‹ Access for all: São Paulos soziale Infrastrukturen› S AM Schweizerisches Architekturmuseum, Basel vom 20. März bis 15. August 2021


Das S AM Schweizerisches Architekturmuseum zeigt vom 20. März bis 15. August 2021 die Ausstellung ‹Access for All: São Paulos soziale Infrastrukturen›. ‹Access for All› ermöglicht einen vertiefenden Blick auf Gebäude, Freiräume und Infrastrukturbauten unterschiedlicher Größe und zeigt, wie diese inklusive Orte für die Stadtgesellschaft São Paulos schaffen. Nach Stationen in São Paulo und New York wird die Ausstellung des Architekturmuseums der TU München neu in Basel gezeigt. Das S AM erweitert die ursprüngliche Ausstellung in Kooperation mit der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, Institut Architektur (Lehrstuhl Prof. Shadi Rahbaran und Prof. Ursula Hürzeler) für die Ausstellung in Basel um großmaßstäbliche Modelle der ausgewählten Bauten und einen Ausstellungsteil mit studentischen Analysen, in denen die Grundprinzipien der Paulista-Architektur auf Standorte in Basel und Umgebung übertragen werden. Die Ausstellung wird außerdem von der Publikation ‹Access for All: São Paulo’s Architectural Infrastructures› (ISBN 978-3038601630, 224 Seiten, Hrg. Andres Lepik, Daniel Talesnik, Park Books 2019, Englisch) begleitet.

São Paulo tätigt seit Jahrzehnten erhebliche Investitionen in neue architektonische Infrastrukturen, um die räumliche Enge der Megacity zu kompensieren und dem wachsenden Bedarf nach öffentlichen Räumen für Kultur, Erholung und Sport gerecht zu werden.

Die Ausstellung ‹Access for All› präsentiert Architektur und gebaute Freiräume aus den Jahren 1950 bis heute, jener Zeitspanne, in der sich die moderne Architektur Brasiliens etablierte und konsolidierte. Sie bietet sowohl einen historischen Überblick als auch eine Analyse zeitgenössischer Architektur, wobei alle Projekte in ihrem gegenwärtigen Zustand untersucht werden und der Fokus stets auf auf Programm und Nutzung, statt auf formalen Aspekten liegt. Ein Schwerpunkt der Ausstellung ist die Verflechtung von Architektur und Stadt: Wie z.B. Trottoirs fließend in Rampen und Treppen übergehen und wie sie, an anderen Stellen, als erhöhte Plätze oder Dachterrassen wieder im Stadtbild auftauchen. Es wird gezeigt, wie die Stadt durch Architekt*innen aus dem Maßstab der Einzelgebäude heraus gestaltet wird, und wie sich die akkumulierte gebaute Logik einer Stadt wiederum auf ihre Bauten und Freiräume auswirkt. Im Gegensatz zu den monofunktionalen, ikonischen Bauprojekten, die immer noch das Ideal vieler Stadtverwaltungen sind, plädiert ‹Access for All› für eine Architektur, die vielfältige kulturelle, soziale und Erholungsfunktionen erfüllt und dem Wohl der Stadtgesellschaft nachhaltig dient.

Ausstellungsplakat

Was sieht man in der Ausstellung genau? Im Hauptteil der Schau werden 12 exemplarische Bauten, Freiräume und Infrastrukturbauten aus São Paulo vorgestellt, zusammengefasst in «Open Spaces» («Freiräume»), «Large, Multiprogrammatic Buildings» («Große, multiprogrammatische Bauten») und «Avenida Paulista». Die Projekte und ihre alltägliche Nutzung werden mittels Texten, Fotografien, Filmbeiträgen, Zeichnungen, archivarischen Faksimiles und neuen Modellen im Maßstab 1:100, die von Studierenden der FHNW angefertigt werden, greifbar gemacht. Die Projekte reichen von Klassikern der brasilianischen Moderne wie Oscar Niemeyers ‹Markise des Ibirapuera-Parks› (1954) oder Lina Bo Bardis ‹Kunstmuseum São Paulo› (1968) bis hin zu kürzlich fertiggestellten Projekten wie das Kulturzentrum ‹SESC 24 de Maio› (2017) von Paulo Mendes da Rocha und MMBB Arquitetos. Auch jenseits der klassischen Architektur werden anonyme Bestandteile der Stadtinfrastruktur unter die Lupe genommen: zum Beispiel die Stadtautobahn ‹Minhocão›, die nachts und an Wochenenden für den Autoverkehr gesperrt wird und mittlerweile zu einem der beliebtesten und inklusivsten Erholungsräume der Stadt geworden ist.

