Ein Gespräch zwischen Jonah Hill und Rembert Browne MID90s (2018)


Rembert Browne ist ein Autor aus Atlanta und zurzeit in New York ansässig. Während seiner Arbeit für Grantland und das New York Magazine führte er eine Reihe hochkarätiger Interviews, unter anderem mit Barack Obama, Lin-Manuel Miranda, Issa Rae und Donald Glover. Neben seinen Beiträgen für The Ringer hat er zuletzt die Titelgeschichte des Time Magazine über Spike Lee verfasst.

Browne: Einen Moment, lass mich nur mein Telefon auf Flugmodus stellen, damit meine Mutter mich nicht erreichen kann.

Hill: Tu das.

Browne: OK, also während ich die ersten zehn Minuten deines Films betrachte, überlege ich bereits, welcher Teil autobiographisch ist. Steckt ein kleiner Teil von dir in allen Figuren? Bist du einer der Charaktere oder keiner? Inwieweit stehen die Figuren, das Umfeld, die Kulisse in Bezug zu dir und deinem Leben?

Hill: Das ist eine sehr gute Frage. In erster Linie bin ich ein Autor und das ist eine Geschichte. Das heißt, es ist nicht autobiographisch. Es ist eine Geschichte, die ich erzählen wollte. Gefühle, die zum Ausdruck kommen und mit dem Erwachsenwerden zu tun haben, sind persönlich. Und vielleicht gab es Erlebnisse, die Freunde von mir hatten. Aber letztlich sind es komplexe Figuren, die ich erschaffen wollte, in einer Geschichte, die mir am Herzen lag.

Browne: Ich verstehe. Als du begonnen hast, die Geschichte zu entwickeln, was stand da am Anfang? Hast du dich zuerst auf die Handlungsorte konzentriert? Ging es vor allem um Skate-Kultur?

Hill: Nein, es ging nicht um die Kultur. Ich bin in den Mittneunzigern in L. A. auf dem Skateboard groß geworden. Und ich habe meine gesamte Zeit vor dem Gerichtsgebäude verbracht, das man im Film sehen kann.

Browne: Ich fand die Szenen, die dort spielen, großartig.

Hill: Wir haben das Gerichtsgebäude so wiederhergestellt, wie es damals war, mit den Graffitis und allem anderen. Die Stadt hat uns sogar erlaubt, es so zu lassen, was ich sehr cool finde. Beim Skaten, auch wenn ich nie besonders gut darin war, ging es für mich damals darum, mir einen Freundeskreis zu erschließen. Wenn du jünger bist, dann musst du dir deinen Weg im Tierreich emporarbeiten. Die Älteren gucken von oben auf die Jungen und ihre Schwierigkeiten herab. Es ist ein Film über das menschliche Tierreich und seine Gesetze. Ein Junges begibt sich in eine Gruppe, wo es lernt zu überleben und sich seinen Platz zu erkämpfen.

Browne: Genau.

Hill: Ich habe mich immer der Anti-Ethik des Skatens verbunden gefühlt. Um nur ein paar der Tricks zu beherrschen, die ich bei den Kids beobachten konnte, hätte ich alles geben. Aber noch wichtiger war, dass es mir eine neue Sichtweise sowie eine Zukunftsperspektive eröffnete. Und eben eine Familie außerhalb meines Zuhauses. Also selbst, wenn MID90s nicht meine Geschichte erzählt, so stellen das Gerichtsgebäude und Los Angeles den Hintergrund dar, vor dem ich aufgewachsen bin.

Browne: Ich erinnere mich daran, nicht nur der Jüngste, sondern auch der Kleinste gewesen zu sein. Mit diesen riesigen Jungs um mich herum, die mir vorkamen, als wären sie 20 Jahre älter, auch wenn es tatsächlich nur drei waren. Ich wollte cool, aber kein Versager sein. Während ich den Film sah, identifizierte ich mich mit den unterschiedlichen Figuren. Mir erscheinen sie alle unglaublich gut nachvollziehbar.

Hill: Dass du dich so gefühlt hast und wenn es anderen genauso geht, das ist das größte Kompliment, das man mir machen kann. Die Filme, die ich liebe, präsentieren komplexe Figuren mit der Möglichkeit zur Identifikation. Damals galt es als total uncool, motiviert zu erscheinen, besonders im Kontext von Skateboarding und Hip Hop. Es war so ziemlich das Lahmste überhaupt.

Browne: „Was, du gibst dir Mühe?“

Hill: Sich anzustrengen, war total abgeschmackt. Im Film reden wir darüber. Und daher genießen die Menschen, die einen dennoch motivieren konnten, bis heute einen besonderen Stellenwert. Ich wollte eine Figur im Film, die das verkörpert. Dann habe ich Na-Kel Smith getroffen, und er hat genau diese Eigenschaften. Weil er so cool ist, ein toller Schauspieler und nie abgeschmackt.

Browne: Er ist wirklich großartig.

Hill: Na-Kel kann jemanden spielen, der motiviert ohne kitschig rüber zu kommen. Und der Film konnte sich darauf verlassen. Diese Kids zu finden, den Film mit ihnen zu drehen und mitzuerleben, wie sie sich von Skatern in echte Schauspieler verwandeln, war vermutlich die bewegendste Erfahrung in meinem Leben.

Browne: Ja, ich wollte mich auch danach erkundigen, wo du die Kids aufgetrieben hast. Und wie du sie dazu gekriegt hast, zu dieser Crew zusammenzuwachsen.

Hill: Das sind zwei sehr unterschiedliche Fragen.

Browne: Ja, ich musste mich mittendrin korrigieren.

Hill: Es war fantastisch. Du kreierst diese Charaktere und wünschst dir nichts sehnlicher, als sie zum Leben zu erwecken. Ich kenne viele Leute im Bereich Skateboarding, einige von früher, manche habe ich erst kürzlich kennen gelernt. Also habe ich recherchiert und angefangen, mich mit Leuten zu treffen. Mein Freund und Koproduzent Mikey Alfred war mir eine große Hilfe. Aber dann habe ich Sunny in einem Skatepark getroffen. Wir hatten zu dem Zeitpunkt noch niemanden vorsprechen lassen. Er kam an, wir unterhielten uns, und er war es einfach.

Browne: Ja.

