SULOG – Philippinische Architektur im Spannungsfeld 20. September 2025 – 18. Januar 2026 im Deutschen Architekturmuseum (DAM)


Die Ausstellung besteht überwiegend aus Wandtafeln und Beschriftungen, die neben kleinen Gebäudemodellen an offenen Holzgestellen aufgebaut sind und so aus allen Richtungen im Ausstellungsraum des 3. OG im Architekturmuseum zu umlaufen. Es scheint als sei mit einfachen Mitteln ein zweckmäßiges Interieur geschaffen worden, um damit eine Aussage zu den Philippinen zu treffen. Diese sind vor allem geprägt durch Leichtigkeit in den Baumaterialien, das sind oftmals aus Bast geflochtene Teile oder sie bestehen aus natürlichen Baustoffen. Bezeichnend sind die Häuser durch ihre Überdachung, so wie sie jedes normale Haus besitzt, um nicht im Freien draußen stehen zu müssen. Das erinnert an das Bild der einfachen Strohhütte, ist jedoch Ausdruck der Inselkultur. Die Philippinos lieben das Leben draußen an der frischen Luft, Behausungen dienen dazu, um sich zu versammeln oder zurückzuziehen, um zu arbeiten und zum übernachten. Die Dächer sind breit, damit sie vor zu viel Sonneneinwirkung geschützt sind. Letztendlich bestimmt das tropische Klima das Land. Sitten und Gebräuche in Stadt und Land sind aufeinander abgestimmt, so dass Einwohner ihr gemeinsames Auskommen haben. Es gibt die anspruchsvollen Villen der Reichen, doch sind auch diese typisch in ihrer Bauweise auf das Leben der Insulaner bezogen. Es besteht ein merkwürdiger Zusammenhang zwischen Bauweise und die sie umgebende Natur. Das geschieht einvernehmlich. Auseinandersetzungen und Konflikte einzelner Gruppierungen werden in der Ausstellung nicht großartig thematisiert, es geht vordergründig um die Bewältigung einzelner Projekte und um die Formen der Selbstverwirklichung, die sich den Menschen bieten.

Das Deutsche Architekturmuseum (DAM) zeigt in Zusammenarbeit mit der National Commission for Culture and the Arts (NCCA) die erste Präsentation zeitgenössischer philippinischer Architektur in Europa. Es geht um 30 Perspektiven nicht nur aus Metro Manila, und nicht nur aus den Philippinen, sondern auch aus der Diaspora. Dabei stehen die Materialien, den Umgang mit dem tropischen Klima und die weltweiten Netzwerke im Fokus.

Foto (c) Kulturexpress

Die zeitgenössische philippinische Architektur befindet sich an der Schnittstelle von miteinander verbundenen und sich überschneidenden Kräften. Die philippinische Architektur wird heute als ein kontinuierlicher Fluss von Menschen, Orten und Prozessen definiert, der über die Grenzen des Landes hinausreicht. Der Begriff „Sulog“, der aus der Sprache der Menschen aus der Provinz Cebu stammt und „Wasserströme“ bedeutet, bringt das dynamische Auf und Ab der philippinischen Architektur auf den Punkt. Diese ist aus einem inselartigen Umfeld hervorgegangen und ist verwoben mit den Querströmungen der zahlreichen Einflüsse und dem Austausch von Netzwerken.

Die Ausstellung ist inspiriert von der Vorstellung des Anthropologen Arjun Appadurai vom „Global Cultural Flow“ (1990). Dieser versteht den Begriff als ein sich kreuzendes transnationales Netzwerk des Austauschs zwischen Menschen, Gütern, Wirtschaft, Politik und Ideen. Er schlägt vor, dass wir diese kulturellen Ströme über geopolitische Grenzen hinweg anhand der fünf Dimensionen Ethno- Landschaften, Technik-Landschaften, Finanz-Landschaften, Medien-Landschaften und Ideen- Landschaften verstehen müssen. Dieser Ansatz ermöglicht es uns, die Herstellung, die Nutzung und die Vermittlung von Architektur als Elemente der dynamischen Ströme der Entwicklung zu betrachten, die sich nicht auf eine einzige Idee von Territorium beschränken lassen. Wir sind der Auffassung, dass Architektur nicht einfach aus einer einzigen Nation oder einem einzigen Land hervorgeht, sondern vielmehr als ein Zusammenfluss von kulturellem Austausch über Zeit und Raum hinweg zu verstehen ist.

Die Neukonzeptionierung der philippinischen Architektur lässt sich in drei miteinander verflochtene Themen einteilen. Erstens: „Menschen als Netzwerk“ stellt die Architektur und die gebaute Umwelt als etwas dar, das aus der Vorstellungskraft, der Erfahrung und der Auseinandersetzung mit Menschen entsteht. In diesem Sinne betrachten wir Architektur, die durch philippinische Architekten, Mitarbeiter, Kunden, Gemeinschaften, Mentoren, Bildungswege und der philippinischen Diaspora in der ganzen Welt geprägt wird.