Im vorletzten Teil liegt der Schwerpunkt auf den Stimmungen, die diese Architekturen produzieren. Wie fühlt es sich an, in diesen Räumen zu verweilen? Was hört man, was sieht man? Hier können die Besucher*innen anhand von Guckkasten-Modellen, die von Studierenden der FHNW entwickelt wurden und welche alltägliche Szenen aus ausgewählten Projekten nachstellen, dies selbst entdecken. Die Modelle werden von großformatigen Fotografien des Architekten und Künstlers Ciro Miguel sowie filmische Porträts ausgewählter Projekte ergänzt, um die tagtägliche Aneignung dieser Räume durch die Bevölkerung zu veranschaulichen.

Zum Abschluss geht es von São Paulo zurück nach Basel: Im letzten Teil der Ausstellung werden Visionen und Projekte von Studierenden des Instituts Architektur FHNW gezeigt, die unter dem Motto ‹Access for All – Learning from São Paulo› im Herbstsemester 2020 für fünf Standorte entlang des Rheins in Basel entwickelt wurden. Die Aufgabe bestand darin, Prinzipien aus den Projekten in der Ausstellung für den lokalen Kontext neu zu interpretieren, um den öffentlichen Charakter dieser Orte zu erhöhen. Dadurch endet die Ausstellung mit einer Einladung zu einer fortwährenden Diskussion darüber, welche Lektionen die Architekturen und Freiräume São Paulos auch für andere Städte auf der Welt haben könnten.

Eingang über die Rampe – eine Kulturbotschaft

Ein zentraler Teil der Adaption der Schau für Basel ist die Errichtung einer Rampe an der Fassade des Museums, die während der Laufzeit der Ausstellung als temporärer Eingang für das S AM dient. Die Wahl einer Rampe ist nicht zufällig: in vielen Bauten in São Paulo werden Rampen eingesetzt, um architektonische Innenräume mit der Stadt zu verbinden und Räume zu schaffen, an denen sich Menschen begegnen.

Die Rampe am S AM erfüllt eine ähnliche Funktion. Sie erweitert faktisch und symbolisch den öffentlichen Raum der Straße in das Gebäude hinein. Gleichzeitig wird mit der Schaffung eines neuen direkten Eingangs in der Fassade das Museum der Stadt gegenüber geöffnet. Somit wird das Prinzip des ‹Zugangs für Alle› performativ umgesetzt und erlebbar gemacht. Die Rampe entstand aus einem Ideenworkshop am Institut Architektur FHNW und wurde auch vom Institut finanziert.

Pay what you wish – kulturelle Teilhabe

‹Access for All› soll den Zugang für alle tatsächlich ermöglichen. Deshalb wird das S AM für die Dauer der Ausstellung auf das Verkaufen von obligatorischen Eintrittsbillets verzichten. Die Höhe des Eintritts ist frei wählbar und setzt die Schwelle zum Besuch der Ausstellung deutlich herab. Statt des üblichen Aufsichtspersonals wird es während ‹Access for All› ein Begrüßungsteam geben, welches alle Besuchenden, Neugierigen und zufällig Erscheinenden am Kopf der Rampe empfängt und in die Ausstellung geleitet. Auch dieses Angebot lässt das sonst hinter dicken Mauern gelegene Innere des Museums mit dem öffentlichen Raum verschmelzen.

Breites Begleitprogramm mit Angeboten für Alle

Zur Vertiefung der Thematik bietet das S AM Schweizerisches Architekturmuseum diverse Veranstaltungen für ein breites Publikum an. Die Ausstellung ‹Access for All› stellt insbesondere eine Chance zur Auseinandersetzung mit stadtplanerisch aktuellen Themen sowie mit gesellschaftlichen Fragen des städtischen Lebens dar. Das ist der Schwerpunkt des umfangreichen Führungsprogramms zur Schau, das neben öffentliche Führungen durch die Ausstellung in deutscher, englischer und portugiesischer Sprache auch thematische Rundgänge im Stadtraum rund um das Museum umfasst. In einem besonderen Führungsformat macht die brasilianisch [1] schweizerische Architektin Andrea Landell de Moura Staehlin eine Annotation der Führung, in der sie neue Perspektiven auf die Ausstellungsinhalte aus der Sicht einer Nutzerin und praktizierenden Architektin öffnet. Im internationalen Symposium ‹The Space We Share› in Zusammenarbeit mit der Future Architecture Platform FAP (19.6.21, 14-18 Uhr, in der Stiftung Brasilea), das sich an Fachkreise und Studierende wendet, präsentieren junge Kreativen aus ganz Europa neue Visionen und Sichtweisen auf das Thema öffentlicher Raum. Und in einer Weiterführung des Forums Städtebau ‹Basel 2050› über städtebauliche Zukunftsvisionen für Basel (eine Koproduktion mit Städtebau und Architektur des Bau- und Verkehrsdepartements Basel-Stadt) geht es am 28.5.21 ganz im Zeichen von ‹Access for All› um Freiräume in der Stadt. Auch für Kinder und Familien ist etwas dabei: In den Basler Sommerferien wird ein Programm für Kinder (6-11 Jahre) unter dem Motto ‹Basel für alle! – Stadt entdecken, erleben, gestalten› angeboten. Für ein detailliertes Programm mit Daten, siehe unten.