Hill: Ich war auf der Suche nach einem Kind, das zwar äußerlich klein, aber innerlich ein Riese ist. Und ich denke immer daran, dass Sunny am Ende des Films seinen Charakter viel besser versteht als am Anfang, mit all seinem Wagemut und seiner Selbstsicherheit. Deswegen erscheint er so glaubhaft. Man könnte die Figur so konstruieren, dass er schüchtern erscheint. Aber man kann nicht umgekehrt ein zaghaftes Kind ohne weiteres so tun lassen, als wäre es ein Draufgänger. Sunny ist eine Kombination aus beidem. Deswegen haben wir ihn noch am gleichen Tag für die Hauptrolle besetzt.

Browne: Das ist klasse!

Hill: Sie sind alle so unglaublich. Ich hatte nie eine Rolle, in der ich einen kompletten Film tragen musste, so wie Sunny in diesem Fall, und er war erst elf, als wir den Film gedreht haben. Ich liebe alle Kids, aber auch die Darstellung von Katherine und Lucas. Es war sehr wichtig für mich, was du gesagt hast darüber, wie es sich anfühlt, mit Leuten zu tun zu haben, die erwachsen scheinen im Vergleich zu dir, obwohl sie nicht viel älter sind. Das war wirklich ein extrem verwirrender Moment, und ich wollte das unbedingt angemessen rüberbringen im Film. Und Sunny befand sich gerade in genau dieser Phase seiner Entwicklung.

Browne: Als er am Ende des Films seine Mutter anschreit und wie er generell drauf ist, das war echt hart.

Hill: Sunny ist im realen Leben nicht so. Aber er ist selbstbewusst, skatet und hat folglich mit Älteren zu tun. Außerdem ist er es gewohnt, gefilmt zu werden, weil sie sich immer gegenseitig filmen beim Skaten. Jeder weiß, wie es sich anfühlt, schüchtern zu sein. Oder wie es ist, sich unwohl zu fühlen in einer Situation. Und mein Eindruck war, dass Sunny die Proben und das Spiel leichter fallen als einer nervösen, zurückhaltenden Person. In dem Fall stellt diese sich nur vor, was es heißt, explosiv zu sein.

Browne: Ist es dann nicht so, dass man versucht sich auszumalen, wie es wohl wäre, seine Mutter anzuschreien?

Hill: Genau. Aber wenn du eine sehr emotional geladene Person bist, die zur Explosion neigt, dann kannst du dich leicht an die Zeit erinnern, als du noch ein schüchterner Außenseiter warst.

Browne: Das ist der erste Film, den du geschrieben hast, ja?

Hill: Ja.

Browne: Wie war das? Was hast du gemacht? War das etwas, das du schon länger machen wolltest? Hast du dich irgendwo verkrochen? Bist du nach L.A. gegangen? Ich bin nur neugierig, wie du dich darauf vorbereitet hast, gleich zwei neuen Aufgaben, ein Drehbuch verfassen und Regie führen, gerecht zu werden. Das waren, glaube ich, acht Fragen auf einmal.

Hill: Alles gute Fragen. Wie ich mich vorbereitet habe? Durch all meine Erfahrungen. Ich habe die letzten 15 Jahre diese unglaubliche Filmschule durchlaufen. Als Schauspieler wollte ich schon immer schreiben und Regie führen. Und meine Schauspielkarriere ist so ein Segen. Sie hat Fahrt aufgenommen, und ich hatte die Möglichkeit, von meinen Helden zu lernen. Häufig konnte ich beobachten, wie Schauspieler zu früh Regie führen wollten. Die Person war vielleicht bereits ein guter Autor, aber es mangelte an Erfahrung, um Regie führen zu können.

Browne: Ja.

Hill: Letztlich war ich mir sicher, dass ich einen Film drehen und Jahre in ihn investieren würde. Mir war klar, dass ich eine Geschichte erzählen wollte, die mir etwas bedeutet. Dann schrieb ich vor einigen Jahren mit Spike Jonze an einem Theaterstück. Nach Feierabend haben wir uns darüber ausgetauscht, woran wir gerade individuell arbeiten. Also haben wir uns gegenseitig die Geschichten erzählt, von Anfang bis Ende, was eine gute Schreibübung darstellt. Ich war dabei, meinen ersten Film zu schreiben. Die Geschichte handelte von etwas völlig anderem. Aber es gab Flashbacks zu der Zeit, als die Hauptfigur zwölf Jahre alt und mit Freunden auf dem Skateboard unterwegs war. Und Spike meinte, dass ich total gelangweilt aussehe, während der Hauptgeschichte, aber aufleuchte bei den Passagen mit den Rückblenden. Er hat gesagt, ich solle doch lieber nur diesen Film schreiben.

Browne: Wann war das?

Hill: Vor vier Jahren.

Browne: Und das war der Moment?

Hill: In dem Moment habe ich mich entschieden MID90s zu schreiben.

Browne: Ich steh drauf!

Hill: Und es war einfach diese unglaubliche Erfahrung. Ich habe den Film heute früh abgeschlossen. Alles fühlt sich im Moment hochemotional für mich an.

Browne: Natürlich tut es das. Gratuliere!

Hill: Ich danke dir vielmals, ernsthaft. Über vier Jahre habe ich alles, was ich konnte, in dieses Projekt investiert, wenn ich überschüssige Energie hatte oder mich einsam fühlte. Der Film ist wie mein bester Freund.

Browne: Jep.

Hill: Dann lädst du all diese Leute ein. Sie glauben an dich und machen mit. Und das ist der bewegendste Moment überhaupt, weil du dir sicher warst, dass sich niemand dafür interessieren würde. Das alles war ein unfassbares Erlebnis. Während der vier Jahre habe ich viel Zeit vor dem Gerichtsgebäude verbracht. Ich habe nachts dort gesessen und die Szenen verfasst, die an dem Ort spielen. Auf der Treppe, wo sie sitzen, beobachten und sich über die Profiskater unterhalten. Dann bin ich nach New York gezogen. Ich liebe Schreiben und Schnitt.

Browne: Schnitt? Das hätte ich jetzt wirklich nicht erwartet. Erzähl mir mehr.

