Die Ampelphase 8 läuft seit 24. August 2017 zum Thema: Heimat im Zeitalter der Globalisierung. Eröffnung war am Abend des 23. August. Zahlreiche Gäste waren im Vitra Showroom anwesend. Sechs renommierte Architekturbüros präsentierten im Showroom in der Gutleutstraße und in den großen Schaufenstern experimentelle Entwürfe und Ideen, die für drei Wochen ausgestellt bleiben.
Nach mehrjähriger Pause, die siebte Ampelphase fand 2015 statt, findet die Schau im Spätsommer mit der 8. Folge ihre Fortsetzung. Um so erfreulicher, dass Vitra seine Aktivitäten weiter ausbaut. Auf den internationalen Frankfurter Messen ist das Unternehmen mit dem Vitra Design nämlich selten zu Gast. Sechs Studios und Entwerfer präsentieren Inszenierungen im Schaufensterladen. Das aktuelle Motto könnte auch für die gesamte Ausstellungsreihe gelten: „Same same, but different“.
Vom 24. August bis zum 13. September inszenieren sechs renommierte Architekturbüros ihre künstlerischen Statements. Die Ausstellungsobjekte stellen Übertragungen der Architekturbüros dar, die sich mit dem Thema Heimat befassen, um daraus eine Idee zu entwickeln. Dabei spielen unterschiedliche Materialien eine Rolle ebenso wie unterschiedliche Herangehensweisen. Eine Box mit Guckfenster ist ein abgeschlossener Raum, in dem sich viele Dinge abspielen, Lauter gelbe Stühle wirken als Kommunikationsträger, lange Fäden bis unter die Decke gespannt bilden ein Netzwerk, ein Karussell spiegelt die Welt in sich und ein Heimat-Generator optimiert Sehnsüchte auf der Suche nach diesem einen Ort.
Was ist Heimat? Ein Dorf? Eine Schmuckschatulle? Eine renovierte Zechenanlage oder ein weißes Zimmer? Ein Generator oder doch eher ein schwer zu definierendes Gefühl? Die Studios Atelier Markgraph (Frankfurt am Main), BilleBeyeScheid Architekten (Frankfurt am Main), msm meyer schmitz-morkramer (Frankfurt am Main), OBERMEYER Planen + Beraten (München), RitterBauer Architekten (Aschaffenburg) und Rossmann + Partner Architekten (Karlsruhe) haben mit ihren Installationen den Vitra Showroom in einen temporären Ausstellungsraum verwandelt.
Die Entwerfer von OBERMEYER Planen + Beraten verknüpfen zwei Erzählebenen: Zu sehen sind vom Boden bis zur Decke gespannte Seile, zu hören sind kurze Statements von Mitarbeitern aus der Unternehmensgruppe zum Begriff «Heimat». Heimeligkeit, Sicherheit, Geborgenheit, Kindheit – alles scheint sich mit dem Wort «Heimat» zu verbinden. «Heimat ist kostbar.
Wie Schmuck in einer Schatulle – Im Container verschickt, fern der Heimat», entwurzelt, schreiben Rossmann + Partner Architekten. In ihrer Installation zeigen sie eine goldgestrichene Baumwurzel, die wie eine Preziose in einer mit schwarzem Samt ausgekleideten Schmuckkassette zu finden ist.
„Ist Heimat der Ort der Geburt, ein Haus, ein Land? Hat Heimat folglich auch Grenzen?“, fragen die Entwerfer von msm meyer schmitz-morkramer. Sie zeigen einen trichterförmigen Raum, der verspiegelt ist und der die „große Anzahl von Orten symbolisieren soll, die uns beeinflussen“. Am Ende aber, so ihr Resümee, „sind es nur wenige Orte, die für uns Bedeutung haben“.
Heimat ist eher eine gedankliche Klammer, die viele Assoziationen zulässt. Bei ihren gemeinsamen Vorbereitungen zur Ausstellung haben die Architekten eingehend diskutiert. In einem Punkt herrschte sofort Einigkeit: Heimat dürfe niemanden ausgrenzen. Und: Jede Vorstellung von Heimat schließt das Paradigma der Heimatlosigkeit mit ein, so wie Inklusion ohne Exklusion nicht zu denken ist.
Mit ihrer Installation «Grenzen los» wollen die RitterBauer Architekten dieses Spannungsfeld von Inklusion und Exklusion veranschaulichen: Sie haben Stühle zu einer Mauer gestapelt; mal wirken die Möbel als Mauer bedrohlich, dann – zu einem Sitzkreis geformt – einladend und integrativ. Nach dem Abbau der Ampelphase 8 werden die Sitzgelegenheiten dem Aschaffenburger Verein «Grenzenlos» vermacht.
Der Heimatgenerator, den Atelier Markgraph konstruiert hat, lädt zu einem augenzwinkernden Spiel mit der eigenen Vorstellung ein. Vom Besucher gefüttert, collagiert er zusammengetragene Heimatbilder und -objekte zu überraschenden Heimat-Kurzfilmen. Eine interaktive Einladung, in Heimatstereotypen zu schwelgen und zugleich über die Herkunft der eigenen Heimatvorstellungen zu reflektieren.
Die Installation des Frankfurter Büros BilleBeyeScheid Architekten kreist um die Themen Separation und Integration. Einen begehbaren Bildraum haben sie sich – in Kooperation mit dem Fachbereich Bildnerisches Gestalten an der Technischen Universität Darmstadt – erdacht. Die Besucher selbst sollen zum Teil eines großen Bildes werden. Kaum zufällig ist Heimat ein großes Thema für Architekten. «Architektur ist und bleibt ein Produktionsversuch menschlicher Heimat», das wusste bereits Ernst Bloch. „Hat der Mensch sich erfasst“, schrieb der Philosoph, „so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.“ Eine Heimat, die in der Zukunft liegt. Kein nostalgisches Arrangement. Es ist die Utopie vom Nachhausekommen.
Die Idee zur „Ampelphase“ ist mit seiner besonderen stadträumlichen Situation verknüpft: Die 450 Quadratmeter Ausstellungsfläche befindet sich an einem der verkehrsreichsten Orte der Frankfurter City. Über 40.000 Autos passieren diese Ecke täglich. Eine Ampel vis-à-vis des Showrooms bringt den Verkehr regelmäßig zum Stillstand. Während die Ampel Rot zeigt, in der Phase des verordneten Wartens, sollten – so die Idee – Verkehrsteilnehmer ihre Blicke auf die Fenster des Showrooms richten.
Von Beginn an hat sich die «Ampelphase» als Intervention im urbanen Raum verstanden. Die Innenwelt des Showrooms wird transparent und für die teilnehmenden Architekten bietet die Ausstellungsreihe eine Bühne, auf der sie zukunftsweisende Statements und Projekte präsentieren. Die Aufgabe ist weit gefasst; die Gestalter haben freie Hand und wählen Thema und Darstellungsweise ihrer Präsentation selbst. Für Gesprächsstoff ist stets gesorgt. 42 Teams schufen bisher Installationen im Ausstellungsraum.
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