Akzente. Die althergebracht wertvollen Materialien wie Gold, Silber oder edle Steine wurden um das „weiße Gold“ erweitert. Bereits mit der Formgebung – als weißes Objekt – wurde Porzellan zumindest im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts teuer und hochgeschätzt. Dann kamen Farben und kostbare Fassungen in Gold oder Silber hinzu. Der Siegeszug des Porzellans erklärt sich nicht nur aufgrund seiner Verwendbarkeit als Tafelgeschirr, sondern spricht für die Sinnlichkeit einer ganzen Epoche.

Das „Porzellanfieber“ erfasste rasch ganz Europa – was erzählt uns dieses Phänomen über diese Epoche?

Ein wirklicher Sammelrausch von japanischem Porzellan hatte die europäische Elite um 1700 erfasst. Die Sammlung von asiatischem Porzellan des Hauses Liechtenstein ist ein gutes Beispiel für die Ausprägung dieses Phänomens in Wien. Sie zeigt, dass der Wiener Adel – obwohl die Habsburger (noch) nicht aktiv am europäischen Handel mit asiatischen Waren beteiligt waren dennoch Wege fand, um an einige der schönsten Stücke zu gelangen. Porzellan dieser Art war eine wichtige Inspirationsquelle für die Manufaktur Du Paquier. Letztlich war die sogenannte „maladie de porcelaine“ mehr als eine kurzlebige Erscheinung, sondern führte zur Nacherfindung eines einzigartigen Materials in Europa. 

In Wien wurde 1718 nach Meißen die zweite Porzellanmanufaktur Europas durch Claudius Innocentius du Paquier gegründet, die sich seit 1721 in der Rossau befand. Bis heute kann man ihren Spuren folgen, u. a. durch die nahe Porzellangasse, die am Gartenpalais Liechtenstein vorbeiführt. Was führte Du Paquier gerade nach Wien?

Nach dem Sieg über die Osmanen herrschte in Wien eine Aufbruchstimmung und die Gründung von Manufakturen wurde vom Herrscherhaus gefördert. 1710 war die Meißener Porzellanmanufaktur in Sachsen als erste ihrer Art in Europa gegründet worden und inspirierte zur Nachahmung. Du Paquier erhielt von Karl VI. kaiserlichen Schutz und ein Privileg für sein Projekt, ebenfalls eine Porzellanmanufaktur in der Residenzstadt zu gründen. Er wählte mit Christoph Conrad Hunger einen wichtigen Begleiter, der zuvor Erfahrungen in der Manufaktur in Meißen sammeln konnte und mit den dortigen Mitarbeitern über Materialien und deren Quellen im Austausch stand. Ein Jahr lang suchten Du Paquier und Hunger gemeinsam rund um Wien, in Ungarn und Böhmen vergeblich nach dem feinen weißen Kaolin – der Grundlage für die Herstellung des Porzellans – bis sie im Bistum Passau fündig wurden.

Nur wenige Schritte vom Gartenpalais Liechtenstein entfernt, gegenüber dem fürstlichen Pomeranzenhaus, führte Du Paquier in seinem „laboratorium“ erste Experimente durch. Die Gründung der Wiener Manufaktur mit ihren zügigen Fortschritten in der Farbenbereitung sorgte in Sachsen für Aufregung. Mit Samuel Stöltzel traf schließlich ein enger Mitarbeiter der Meißener Porzellanmanufaktur in Wien ein, der erste Dekore in Kobaltblau anfertigte.

Bereits in der letzten Sonderausstellung zu Fürst Johann Adam Andreas I. konnte man über dessen Leidenschaft für Porzellan erfahren. Auch seine Töchter waren eng mit der Geschichte der Wiener Porzellanmanufaktur verbunden. Welche Bedeutung hatte bzw. haben Exponate aus Porzellan in den Fürstlichen Sammlungen?