Hill: Die Dreharbeiten liebe ich auch, aber Schnitt ist einfach großartig, denn am Set herrscht so viel Druck, und es geht ums Geld. Bei dieser Form der kreativen Arbeit steht viel auf dem Spiel.
Das Schreiben und der Schnitt fühlen sich anders an. Es ist diese ruhige Form der Kreativität, wo du alleine bist oder nur mit deinem Cutter. Du kannst auf die Dinge einschlagen und daneben liegen, ohne dass es sonst jemand sieht. Am Set kannst du nur auf etwas einschlagen, wenn das in dem Moment gefragt ist. Schneiden ist wie Schreiben mit Bildern. Es ist eine wunderschöne Erfahrung. Ich bin in der Tat unglücklich darüber, dass es vorbei ist.

Browne: Es erscheint wie eine gänzlich andere, intime Art Geschichten zu erzählen.

Hill: Da waren nur die Kids und ich sowie Nick, mein Cutter, der ein Genie ist. Nick Houy. Ich habe es geliebt. Es hätte noch zehn Jahre so weiter gehen können. Um ehrlich zu sein, ich will einen neuen Film schreiben, nur damit ich ihn schneiden kann. Jemand hat mir erzählt, dass der Dreh die Belohnung für das Schreiben ist und der Schnitt wiederum die Belohnung für den Dreh. Aber ich sehe das nicht so, weil ich es liebe zu schreiben. Für mich ist der Film das Ergebnis davon. Damit die Kids nachvollziehen konnten, was sie da machen, mussten sie die Figuren verstehen. Dass ich ihnen diese Charaktere anbieten konnte und die Kinder fähig waren, sie im realen Leben wiederzuerkennen, das war das Beste.

Browne: Zu beobachten, wie sie sich in deine Figuren verwandeln, muss wild gewesen sein.

Hill: Diese Kids haben noch nie geschauspielert, außer Sunny. Sie hatten keine Erfahrung und waren so nervös am Anfang. Man sieht, wie gut sie als Schauspieler sind und wie hochmotiviert. Dass sie in der Lage waren, das Projekt ernst zu nehmen und durchzuziehen, ist erstaunlich.

Browne: Was sind deine liebsten Erinnerungen?

Hill: Zuerst eine Geschichte.

Browne: Schieß los.

Hill: Olan, der Fuckshit spielt, ist so eine charismatische Person. Als er den Raum betrat, vergaß ich völlig, ihn vorsprechen zu lassen. Scott Rudin rief mich an und wies mich darauf hin. Ich sagte ihm, dass Olan selbstverständlich die Rolle bekommt. Olan ist fantastisch, ein Star. Er explodiert förmlich auf der Leinwand.

Browne: Aber er ist nur ein Skater.

Hill: Er fährt Skateboard, ja. Olan ist explosiv lustig. Extrem energetisch. Aber einmal war er total ruhig. Und ich habe sofort angefangen, mir Sorgen zu machen. In solchen Situationen verhält man sich fast wie ein Elternteil: „Fühlt er sich unwohl? Ist er sauer?“. Ich will sichergehen, dass alles okay ist. Also gucke ich genauer hin und sehe, er hat unter dem Tisch das Drehbuch und ist gerade dabei, seinen Text zu lernen. Das war total bewegend.

Browne: Cool, ich fange gleich an zu heulen.

Hill: Um ehrlich zu sein, ich habe deswegen wirklich geweint, später am Tag. Weil ich es nicht geschafft hatte, diesen Kerl zur Pünktlichkeit anzuhalten. Er kam auch eine Stunde zu spät zum Vorsprechen. Und am Ende der Dreharbeiten waren die Kinder so routiniert und zuverlässig, wie jeder andere professionelle Schauspieler, mit dem ich gearbeitet habe im Verlauf meiner Karriere. Es hat mich wirklich berührt.

Browne: Das ist toll.

Hill: Meine ursprüngliche Idee, die ich auch mit der Crew geteilt habe, bestand darin zu versuchen, die Tatsache, dass wir einen Film drehen, so gut wie irgend möglich zu verheimlichen. Wenn die Kinder begreifen, dass sie in einem Film agieren, dann kriegen sie Angst oder etwas in der Art. Aber dann, nach der Hälfte der Drehzeit, kommt Na-Kel an und sagt: „OK, das ist eine Mutter-Tochter-Einstellung. Die Tonabteilung wird damit gut zu tun haben.“ Und ich so: „Oh, alles klar, diese Kinder sind genial.“

Browne: Unendlich viel schlauer als ich.

Hill: Und sie gieren nach Wissen. Das war das Coolste. Es war bewegend. Dies war der beste Sommer überhaupt. Ich gucke mir Bilder an und vermisse es jeden Tag.

Browne: Ein harter aber lustiger Sommer, nehme ich an.

Hill: Oh ja. Ich war so gestresst, dass ich manchmal, wenn die Kids darüber geredet haben, wie super ihr Sommer war, gesagt habe, dass ich mir wünschte, dabei gewesen zu sein.

Browne: Ha ha ha.

Hill: Mit den Kindern zu arbeiten, war unglaublich anstrengend. Alles immer noch einmal erklären zu müssen und so weiter. Dabei kam mir meine Erfahrung als Schauspieler sehr zugute. Weil mir klar ist, warum sie geneigt sind, beim Spielen bestimmte Entscheidungen zu fällen. Oder ich helfe dabei, dass sie sich locker machen und spreche ihnen Mut zu, sie selbst zu sein und sich auf diesem Weg die Figuren zu erschließen. Auch versichere ich ihnen, dass sie gut genug sind, die Charaktere mit Leben zu füllen.

Browne: Ja, es scheint eher eine Sache des Selbstvertrauens zu sein, als den Kindern beizubringen, wie man spielt.

Hill: Es geht darum, dass sie an sich selbst glauben. Da muss man sie hinbringen. Und einige der Kinder haben mir erzählt, dass man sie, obwohl es Skaten so weit gebracht hat, immer noch als Außenseiter und Loser betrachtet. Du weißt schon, die Schilder und all das. Und obwohl es ursprünglich Punk ist, haben manche Kids deutlich gemacht, dass sie noch nie von einem Erwachsenen dazu ermutigt wurden, sich künstlerisch auszudrücken. Also haben sie das Angebot in meinem Fall einfach angenommen. Wenn ich das höre, dann hoffe ich, dass die Kinder gelernt haben, dass sie alles machen können. Ich will nicht für sie sprechen, aber das war mein Gefühl. Und am Ende klang ich so: „Wow, du bist eine Maschine! Du stehst in Flammen!“

Browne: Du hast erwähnt, wie du als junger Schauspieler, von deinen Helden gelernt hast. Wer hat deiner Meinung nach am deutlichsten seinen Stempel bei dir hinterlassen?

