Villen und Landhäuser im Vordertaunus (2022) von Johannes Martin Müller Eine Kulturlandschaft im Rhein-Main Gebiet


Schon von der Idee her ist ein schönes Buch entstanden, das sich mit Häusern und Parkanlagen im Vordertaunus des 19. Jahrhunderts aus der Zeit des Historismus beschäftigt. Zahlreiche Pläne und historische Belege zeichnen ein anschauliches Bild der wilhelminischen Zeit nach, die längst der Vergangenheit anzugehören scheint und deren lebendige Wahrzeichen immer wieder von Vorne und ganz von Neuem betrachtet werden müssen, so interessant und bedeutungsvoll sind diese Bauten für das Geschichtsbewusstsein. Doppelseitige Ganzabbildungen und Kartierungen ergänzen das Bild einer Kulturlandschaft, die zwischen Königstein, Kronberg und Bad Homburg eher an steilen Wegen liegt und nur mit dem Auto oder einem anderen Gefährt wirklich einfach zu erreichen ist.

Um 1860 erwarben Baruch und Betty Bonn einen Landsitz in Kronberg, welcher der weit verzweigten Frankfurter Bankiersfamilie von Mai bis Oktober als Sommeraufenthalt diente. Wilhelm Bonn ließ die bestehenden Gebäude zurückbauen und die heutige repräsentative Villa Ende der 1880er Jahre errichten. Die Familie orientierte sich später nach England, so dass Sir Max Bonn das Anwesen 1922 an die Stadt Kronberg verkaufte, die es seitdem als Rathaus nutzt.

Dennoch sind es lauter Orte, die auf ganz eigene Weise Autonomie behalten haben und den Anspruch von etwas Herrschaftlichem vermitteln, weitab vor den Toren der Großstadt Frankfurt, zu der sie letztlich mit dazugezählt werden und sei es nur aus der Sicht des Großstadtgeplagten und zur Erholung aus der Ferne. Es sind die Eckpunkte eines großen Gartens, der zu sich einlädt um an ihnen zu partizipieren. Erschwinglich sind diese Häuser beileibe nicht und liegen vermutlich in fester Besitzerhand, wenn sie nicht gerade der Kommune gehören und zu den öffentlichen Gebäuden zählen. Was diese Häuser an Räumlichkeiten im Inneren beherbergen, kann die standardisierte 4-Zimmer Wohnung in der Stadt nicht leisten, soviel Pomp und großbürgerliches Gehabe, dass niemand daran vorbeikommt ohne zumindest mal ein Auge darauf geworfen zu haben. An den sogenannten “Millionärshügeln” im Vordertaunus bildete sich bereits im 19. Jahrhundert eine ausgeprägte Villen- und Gartenlandschaft heraus, die andernorts ihresgleichen sucht. Sie repräsentiert trotz vielfältiger Veränderungen damit noch immer den Stolz einer Epoche und den wahr gewordenen Bürgertraum vom Adelsschloss.  

„Villen und Landhäuser im Vordertaunus – Eine Kulturlandschaft im Rhein-Main-Gebiet“ ist der Titel der neuen Publikation, die der Hochtaunuskreis gemeinsam mit den Städten Königstein im Taunus und Kronberg im Taunus herausgegeben hat. Autor ist Johannes Martin Müller. Erschienen ist das Buch im Oppenheimer NA-Verlag. Entstanden ist ein 320 Seiten starkes, mit über 100 Abbildungen reich illustriertes Werk, das ein Panorama der einzigartigen Villen- und Gartenlandschaft des Vordertaunus im Zeitalter des Wilhelminismus entfaltet, wissenschaftlich hinterfragt und mit Zeitdokumenten belegt. Das ist mehr als eine Bestandsaufnahme. Es ist auch der Versuch eine neue Freizeitkultur zu legalisieren, die allen zu Gute kommen soll, die mit der Umgebung zu tun haben.

