Kommentar von Regisseurin Ziska Riemann ELECTRIC GIRL (2019)


Als Wahn bezeichnen wir eine vom Konsens abweichende Sichtweise der Realität. Im Spiel verleiht die Verwandlung in Avatare, Superhelden, mystische Gottheiten Superkräfte und lässt uns zeitweilig Gefühle von Ohnmacht und Minderwertigkeit vergessen. In der Manie wird diese Transformation Realität.

Auf dem Foto Ziska Riemann

Eine meiner Freundinnen verwandelt sich manchmal in eine Kosmonautin, trägt silberne Moonboots und sperrt die Straße mit Blumenkübeln ab. Als ein Freund von mir erkannte, eine Reinkarnation von Napoleon zu sein, stand er auf einem Müllcontainer, eine Hand in der Jacke und deklamierte auf Französisch. Sie fühlen sich dabei fantastisch. Großartig. Genial. Nicht umsonst nennt man die Manie auch „die schönste Krankheit der Welt.“

Wenn meine Freundin wieder einmal aufgehört hat, ihre Medikamente zu nehmen, tickt die Uhr. Dann ist es nur eine Frage von Tagen bis sie ihre große Tasche voller symbolträchtiger Gegenstände packen und mit ihrem Fahrrad durch den Tiergartentunnel fahren wird. In der Dokumentation ‚The Secret Life of the Manic Depressive‘ fragt Stephen Fry seine Protagonisten: „Wenn jetzt hier vor dir ein Gerät stünde mit einem Knopf, um die Krankheit ein für alle Mal los zu werden, würdest du drauf drücken?“ Kopfschütteln. Niemals!

Die Krankheit ist einfach zu geil. Das Leben im manischen Rausch zu schillernd, zu bunt, zu inspirierend. Wenn der manische Rausch nicht immer wieder in stationärem Aufenthalt, mit oft schwer depressiver Phase oder im Selbstmord endete, wäre diese Narrenfreiheit durchaus beneidenswert. Wer würde nicht gerne mal alles abstreifen und richtig durchdrehen? Electric Girl ist so ein manischer Rausch: Die Verwandlung einer jungen Frau in eine Superheldin, deren übernatürliche Kräfte vollkommen ausser Kontrolle geraten.

Ziska Riemann

Ziska Riemann wurde 1973 in München geboren. Sie ist Comiczeichnerin, Drehbuchautorin und Regisseurin. Seit 1991 Veröffentlichung diverser Comicalben, davon vier in Zusammenarbeit mit Gerhard Seyfried. 2004 gründete sie das Plattenlabel MerMer und brachte neben anderen Künstlern ihr Soloalbum ‚Wo hier bitte geht’s nach Shambhala?‘ heraus. 1999 erhielt sie das Stipendium der Drehbuchwerkstatt München und 2001 den Tankred-Dorst-Drehbuchpreis für das Drehbuch zu ‚Die Hunde sind schuld‘. Sie schrieb und inszenierte bisher drei Kinofilme LOLLIPOP MONSTER, ELECTRIC GIRL und GET LUCKY sowie mehrere Kurzfilme.

Film + Drehbuch (Auswahl)
Geordnet nach Produktionsjahr

2018 „Get Lucky“ – Spielfilm, 90 Min.
Regie: Ziska Riemann, Drehbuch: Ziska Riemann, O’Neil Sharma, Madeleine Fricke
Deutschfilm und Rommelfilms / ZDF – Das kleine Fernsehspiel / DCM

2017 „Electric Girl“ – Spielfilm
Regie: Ziska Riemann, Drehbuch: Ziska Riemann, Luci van Org, Dagmar Gabler, Angela Christlieb
Niko Film / farbfilm verleih / WDR

2017 „Conny Plank – The Potential of Noise“ – Dokumentarfilm, 92. Min.
Drehbuch: Ziska Riemann, Stephan Plank und Reto Caduff
Sugartown Filmproduktion / WDR / Salzgeber Medien

2011 „Lollipop Monster“ – Spielfilm, 90 Min.
Regie: Ziska Riemann, Drehbuch: Luci van Org und Ziska Riemann, gefördert durch FFA
Produktion: Network Movie / Das Kleine Fernsehspiel / ZDF / Salzgeber Medien

2001 „Die Hunde sind schuld“ – Komödie, 90 Min.
Drehbuch: Ziska Riemann, Regie: Andreas Prochaska
d.i.e.film.gmbh / BR

Musik (Auswahl)

2005 „Bleib Gold, Mädchen“
Konzeption, Veröffentlichung und Beitrag der Compilation MerMer Records

2005 „Wo hier bitte geht’s nach Shambhala?“ – Album CD
12 Songs, MerMer Records / Cargo

Comic & Graphic Novels (Auswahl)

2011 „Eyes“ – Minicomic
20 Seiten / Goetheinstitut und British Council Moskau

2010 „Kraft durch Freunde“ – Comicalbum
64 Seiten, Seyfried & Ziska / Verlag Hafmanns & Tolkemitt bei Zweitausendeins

2007 „Die Comics- Alle!“ – Sammelband
700 Seiten, Seyfried & Ziska / Verlag Zweitausendeins

1999 „Starship Eden“ – Comic
64 Seiten, zusammen mit Gerhard Seyfried / Carlsen Verlag

1997 „Rascal+Lucille“ – Comic,
48 Seiten / Rotbuch Verlag

1993 „Space Bastards“ – Comic,
64 Seiten, zusammen mit Gerhard Seyfried / Rotbuch Verlag

1991 „Future Subjunkies“ – Comic,
64 Seiten, zusammen mit Gerhard Seyfried / Rotbuch Verlag