Hill: Alle mit denen ich gearbeitet habe. Wenn du Regisseur werden willst, dann hast du als Schauspieler einen Sitz in der ersten Reihe.

Browne: Das ist wahr.

Hill: Ich habe in 60 Filmen mitgespielt. Weißt du, ich bin in Wirklichkeit älter, als du glaubst.

Browne: Wir haben fast das gleiche Alter, was mir gerade das Gefühl vermittelt hat, alt zu sein. Aber bitte fahre fort.

Hill: (Gelächter) Ich bin 34 und habe in 60 Filmen mitgewirkt. Der Sitz in der ersten Reihe war nicht immer gut. Aber man lernt auch von den negativen Erfahrungen. Mit SUPERBAD (2007) fing alles an. Ich konnte Seth und Evan, zwei Menschen, die ich verehre und liebe, beobachten, während ihre Vision Wirklichkeit wurde. Mit sehr jungem Alter habe ich das miterlebt. Dadurch habe ich gelernt, dass man so etwas schaffen kann. Weil ich in dem Film mitgespielt habe, gab es bei den Leuten die Erwartung, dass ich etwas Ähnliches produzieren würde. Aber ich dachte nur, diese Jungs sind Genies, das ist ihre Stimme und es inspiriert mich so sehr. Und dann habe ich mit Bennet Miller gearbeitet. Ich habe aus der ersten Reihe verfolgt, wie ein fantastischer Regisseur einen dramatischen Stoff inszeniert hat. Auch heute rufe ich ihn noch ständig an. Manchmal ist es die pure Belästigung. Zum Glück gefällt es den Leuten, ihr Wissen weiterzugeben, wenn sie mit jemandem zu tun haben, der gute Absichten hat.

Browne: Ja.

Hill: Ich habe so viel gelernt von Bennett. Dann bin ich zu Tarantino weiter gegangen, danach zu Scorsese. Und dann zu den Coen-Brüdern, Gus Van Sant und Harmony Korine …

Browne: Du bist so was wie ein Senior im achten Jahr an der Filmschule.

Hill: Ich möchte nicht, dass es jemals aufhört.

Browne: Mach niemals den Abschluss.

Hill: Für mich ist das Wissen die Belohnung. Als es darum ging, meinen ersten Film zu realisieren, war ich bereit. Zwar nervös und aufgeregt, aber ich hatte meine Hausaufgaben gemacht. Und ich hatte drei Jahre an dem Drehbuch gearbeitet. So oft hatte ich erlebt, wie zuerst ein Buch und dann auch der Film überstürzt realisiert wurden. Ich weiß nicht, was die Leute von meinem Film halten werden, aber ich bin mir zumindest sicher, dass ich ihn durchdacht habe.

Browne: Es wird keinen Moment geben, wo du denkst: „Oh verdammt, da bin ich nicht draufgekommen“.

Hill: Genau. Bei den Filmen, die ich liebe, oder bei denjenigen, in denen ich mitgespielt habe und die gut geworden sind, bin ich mir darüber im Klaren, dass sie mit Zeit, Mühe und Leidenschaft realisiert wurden. Aber bei vielen anderen Filmen ist das nicht der Fall. Und wie gesagt, man weiß nicht, wie die Welt einen Film aufnehmen wird. Aber die Filme, in die man viel Arbeit und Herzblut investiert, sind letztlich diejenigen, auf die man später stolz ist. Das gilt zumindest für meine Helden. Und ich werde mich niemals von meinem Film distanzieren.

Browne: Es ist eine wunderschöne Geste, alle Karten aufzudecken.

Hill: Und ich liebe langfristige Kreativität. Ich mag natürlich auch kreative Kurzzeitaktivitäten, wozu ich Schauspiel zählen würde. Du tauchst einfach auf, machst deinen Job und verschwindest wieder, ohne mit dem weiteren Prozess etwas zu tun zu haben. Aber für mich ist eins der größten Geschenke im Leben, gemeinsam mit Menschen, die ich liebe und respektiere, etwas zu erschaffen. Mit Trent Raznor und Atticus Ross oder Scott Rudin und Eli Bush zu arbeiten oder mit A24, Ken Kao. Das ist wie aus FELD DER TRÄUME – WENN DU ES BAUST, WERDEN SIE KOMMEN.

Browne: Ja.

Hill: Es gibt so viel Momente, wo du glaubst, der Film wird nie gedreht. Und dann triffst du Leute die sagen: „OK, es ist also ein Superheldenfilm. Bla bla bla.“ Und du so: „Nein, es geht um ein paar Kids, die zusammen abhängen.“

Browne: Aber wann kriegen sie Superkräfte?

Hill: Und was machen sie sonst? „Na ja, sie reden über ihre Gefühle, und dann taucht Del tha Funkee Homosapien auf.“ Was meine Lieblingsszene ist. Also musst du von nun an nur noch an die Sache glauben und arbeiten.

Browne: Ich war mir bereits, bevor ich ihn gesehen hatte, sicher, dass selbst wenn der Film mies, die Musik cool sein würde.

Hill: (Lacht) Wegen Trent und Atticus?

Browne: Nein, weil ich weiß, dass dir Musik wichtig ist.

Hill: Diese Szenen wurden zur Musik geschnitten.

Browne: Das überrascht mich nicht. Ich war mir sicher, die Musik würde eine wichtige Rolle übernehmen.

Hill: Stimmt. Das ist ein schönes Kompliment.

Browne: Und dann gehen Trent und Atticus in die Vollen, und nach drei Minuten denke ich: „Oh mein Gott, das ist wildes von Philip Glass inspiriertes Zeug, ich bin bereit!“

Hill: Ich meine, wir können den ganzen Tag über Musik reden.