Blick ins Treppenhaus des Kronberger Rathauses

Verlegerin Dr. Annette Nünnerich-Asmus stellte am 03. Februar im Rathaus Kronberg und im Beisein des Autors, des Königsteiner Bürgermeisters Leonhard Helm, des Kronberger Bürgermeisters Christoph König sowie Landrat Ulrich Krebs das Buch der Öffentlichkeit vor „Die zahlreichen großbürgerlichen Villenbauten prägen das Gesicht des Vordertaunus bis heute ganz maßgeblich“, betonte Landrat Ulrich Krebs. „Es ist das Verdienst des Autors, erstmals unsere Region als Villenlandschaft in den Blick zu nehmen und als Ganzes zu analysieren“.

Frankfurt am Main und Umgebung sind keine ausprägte Schlössergegend. Vereinzelt finden sich auch bedeutende Schlossbauten in und um die Ortschaften herum in der Region. Glücklicherweise blieb Frankfurt am Main Jahrhunderte lang die Krönungsstadt für Könige und Kaiser. Im Bad Homburger Schloss residierte Wilhelm II. (1859-1941) mit seiner Gattin Auguste Victoria (1858-1921) während seiner zahlreichen Reisen, wovon das Schloss bis in die Gegenwart hinein Indiz gibt. Bis Mitte des 19. Jahrhundert war Frankfurt politisch betrachtet eine Freie Stadt mit einem ähnlichen Status wie die Hansestädte im Norden. Deshalb hatte Frankfurt nicht die Bedeutung einer Residenzstadt mit den baulichen Merkmalen einer breiten Schlossanlage im Zentrum. Um so wichtiger sind die vielen Villen, die den Stadtraum ausmachen, die im Übrigen schon seit der Römerzeit in der Umgebung existiert haben, die vielen Funde an villae rusticae im Untergrund legen ein Zeugnis von dieser Sitte ab. Nicht nur deshalb kann regelrecht von einer Villenkultur und diesbezüglich auch von einer Kulturlandschaft im Rhein-Main Gebiet gesprochen werden.

Autor: Johannes Martin Müller

Der Autor gibt mit seiner wissenschaftlich-analytisch gedachten Publikation eine Reihe an Erläuterungen vor, wozu anfänglich die Einführung in den Landschaftsraum des Vordertaunus zählt. Er sieht darin Faktoren der Suburbanisierung und Muster einer strukturell bestimmten urbanen Inbesitznahme gegeben. Die residenzielle Inbesitznahme als Wohlstandsort wirkt sich letztlich aber auch auf die Veränderlichkeit der umgebenden Kommunen aus. Am Beispiel des Schlosses Friedrichshof werden der Witwensitz von Victoria Kaiserin Friedrich (1840-1901) und dessen räumliche Bedeutungsebenen erläutert. Der Autor unternimmt weiter den Versuch einer sozialgeographischen Skizze, definiert herrschaftlichen Villenbau im Großraum Frankfurt und erkennt darin ein singuläres Phänomen am Rande des Taunus. Villenanlagen gelten für ihn somit als ein Instrument sozialer Distinktion.

Der Autor erklärt am Beispiel der Firma Gebrüder Siesmayer die Bedeutung der Gartenkunst, die sich damit als Gestalter einer ganzen Kulturlandschaft erweisen. Er zeigt mit seiner Arbeit räumliche Ebenen großbürgerlicher Freizeitgestaltung sowie jüdisches Mäzenatentum. Er benennt die Bankiersfamilien Bonn und Rothschild. Am Schluss der Ausführungen, dem Vorabend des ersten Weltkriegs, steht das Aufbegehren einer elitären Erholungslandschaft im Raum. Im Fazit liefert der Ausblick auf die Gegenwart noch eine Debatte auf die Bedürfnisse der aktuellen Freizeitgesellschaften.

Foto (c) Kulturexpress

Villen und Landhäuser im Vordertaunus
Eine Kulturlandschaft im Rhein-Main-Gebiet
von Johannes Martin Müller
Nünnerich-Asmus Verlag, Oppenheim am Rhein
1. Auflage, 2022
Hardcover, 320 Seiten
101 Abbildungen
Format: 21,6 x 28,4 x 2,5 cm
ISBN: 978-3-96176-176-0 

 

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