Director’s Note Kim Strobl MADISON - UNGEBREMSTE GIRLPOWER (2019)


Ich sehe Sport – besonders in der Natur – als tolle Möglichkeit für Kinder ihre soziale Kompetenz zu entwickeln: Gemeinschaftssinn erfahren, Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen, Gefahren einschätzen, Lösungen finden, Schwächere unterstützen und sich selbst neu herausfordern.

Leider entwickelt sich unsere Gesellschaft immer mehr zu einem Wettkampf, wo es nicht reicht, dass man am Wochenende Spaß hat, sondern man auch eine neue Bestzeit geschafft haben sollte. Das führt häufig dazu, dass das positive Gemeinschaftsgefühl beim Sport gegen Konkurrenzgedanken ausgetauscht wird. Außerdem ist es leider immer noch nicht in jeder Sportart selbstverständlich, dass Mädchen genauso akzeptiert werden wie Jungs.

Ich bin in Tirol mit Snowboarden aufgewachsen, wo ich anfänglich das einzige Mädchen in einer Jungs-Gruppe war. Ich habe mich immer gefragt: warum wollen die anderen Mädchen nicht mitkommen? Trauen sie es sich vielleicht nicht zu, weil sie keine Frauen als Vorbilder in dem Sport haben? Als Tochter einer Gleichbehandlungsbeauftragten war für mich von klein auf klar: ich kann genauso gut alles tun, was die Jungs machen. Darum ist es mir wichtig eine Welt in meinen Filmen zu zeigen, in der es selbstverständlich ist, dass Mädchen mit Buben mithalten können – egal ob auf Rennrädern oder Mountainbikes. Ich finde als Filmemacher haben wir eine Verantwortung, Gleichstellung und moderne Frauenbilder zu zeigen, bis es Normalität wird. Wie Geena Davis es treffend ausdrückt: „If she can see it, she can be it.“

Szenen aus dem Film MADISON  

Mit Madison und Vicky haben wir zwei starke Mädchenfiguren, die sich gegenseitig unterstützen und ergänzen. Madison ist ambitioniert, liebt es Pläne zu schmieden um ein Ziel zu erreichen, ist aber dabei meistens alleine – Vicky genießt fröhliche Momente mit Freunden, ist spontan und oft ohne Plan. Madison verbringt die meiste Zeit auf ihrem Rad in der Halle oder auf der Straße und hält sich strikt an Anweisungen des Trainers – Vicky treibt sich in den Bergen herum und lernt dort Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Madison richtet ihr Aussehen zweckbedingt nach dem Radsport und macht sich anfänglich nichts aus Jungs – Vicky hat schon weiblichere Züge und schwärmt von einem Downhiller. Aber am Ende erkennen beide Mädchen, dass ihre Freundschaft wichtiger ist als der coole Junge auf dem Rad.

Warum möchte ich die Geschichte von Madison erzählen?

Von klein auf wird man gefragt, was man werden möchte, wenn man einmal erwachsen ist. Und wenn man – so wie Madison – extrem zielstrebig, fast schon stur ist, dann verfolgt man oft jahrelang sein Ziel, ohne inne zu halten und sich zu fragen: will ich das überhaupt noch? Oder verschließe ich mich aus Angst vor etwas Neuem?

In der Pubertät lösen sich Jugendliche oft von alleine von ihren Eltern, wenn man aber an ein sehr starkes Idealbild als Elternteil gebunden ist (wie Madison an ihren Vater Timo), braucht es oft einen kleinen Anstoß von außen, um diesen Gedankenprozess und die Selbstfindung in Gang zu setzen. Dabei ist mir wichtig, dass Madisons Veränderung aus ihrem Drang nach Freundschaft und Selbstverwirklichung kommt, und nicht eine Handlung gegen ihren Vater ist. Timo ist eigentlich überaus inspirierend und ermutigend, aber er überträgt sein Konkurrenzdenken viel zu früh auf seine Tochter und übersieht ihre emotionale Veränderung.

Viele Kinder kämpfen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in ihrem Leben mit dieser inneren Verwirrung: ich hoffe der Film spricht zu ihnen und ermutigt sie, ihren eigenen Weg zu finden.

Der Ton des Films ist aber keineswegs der eines Sozialdramas, sondern ein leichter, positiver, lebensbejahender Film. Die Kinder zeigen uns authentische, bewegende Emotionen, aber auch wie sie durch Freundschaft unglaubliche Glücksmomente und Freiheitsgefühle erfahren. Immer wenn ich in die Berge gehe, bin ich überwältigt von der Kraft, die mir die Natur gibt. Diese Energie möchte ich einfangen und den jungen Zuschauern vermitteln. Mit den Mountainbike-Sequenzen und den Tierbegegnungen wird der Film zu einem tollen Abenteuer, das man am liebsten in den nächsten Sommerferien selbst erleben möchte.

Szenenbilder  

Der visuelle Stil des Films ist eine Mischung aus temporeicher Sport-Action und ruhigen, emotionalen Szenen. Die aufregenden Erlebnisse der Kinder werden von einer Kamera eingefangen, die Teil der Geschichte wird, nicht außenstehender Beobachter ist. Sie ist nahe an den Figuren und fängt viel von deren Körpersprache ein, und in den Rad-Sequenzen jagt sie gemeinsam mit den Fahrerinnen durch den Wald oder die Straße entlang.

Zwischendurch gibt es aber auch überwältigende Panoramen in den Bergen, die uns zeigen, wie klein wir Menschen doch im Vergleich zur Natur sind. Die saftigen Farben der Landschaft und die bunte Kleidung der Mountainbike Szene ergänzen sich in einer farbenfrohen Welt.

Dies steht im harten Kontrast zu den Anfangsszenen in Madisons Alltag: entweder ist Madison auf einer Radrennbahn, wo ihr Scheuklappenblick nur auf ihr Vorderrad oder die einzuholende Gegnerin gerichtet ist, oder sie fährt im Peloton des Trainingscamps zwischen Betonbauten auf vielbefahrenen Straßen.

Die Klanglandschaft ist mir in diesem Film besonders wichtig. Dröhnender Stadtlärm trifft auf Natur- und Tierlaute und zeigt dadurch die Disparität zwischen den zwei Welten, in denen sich Madison bewegt. O-Töne der Räder (wie z.B. das Surren der Speichen, das Klicken der Gänge, der Dreck, der in einer Kurve in die Luft spritzt) werden im Schnitt als Takthalter verwendet und kreieren so den Rhythmus, zu dem sich die Sportler bewegen.

MADISON ist eine spannende Mischung aus ehrlicher Emotion, lebensbejahender Energie und temporeicher Action!

Quelle: farbfilm verleih und DOR FILM WEST

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