Browne: Ja, ich weiß. Eine andere Sache. Gegen Ende des Films fiel mir auf, dass die Musik wie ein Erzähler funktioniert. Da kommt ein Stück und der Text geht so …

Hill: „That was the night everything changed.“

Browne: Genau, und in dem Moment veränderte sich wirklich alles.

Hill: Ich meine, wie cool ist das. Das erste Stück von Liquid Swords. Und für mich war es so, dass ich am Ende des zweiten Akts, beim Übergang zum dritten, einfach mal das vielleicht prägendste Stück meiner Kindheit eingebaut habe.

Browne: GZA.

Hill: Und wenn du das kennst, dann hast du es wahrscheinlich Millionen Mal gehört. Aber es für die Geschichte im Film zu nutzen, fühlt sich irreal an. Wir waren uns zuerst nicht sicher. Produzenten, die GZA nicht verstehen? Leute, die nicht auf Liquid Swords standen? Mein Agent hat das nicht begriffen. Ich meine, ich hätte es ganz einfach weglassen können, aber wenn das Stück Teil deiner DNA ist, dann wirst du begeistert sein darüber, dass etwas getriggert wird, was für immer so tief in deinem Gehirn eingebrannt ist.

Browne: Du willst nur noch den nächsten, der es checkt, vor Freude abklatschen.

Hill: Das ist das Schöne an der Arbeit mit Eli Bush und auch Scott Rudin, der nur an harte Arbeit glaubt und seinem Geschmack vertraut, selbst wenn ein Projekt nicht so sein Ding ist. Es ist auch toll, dass Eli in meinem Alter ist und wir Freunde sind. Er versteht, was ich will, und d.h., wir können manche Kämpfe gemeinsam austragen. Das ist auch ein Grund, warum A24 und Ken Kao großartig sind. Wenn es Universal wäre, dann würden sie sagen, ich solle diesen komischen Kung Fu-Erzähler rausnehmen. Aber für mich ist das eine Botschaft für die Eingeweihten. Wir haben Raekwon den Film gezeigt.

Browne: Was?

Hill: Und er hat danach geweint.

Browne: Ich sterbe.

Hill: Der Film spricht die Emotionen an. Was schon etwas heißen soll, weil es in der Ethik von Hip Hop eigentlich verpönt ist, Gefühle zu zeigen. Vor allem Mitte der Neunziger. Also, Raekwon sieht den Film, weint und als der Abspann läuft, sagt er: „Hat mich ganz emotional gemacht, B!“. Das hatte er, glaube ich, nicht erwartet.

Browne: Gab es Dinge, die zu tun du bei der Herstellung des Films bewusst versucht hast zu vermeiden?

Hill: Unsere zwei Regeln lauteten: Kein Nostalgie-Porno und kein Skate-Porno. Es gibt zwar das perfekte T-Shirt mit Street Fighter-Schriftzug, doch wir treten das nicht breit. Das ist einfach das, was er anhat, nicht der Neunzigerfilm. Genauso ist es nicht der Skatefilm. Das ist normalerweise ein echtes Problem aller Filme, die Skateboarding darstellen. Bei uns ist es einfach nur da. Skaten gehört auf natürliche Weise dazu.

Browne: Es geht immer noch vor allem um die Figuren.

Hill: Die Freude, die es mir bereitet, wenn Leute, nachdem sie den Film gesehen haben, zu mir kamen, um mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Das ist so schön. Es ist das, was ich an Filmen liebe. Na-Kel ist der Filmstar, den ich immer haben wollte und nie hatte.

Browne: Ich kann nicht genug über ihn reden.

Hill: Ich fragte mich, wer ist der Filmstar, den ich mir immer gewünscht, aber nie bekommen habe? Okay, ich werde das korrigieren. Die Szene zwischen Sunny und ihm war eine der ersten, die ich geschrieben habe. Sie ist fast Wort für Wort so übernommen worden.

Browne: Die Szene, wo sie nur zu zweit sind, gegen Ende des Films?

Hill: Wo sie draußen sitzen und er sagt:„Du würdest deinen Scheiß nicht für den Scheiß anderer Leute eintauschen.“

Browne: Die meine ich.

Hill: Das war immer die Lieblingsszene der Leute. Ich glaube, das liegt daran, dass es die Szene ist, in der die Zuschauer am emotionalsten reagieren. Die Leute beteuern: „das ist die beste Szene im Film“. Aber es war auch schwierig. Denn wenn es nur eine Nuance danebengeht, dann ist es die kitschigste und lahmste Szene der Welt.

Browne: Ja, das stimmt.

Hill: Es war alles davon abhängig, einen Schauspieler zu finden, der in der Lage sein würde, frei und gefühlsbetont zu sprechen ohne einen Anflug von Kitsch. Es sollte direkt rüberkommen. Auch hatte ich verschiedene Kleinigkeiten in das Skript eingearbeitet, damit es nicht so wirkt, als würde Mr. Miyagi auftauchen und eine perfekte Rede für die Kinder halten.

Browne: „Eine besondere Episode von…“

Hill: Es war so schwer. Wenn ein Schauspieler, das für dich tut, dann bist du nur noch dankbar. Ich habe zu ihm gesagt: „Wenn du blöd rüber kommst im Film, dann schlag mich. Es gibt keinen anderen Weg, als sich verletzlich zu zeigen. Je mehr desto besser. Also entweder lassen wir es oder du gibst alles.“ Und er sagt nur: „Hab‘s verstanden.“

Browne: Verdammt.

Hill: Und nach nur zwei Takes verstummten alle. Und man war sich einig, dass er ein wirklich ernsthafter Schauspieler ist. Ich bin schon lange in der Branche. So etwas erlebt man nicht oft. Und ich versuche nichts weiter, als mit dem Drehbuch und meinen Mitteln als Filmemacher einen Rahmen zu schaffen, in dem die Kinder ihre Herzen sprechen lassen können.

Browne: Eine beschützte Umgebung.

Hill: Es geht um Sicherheit, Freiheit und Liebe sowie die Gewissheit, dass du auf die Schnauze fallen kannst und niemand verurteilt dich deswegen. 14 zu sein ist an sich schon hart genug, stell dir vor, du musst das jetzt auch noch in einem Film zur Schau stellen. Aber sie wollten sich auch gegenseitig beeindrucken, was großartig war.

Browne: Das ist cool.

Hill: Und was noch dazu kommt: Na-Kel ist einer der coolsten Skater der Welt.