Begleitpublikation

‹Access for All: São Paulo’s Architectural Infrastructures› Zur Ausstellung ist 2019 die Publikation ‹Access for All: São Paulo’s Architectural Infrastructures›, herausgegeben von Andres Lepik und Daniel Talesnik, bei Park Books erschienen (ISBN 978-3-03860-163-0, CHF 39, in Englisch), die im Museumsshop des S AM erhältlich sein wird. Mit Beiträgen von Renato Anelli, José Tavares Correia de Lira, Fraya Frehse, Vanessa Grossman, Andres Lepik, Ana Luiza Nobre, Daniel Talesnik, und Guilherme Wisnik sowie einem Gespräch mit Paulo Mendes da Rocha und Marta Moreira geführt von Enrique Walker. Die Fotografien sind von Ciro Miguel.

Projektverantwortliche: Das S AM übernimmt die Ausstellung ‹Access for All› vom Architekturmuseum der TU München und erweitert sie in Kooperation mit der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW für die Ausstellung in Basel. Ausstellung: Andres Lepik ist seit 2012 Professor für Architekturgeschichte und kuratorische Praxis sowie Direktor des Architekturmuseum der TUM. Davor arbeitete er als Kurator an der Neuen Nationalgalerie in Berlin und im Architecture and Design Department am MoMA. Daniel Talesnik ist Architekt und promovierte an der Columbia University über die Emigration von Bauhaus-Studenten in die Sowjetunion. Seit 2017 ist er Kurator am A.M. Architekturmuseum der TU München. Adaption S AM: Andreas Ruby (*1966, Dresden) ist Architekturpublizist, Kurator und Buchverleger und seit Mai 2016 Direktor des S AM Schweizerisches Architekturmuseum. Er studierte Kunstgeschichte an der Universität Köln. 2008 gründete er zusammen mit Ilka Ruby den Architekturverlag Ruby Press, mit dem er über zwanzig teils preisgekrönte Buchprojekte als Herausgeber und Verleger realisierte. Parallel dazu lehrte er Architekturtheorie an der Cornell University in Ithaca, New York, der TU Graz und der ENSAPM in Paris. Yuma Shinohara (*1991, San Francisco) arbeitet als Kurator und Redaktor in den Bereichen Architektur und Urbanismus. Nach Stationen bei Storefront for Art and Architecture, Ruby Press, der Akademie der Künste Berlin und dem Canadian Centre for Architecture ist er derzeit Assistant Curator am S AM Schweizerisches Architekturmuseum. Als Übersetzer hat er unter anderem Bruno Taut ins Englische übertragen und war für Zeitschriften wie ‹ARCH+› und ‹A+U› tätig. Er absolvierte ein Studium in vergleichender Literatur- und Kulturwissenschaft an der Columbia University in New York. Szenografie: Rahbaran Hürzeler Architekten ist ein Architekturbüro gegründet von Shadi Rahbaran und Ursula Hürzeler in Basel. Die Erfahrung des Büros reicht von städtebaulichen Projekten und Forschung, über private und öffentliche Bauaufgaben bis hin zum Ausstellungs- und Objektdesign. Rahbaran Hürzeler Architekten ist in Frankreich und Deutschland lizenziert und bearbeitet zurzeit Projekte in der Schweiz, Deutschland und Frankreich.

Kooperationspartner: Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, Institut Architektur, Prof. Shadi Rahbaran und Prof. Ursula Hürzeler Stiftung Brasilea Die Stiftung Brasilea ist Projektpartnerin des S AM im Rahmen der Ausstellung «Access for All». Die Stiftung verfolgt damit ihr Ziel, den Kulturaustausch zwischen Brasilien und der Schweiz zu fördern. Die Stiftung unterstützt das S AM mit Know-How-Transfer im Bereich der brasilianischen Kultur, wirkt beratend bei der Konzeption einzelner Begleitveranstaltungen mit und tritt als Mitveranstalterin einzelner Begleitveranstaltungen auf.

S AM Schweizerisches Architekturmuseum (sam-basel.org)

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