Fürstin Erdmunda Maria Theresia, Gemahlin von Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein, besaß Porzellan unterschiedlicher Provenienz und hinterließ neben bedeutenden ostasiatischen Porzellanen auch 56 Stück Delfter Geschirr und Meissner Porzellan. Im Nachlass des Fürsten Joseph Wenzel I. von Liechtenstein finden sich Hinweise auf Porzellan mit einem sogenannten Streublumendekor, das damals sehr beliebt war. In ihrem Brünner Palais ließ Maria Antonia Czobor, née Liechtenstein, ein Porzellanzimmer mit Lüstern, Wandleuchtern und einer imposanten Kaminverkleidung mit mehr als 1500 „indianisch“ bemalten Porzellanplättchen verschiedener Größen und Formen von der Manufaktur Du Paquier ausstatten. Bis heute wird die Sammlung von Porzellanen um herausragende Stücke erweitert.

Was sagt das Design der Exponate aus der Manufaktur Du Paquiers über den damaligen Geschmack aus?

Anhand der vielfältigen Formen, Farben und Dekore lassen sich die Vorlieben und Wünsche der Auftraggeberschaft erkennen. Von Tassen, Kannen, Tellern über Flaschenkühler, Dessertschalen und Schüsseln bis hin zu Uhren oder einem Kruzifix reicht das Spektrum, das in der Ausstellung zu sehen ist. Porzellanservice nahmen an der barocken Inszenierung aus Düften, Musik, Illumination und Augenschmaus des höchst sinnlichen und damit einprägsamen Dessertgangs teil. Verschwendung wurde zwar als Untugend betrachtet, doch Feste wurden überschwänglich und öffentlich gefeiert, um die Untertanen der materiellen Sorglosigkeit des Souveräns zu versichern. 

Wie hat die Einführung des Porzellans in Europa die Tafelkultur verändert?

Der Höhepunkt jeder Tafel war der Dessertgang, bei dem das Porzellan eine zentrale Rolle spielte. Schautafeln waren ein wichtiges Mittel der Repräsentation sowie Teil monarchischer Politik und Kultur. Hierfür wurden auch dekorative und höchst aufwendige Tragant- oder Zuckerarbeiten von ausgebildeten Modelleuren hergestellt. So ist die Verfügung, Porzellan anstelle der kosten- und zeitintensiven Zuckerarbeiten für Tafeldekorationen einzusetzen, nachvollziehbar, die Kaiserin Maria Theresia 1761 erließ. Neben den ästhetischen Vorzügen ist Porzellan zudem aufgrund seiner hygienisch glatten und widerstandsfähigen Glasur ideal für die Darreichung von Speisen – es ist temperaturbeständig, reagiert nicht mit sauren oder alkalischen Substanzen und ist weitestgehend schnitt- und kratzfest. Deshalb ist es bis heute elementarer Bestandteil der stilvollen Tischkultur.

Welche besonderen Exponate sind in der Ausstellung zu sehen, was sind die Highlights?

Neben bedeutenden Exponaten aus den Fürstlichen Sammlungen zeigen wir einzigartige internationale Leihgaben – darunter ein Kruzifix aus Cleveland sowie ein Service für Kaffee, Tee und Schokolade von Kardinal Gonzaga aus Turin. Der Konsum dieser luxuriösen Heißgetränke war seinerzeit sehr umstritten, denn nach damaliger Vorstellung brachten sie die vier Körpersäfte aus dem Gleichgewicht. So führte man die Aufgeregtheit der Kaffee- und Teekonsumenten auf dieses aus dem Lot geratene Gleichgewicht zurück. Heiße Schokolade wurde meist zum Frühstück genossen, sei es noch im Bett oder im Boudoir, deshalb waren sogenannte Trembleusen (mit einer Halterung für die Tassen versehene Untertasse) für ihren Genuss besonders geeignet, von denen wir ebenfalls einige schöne und filigrane Stücke vorstellen.