Browne: Das ist er.

Hill: Also schauen die ganzen Kids zu ihm auf. Er ist ganz selbstverständlich das Alphatier in dieser Welt, weil er so ein unglaublicher Skater ist. Das heißt, Sunny ist viel aufgeregter, weil er in der Nähe von Na-Kel sein kann, als wegen mir. Ich bin ihm total egal. Dass er mit Na-Kel zusammen ist, hilft der Darstellung.

Na-Kel war ursprünglich nicht als Alphatier geplant. Aber als ich ihn und Olan hatte, habe ich sie die Rollen tauschen lassen und ihre Szenen nochmal neu geschrieben. Die Besetzung hatte Konsequenzen für das Drehbuch. Wenn ich daran denke, muss ich lächeln.

Browne: Ich wollte dich noch etwas zur Musik fragen.

Hill: Oh, bevor du fragst – Morrissey.

Browne: Erzähl mir alles.

Hill: Das Stück von Morrissey war das erste, bei dem wir die Genehmigung bekommen haben. Ich habe Briefe geschrieben an alle. Wir hatten kein sehr großes Budget für die Musik. Ich habe also Morrissey diesen Brief geschickt, und er hat geantwortet und uns das Stück gegeben. Die Szenen sind so stark an die Musik gebunden. Herbie Hancock, das war der zweitaufwendigste Dreh, die Partyszene. The Mamas & the Papas, wo sie den Hügel runter gehen, das brachte den größten Aufwand mit sich. Die Szene mit Herbie Hancock war eine Anspielung an Malice. Wenn du es weißt, dann weißt du es.

Browne: So wie die Szene mit Del Tha Funkee Homosapien als Obdachlosen.

Hill: Wenn du weißt, dass er das ist, dann fügt es dem Ganzen eine coole Ebene hinzu. Wenn nicht, dann beeinflusst es dein Erlebnis nicht im Geringsten.

Browne: Ich wollte noch fragen, ob es bestimmte Aspekte der Popkultur aus der Zeit gab, denen du die Kids aussetzen wolltest.

Hill: Wir haben ihnen keine Gadgets in die Hand gedrückt und sie mussten auch nicht BEAVIS & BUTTHEAD gucken. Ich fand, dass die Ära nicht so wichtig war. Es geht um eine Gruppe von Leuten, und die Kids müssen sich darauf konzentrieren, sich in diese Menschen zu verwandeln. Die Aktionen und Reaktionen zu verstehen, sowie den Unterschied zwischen Prahlerei und echtem Wagemut, das war das Wichtigste. Mein Team und ich würden eine Welt um sie herum errichten. Wenn die Brüder Twisted Metal spielen…

Browne: Danke dafür übrigens.

Hill: Genau. Das war ein Spiel, das ich mit meinen Freunden gezockt habe. Also dachte ich, es wäre toll, das einzubauen. Aber es ist eine intensive Szene zwischen zwei Brüdern. Es ging nicht um das 90er-mäßige daran. Ich habe ihnen trotzdem iPods mit Musik gegeben, etwas dass ich von Scorsese gelernt habe, der mir einen iPod gab, um in THE WOLF OF WALL STREET (2013) besser in meine Rolle und die Zeit rein zu finden. Ich war besorgt, dass die Kids Souls of Mischief oder The Pharcyde nicht mögen würden, aber sie mochten es.

Browne: Das gefällt mir.

Hill: Wir haben ihnen auch viele Skate-Videos von damals gezeigt. Diejenigen, die großen Einfluss auf den Film hatten. Und dann ließen wir sie alle THIS IS ENGLAND (2006) gucken. Offensichtlich ist der Film ganz anders als meiner. Aber ich fand großartig, wie jung die Hauptfigur in dem Film ist, und meine Darsteller waren auch sehr jung. Keiner fühlte sich wie ein Kleinkind, obwohl sie sehr jung waren. Ich wollte, dass sie den Ton des Films verstehen. Dass es darum geht, das wahre Leben zu zeigen, nichts zurückzuhalten und möglichst zu vergessen, dass man in einem Film spielt. Wenn du dein Leben lang Filme guckst, dann spielst du so, wie du es im Film gesehen hast. Ich habe versucht, die Interaktionen nicht wie typische Filmsituationen aussehen zu lassen.

Browne: Ich liebe das Fischauge. Da dachte ich nur: „Ja bitte!“

Hill: Wenn ich dir erzählen würde, was für ein Aufwand dahintersteckt. Diese Kameras gehen ständig kaputt. Man kann sie nachbestellen, aber sie sind von 1995. Wir wollten Kameras aus der Zeit benutzen, anstatt zu filtern. Es wurde alles adäquat realisiert, und es war großartig. Fourth Grade hat die ganze Zeit gefilmt.

Ich finde, der Film hat einen ganz eigenen Look. Super 16, 4:3. Unser Kameramann, Chris Blauvelt, hat schon mit Harris Savides gearbeitet. Ich liebe ihn und vertraue ihm. Er ist einer meiner engsten Mitarbeiter. Ich wollte, dass der Film so aussieht, als wäre er ein Relikt von 1995.

Browne: Und das hat funktioniert, aber ohne irgendwelche Instagram-Filter.

Hill: Das wollte ich gerade sagen! Wir hatten überlegt, das 16mm-Material da, wo es möglich war, mit dem Hi8-Material, dem Fischauge, zu mischen. Aber es hat nicht funktioniert. Wir haben verschiedene Kameras getestet, Alexa unter anderem, und letztlich eine Lösung gefunden, aber die dann doch fallen gelassen. Entschuldige dieses Generde, aber das ist es, worüber ich gerne spreche. Ich habe noch mit niemandem in meinem Alter über den Film geredet und empfinde unser Gespräch deshalb als sehr wohltuend (lacht).

Browne: Auch wenn ich zugeben muss, dass es mich etwas überfordert hat, freut mich das sehr. Und ich will nicht lügen. Ich schreibe gerade an meinem ersten Spielfilm. Und die Tatsache, dass es sich bei MID90s um dein allererstes Drehbuch handelt, hat mich total angespornt. Nachdem ich den Film gesehen hatte, bin ich nach Hause gegangen und habe weitergeschrieben.