Zweitens unterstreicht „Orte als Fluss“ die Tatsache, dass die gebaute Umwelt grundsätzlich auf Orten beruht. In diesem Sinne kann die Idee des Ortes eine Vielzahl von Aspekten der Architektur umfassen, wie den Kontext des Ortes, das tropische Klima, die Geologie, die Geografie, die Kultur, die Geschichte und das Place Making.

Prozess als Ströme“ würdigt schließlich die Entscheidungsprozesse, die bei der Herstellung und Nutzung von Architektur eine Rolle spielen. Dazu zählen Materialien, Konstruktion, partizipative Methoden, gemeinschaftliches Engagement, Denkmalschutz und der sozio-politische Kontext.

Edson Cabalfin, Patrick Kasingsing, Peter Cachola Schmal (Kuratorenteam)

Die Philippinen als Gastland der Frankfurter Buchmesse 2025, das war nicht ohne weiteres am Horizont auszumachen. Es ist bereits zehn Jahre her, dass das Nachbarland Indonesien 2015 mit „Tropicality Revisited“ auf der Bucmesse zu Gast war – ein Land mit gleichem tropischem Klima, aber vollkommen anderer kolonialer Vergangenheit mit einer bei uns nahezu unbekannten Architekturszene. Die Ausstellung wurde von den jungen Wissenschaftlern Avianti Armand und Setiadi Sopardi kuratiert, die ihr Land zuvor bei der Biennale in Venedig präsentierten. Heute arbeiten sie im in Gründung befindlichen Museum Arsitektur Indonesia. Das Dewutsche Architekturmuseum kurz DAM geannt, verbindet interessante Vorstellungen mit dem Format der Gastland-Ausstellungen. Oftmals wurden Partner vor Ort als Gastkuratoren genommen. Mal boten sich Architekturmuseen, -Institute oder -Archive an, mal Architekturverlage, oder freie Kuratoren, wenn nicht beides vorhanden war.

Handskizzen

Beispiele hierfür sind Katalonien mit der Ausstellung („Patent Solutions“, 2007) in Zusammenarbeit mit Actar Publishers, Türkei („Becoming Istanbul“, 2008) mit der auf Architektur spezialisierten Garanti Galeri, Finnland („Suomi Seven“, 2014) mit dem Finnischen Architekturmuseum, Niederlande & Flandern (“Maatwerk“, 2016) mit dem Flämischen Architecture Institute VAi, Georgien „(Hybrid Tbilisi“, 2018) mit der freien Kuratorin Irina Kurtishvili und Norwegen („Hunting High and Low“, 2019) mit der freien Kuratorin Nina Berre. Island war eine Ausnahme: Bei der Ausstellung („Island und Architektur?“, 2011) gab es keine Institution mehr, da die einzige Architekturabteilung im Museum wegen der aktuellen Wirtschaftskrise geschlossen wurde. Mit Ländern aus Südamerika wurde zweimal zusammengearbeitt: Argentinien („Deutsche Einflüsse in der Architektur“, 2010) mit dem Latin American Archive for Architecture CEDODAL und Brasilien („Nove Novos“, 2012) mit dem Instituto Tomie Othake. In Asien gab es ebenfalls zwei Gastländer: China („M8 in China“, 2009) mit Liaoning Publishers, und Südkorea („Megacity Network“, 2007) mit dem Korean Architecture Institute, dessen Kurator Sung Hong Kim derzeit das Korean Museum of Urbanism and Architecture gründet.

Solche Länderpräsentationen können also weitreichende Folgen für die Kuratorinnen und Kuratoren haben. Bei der Suche nach philippinischen Partnern – ein Architekturmuseum oder Archiv gibt es (noch) nicht – gab DOM Publishers Berlin den Hinweis, dass die junge Architektin Bianca Weeko Martin aus Toronto gerade am ersten Architecture Guide Manila arbeitet. Sie wollte das fertige Werk im Mai 2024 in Manila vorstellen und lud zu einem gemeinsamen Panel mit dem bekannten Historiker Gerard Lico und dem jungen Patrick Kasingsing, Chefredakteur der Plattform Kanto.ph, ein. Die Präsentation im voll besetzten und frisch renovierten Manila Metropolitan Theater war ein großer Erfolg. Der Architecture Guide ist inzwischen ausverkauft und nur noch zu hohen Preisen online zu finden (einige Exemplare sind aber noch im DAM erhältlich).

Auch die für das Gastland der Buchmesse zuständigen Vertreter von Philippine Arts in Venice Biennale (PAVB) waren anwesend. Patrick Kasingsing führte Bianca und Peter Cachola Schmal am nächsten Tag zu aufregenden Bauten in Metro Manila wie dem Corner House von Department of Architecture aus Bangkok oder dem Comuna von Estudio Arkipelago und stellte ihnen viele Akteuren vor. Überzeugend war sein großes Netzwerk und seine Kenntnisse, weshalb er als Kurator  vorgeschlagen wurde. Nach einiger Zeit kam der erfahrene Kurator Edson Cabalfin aus den USA hinzu, der die erste philippinische Biennale-Präsentation 2018 in Venedig kuratiert hatte. Soweit die Erläuterungen einer der Kuratoren und Direktors des Deutschen Architekturmuseum, Peter Cachola Schmal, zu seiner Ausstellung anlässlich des Gastlandes auf der Frankfurter Buchmesse.