Hill: Mann, das ist wirklich das Netteste, was ich je gehört habe.

Browne: Dein Film hat mir einen richtigen Energieschub verpasst.

Hill: Du bist so ein guter Autor.

Browne: Danke. Was für ein schöner Nachmittag das heute geworden ist.

Hill: Soll ich dir sagen, was bei mir die Flamme entfacht hat?

Browne: Was?

Hill: Ich habe mir mit Bennet Miller WHIPLASH (2014) angeschaut, im Angelika war das, glaube ich. Nach Verlassen des Kinos unterhalten wir uns über Damien Chazelle und Bennett sagt: „Er ist jünger als du.“ Ich kann das nicht verneinen. Darauf Bennett: „Er bringt es. Du solltest dich besser an die Arbeit machen.“

Browne: Das ist generell einer der besten Wege, um mich zu motivieren. Man muss mich bloß an jemanden erinnern der Jahrgang 1991 ist und total mitreißend.

Hill: Ich bin nach Hause gegangen und habe sofort angefangen zu schreiben. Auch das Arbeitstempo hat sich erhöht. Dass mein Film dich dahin gehend beeinflusst hat, selbst einen Film drehen zu wollen, ist wirklich das Beste überhaupt.

Browne: Es hat mich angespornt. Allein schon die Idee von Geschichten, die eine ganze Generation betreffen. Wenn du das Gefühl hast, in einer einmaligen Position zu sein, um diese Geschichten zu erzählen, die du besser verstehst als andere, und wenn du eine Plattform hast, dann solltest du dich auf keinen Fall abhalten lassen.

Hill: Ich schätze A24 deswegen so sehr, weil sie Filme einer bestimmten Größenordnung realisieren können, die nuanciert, emotional und elegant daherkommen, ohne bestimmten Schemata folgen zu müssen, um Geld einzuspielen. Und ich bin sehr dankbar dafür, weil dieser Film in den falschen Händen schlimm geworden wäre. Ich hoffe wirklich, dass du deinen Film bald realisieren kannst.

Browne: Ja, das hoffe ich auch. Was ich fragen wollte …

Hill: Oh, kann ich noch was sagen? Nur weil ich glaube, es wird dir gefallen.

Browne: Was denn sonst?

Hill: Einer der wichtigsten Aspekte des Films für mich, ist der Versuch, Hip Hop als relevante Kunstform während unserer Jugend darzustellen. Was die Beatles für unsere Eltern waren, sind Tribe und Mobb Deep für mich. Das ist der Hintergrund, vor dem ich aufgewachsen bin. Und ich habe es häufig so empfunden, dass Hip Hop in Filmen missbraucht wird. Ich wollte deutlich machen, was für eine Bedeutung die Goldene Ära des Hip Hop auch in emotionaler Hinsicht für mich hatte. Und nicht nur für mich, sondern auch für viele Gleichaltrige.

Browne: Absolut.

Hill: Und dann Trent und Atticus für die Vertonung zu haben und das als Rahmen für meine Geschichte. Das bedeutet mir etwas.

Browne: Wie war es, mit Trent und Atticus zu arbeiten?

Hill: Oh, das ist lustig. Wir haben uns noch nie getroffen. Zwar sprechen wir jeden Tag, aber begegnet sind wir uns noch nie. Das ist wirklich zu komisch.

Browne: Das ist großartig.

Hill: Wir haben ernsthafte Gespräche. Super intensiv, super fantastisch, sie sind unglaublich. Ich habe wirklich das große Los gezogen. Die zwei wären immer meine erste Wahl gewesen. Außerdem fügt es dem Film eine weitere Ebene hinzu, weil Trent eine Ikone der Neunziger ist.

Browne: Ja.

Hill: Aber ich schlachte das nicht aus. Es ist meiner Meinung nach der ideale Soundtrack für den Film. Trent und Atticus sind einfach großartig. Sie sind so umgänglich, dabei so brillant und sie wollen kooperieren, um das Beste für den Film zu erreichen. Es ist kein Ego im Spiel.

Browne: Ich wollte gerade sagen, es ist nicht so „jetzt kommen wir, geht aus dem Weg“.

Hill: Nein. Der Soundtrack von THE SOCIAL NETWORK (2010) ist so eisig und trostlos, aber das war die Idee, weil es so passt für die Figur. Und ich hatte mich bereits gefragt, wie Trent und Atticus diese warmen schwierigen Gefühle der Nostalgie hörbar machen würden. Sie mochten das. Ich stellte mir vor, dass ihre Version von Wärme bestimmt total faszinierend klingen würde. Um ehrlich zu sein, ich bin immer noch am Staunen.

Browne: Selbst bei jemandem, der so fähig ist wie du, kann man kaum glauben, dass all das wahr geworden ist.

Hill: Ich bin sehr dankbar. Du kommst dir vor wie ein Irrer, wenn du sie fragst. Dann sagen sie zu. Und dann denkst du, es ist vielleicht doch keine so blöde Idee! Ich glaube, sie bekommen nicht so viel bezahlt, es ist schließlich nicht SUPERMAN oder STAR WARS. All das gibt dir Energie, um weiter zu machen. Und du bist total motiviert, weil du sie beeindrucken und auf keinen Fall enttäuschen willst.

Browne: Natürlich.

Hill: Es ist ja so, als würden sie mich mit unter Vertrag nehmen. Und ich habe gelernt, dass die Belohnung in meinem Leben aus Bildung besteht. Wenn ich mit Leuten arbeite, die mehr Erfahrung haben, dann ziehen sie mich mit. Es gibt keinen stärkeren Antrieb als das. Wenn du nicht lernst, trudelst du zurück nach unten …

Ich habe die Sache so betrachtet: Erst wenn die Laster am Start sind, ist es real. „OK, wir haben ein Büro. Die Crew ist komplett anwesend. Bevor ich nicht die LKWs gesehen habe, ist es nicht echt. Es kann einfach wieder verschwinden.“

Browne: Ja.

Hill: Weiter habe ich nie gedacht. Ich hatte mir vorgestellt, den Film zu drehen wie eine Fantasie. Mir ist zum Beispiel nicht klar gewesen, wie lebensverändernd die Erfahrung des Schnitts sein würde. Und dann komme ich hierher, und sie zeigen mir das Plakat und den Trailer, und der Film wird rauskommen. Wir gehen nach Toronto, um den Film zu präsentieren. Es erscheint surreal in einem Maße, dass mir die Worte fehlen. Aber du erinnerst dich an die Nächte, wo du alleine in deiner Wohnung warst und dachtest, dass sich kein Mensch interessieren und niemand das Drehbuch lesen wird. Es ist die eine Sache in meinem professionellen Leben, auf die ich als alter Mann zurückblicken und mir dabei sicher sein werde, dass ich etwas gerissen habe. Am Anfang war es nur ein leeres Blatt Papier, jetzt gibt es ein Poster. Wenn du glaubst, es kümmert keinen oder es wird noch zwei Jahre dauern, bevor es was taugt, dann kannst du dich da durchbeißen.

Browne: Du fängst an, dich zu fragen: „Ist das wirklich die beste Art, meine Zeit zu verbringen?“.

Hill: Ja, aber das ist sie. Es sind vier Jahre meines Lebens. Das ist College. Ich habe das College abgebrochen, aber die vier Jahre endeten heute. Und es ist ein emotionaler Moment. Dein Leben ist so anders als zu Beginn. Es ist wie ein Benchmark. Du kannst kaum glauben, was in den vier Jahren alles passiert ist. Und ich war noch nie so stolz auf irgendwas. Also geh nach Hause und schreib deinen Film.

Browne: Das werde ich. Hast du je überlegt, dir selber einen Cameo-Auftritt zu gönnen?

Hill: Nein. Es sollte im Film keine Spur von mir geben. Meine Schauspielkarriere ist großartig, aber ich wollte die beiden Dinge klar trennen. Und es lag mir am Herzen, dass der Betrachter sich etwas aus den Kindern macht.

Browne: Letzte Frage, weil ich mich wirklich totgelacht habe deswegen. Es gab auf dem Papier so viele Leute die Jerrod Carmichaels Rolle hätten spielen können. Aber nachdem ich den Film gesehen hatte, war ich mir sicher, dass nur er dafür in Frage kam. Das war so eine überraschende, unglaubliche Szene. Ich finde ihn extrem witzig. Die Dynamik von fünf gegen einen ist einfach immer lustig. Fünf kleine Scheißer nehmen ihn sich vor.

Hill: Weißt du, was witzig ist? Die Rolle hatte ich ursprünglich für Prince Paul oder Biz Markie geschrieben. Ich wollte einen von ihnen oder jemand anderen aus dem Hip Hop-Kosmos, den ich verehrt habe, als ich aufwuchs. Aber andererseits wollte ich das nicht zu oft machen, auch wegen Del. Während der Proben habe ich die Rolle übernommen. Und wir hatten diese Theorie, die wir beweisen wollten, dass man Komödie wie einen Kunstfilm drehen kann. So wie ‘Lacher-pro-Sekunde’-Komödie auf eine wirklich kunstvolle Weise.

Und ich dachte daran, dass Blauvelt auch bei den Filmen von Kelly Reichardt für die Kamera verantwortlich ist. Also brauchten wir einen Komödianten. Das ist die lustigste Szene im ganzen Film, es schreit nach einem Killer. Aber wir waren uns darüber im Klaren, dass es niemand zu Berühmtes sein durfte, weil das mit der Ethik des Films nicht vereinbar wäre. Aber vor allem, weil es dich aus dem Film rausschleudern würde, solltest du die Person erkennen.

Browne: In kurzen Worten: Du kannst nicht Chappelle nehmen.

Hill: Du willst eigentlich Chappelle, aber du kannst ihn nicht nehmen. Also haben wir überlegt, wer sonst noch in Frage kommt. Jemand, den wir lieben und der durch die Decke geht, aber noch nicht zu bekannt ist. Dann kamen Eli und ich auf Jerrod. Aber dann hatten wir Bedenken, dass die Zuschauer ihn erkennen würden. Trotzdem wäre jemand auf seinem Niveau mit solchen Pointen ideal. Wir brauchten einen echten Attentäter.

Browne: Das ist er wirklich.

Hill: Schließlich haben wir ihn durch ein Gitter gefilmt. Dadurch war es weniger offensichtlich. Man hatte größere Schwierigkeiten, ihn zu identifizieren und ich habe keine Großaufnahme benutzt. Er war für etwa 45 Minuten am Set und hat uns einen Riesengefallen getan. Die Outtakes sind wirklich amüsant.

Browne: Wo kam die Idee dazu her?

Hill: Mir war aufgefallen, dass afroamerikanische Sicherheitsleute und Polizisten voreingenommen sind gegenüber farbigen Skatern. Das war eine interessante Beobachtung, weil sie mir gegenüber gleichzeitig total nett waren.

Browne: „Warum versuchst du, wie ein weißer Junge rüberzukommen?“

Hill: In jedem Film gibt es einen hellhäutigen Polizisten, der sich unfreundlich und rassistisch aufführt. Was meiner Meinung nach durchaus realistisch ist. Aber mir war wie gesagt nicht entgangen, dass die afroamerikanischen Sicherheitsleute nie müde werden, ihre Meinung kundzutun: „Warum skatest du? Schwarze skaten nicht.“ Sie waren echt hart zu meinen Freunden. Deshalb sollte die Szene unterschwellig einen unangenehmen Unterton transportieren.

In einem Moment brülle ich Anweisungen rum und Jerrod haut raus: „Jesus raucht Kippen, die Bibel ist pro Zigarette“ und ich sage Na-Kel er soll fragen, was für eine Sorte. Darauf Jerrod: „Jesus raucht Kools.“ Und das war‘s. Ich habe alle nach Hause geschickt. Und was so großartig ist: Der Ton, den der Film anschlägt. Das möchte ich gerne fortführen. Zuerst passiert etwas wirklich Lustiges und im nächsten Moment wird es eklig und gewalttätig, dicht gefolgt von einer total emotionalen Szene. Einige Filmemacher haben mich davor gewarnt. Aber ich musste begeistert feststellen, dass die Zuschauer bei so einer Achterbahnfahrt der Gefühle voll mitgehen. Mein Eindruck ist, solange du das Publikum am Haken hast und sie spüren, dass es von Herzen kommt, dann bleiben sie bereitwillig bis zum Ende der Reise dabei.

Quelle: mfa+

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