DAM Preis 2023 geht an Auer Weber – Bauerweiterung Landratsamt Starnberg


Im Wettbewerbsbeitrag von 1982 definierten Auer Weber die Grundzüge des bestehenden Landratsamtes  Starnberg. 1985 bis 1987 wurde das Bestandsgebäude – eine Hybridkonstruktion aus Holz, Stahl und  Beton – in modularer Bauweise errichtet. Nicht zuletzt aufgrund seines „einprägsam-leichten  Fassadenbildes“ sowie seiner „intelligenten Grundriss-Disposition“ erhielt das Landratsamt 1989 den Deutschen Architekturpreis und wurde für den „architektonischen Ausdruck demokratischen Bauens“ gewürdigt, entnommen aus dem BDA-Jurytext.

Heinz Wendl und Projektleiter Dominik Fahr vom Büro Auer Weber

Seit Bezug des Bestands war die Anzahl der Mitarbeiter*innen stark gestiegen und machte so eine Erweiterung notwendig. Der Anbau sollte neben Besprechungs- und Sozialräumen 160 neue Arbeitsplätze beherbergen und sich sowohl funktional als auch architektonisch an das bereits Vorhandene anschließen. Die Erweiterung wurde daher so konzipiert, dass der Anbau sowohl in seiner äußeren als auch inneren Gestalt weitestgehend dem Bestand gleicht und keinen Bruch zwischen Bestehendem und Zugefügtem entsteht. Zugleich hat das Konzept das Ziel, Mitarbeiter*innen und Besucher*innen das Gefühl zu vermitteln, sich in einem Haus „aus einem Guss“ zu bewegen.

Die Erweiterung des direkt am See gelegenen Starnberger Landratsamts ehrt den Bestand und schreibt ihn in beeindruckender Weise fort. Es ist nicht selbstverständlich, dass Bestandsbauten erhalten und weiterverwendet oder erweitert werden – im Gegenteil werden besonders Bauten der Siebziger- und Achtzigerjahre skeptisch betrachtet, was ihre Zukunftsfähigkeit angeht. In Starnberg war dies von Anfang an anders. Die Architekten Fritz Auer und Carlo Weber nahmen 1982 am Wettbewerb für das Landratsamt Starnberg teil. Fritz Auer erinnert sich, dass wesentliche Inspirationen für die städtebauliche Organisation von seiner Japanreise 1960 stammten, bei der er sich die Katsura-Villa – den kaiserlichen Nebenpalast – aus dem 17. Jahrhundert in Kyoto angeschaut hatte. Dessen horizontale Verteilung der Baumassen und Staffelung der Baukörper, die damit ihr sehr großes Volumen geschickt verbargen, die Zweigeschossigkeit mit umlaufenden Veranden im Obergeschoss, die Dachüberhänge und die sanft geneigten Dächer schienen ihm auch geeignete Mittel für das Grundstück in Starnberg zu sein.

Ausstellungsmodell

Tatsächlich gewann der Entwurf und wurde realisiert. Schon der ursprüngliche Bau setzte in seiner städtebaulichen Anordnung in Form zweigeschossiger Pavillons mit umlaufenden Fluchtbalkonen und einem Wasserbecken sowie fingerartigen Höfen auf eine enge Verzahnung mit der Nachbarschaft. Die teils flügel-, teils kammartige Struktur der Erweiterung führt diese Idee fort. Ein öffentlicher Fußweg leitet durch den baumbestandenen Innenhof mit einem weiteren Wasserbecken hinunter zum Seeufer. Fast nebenbei gelangt man dabei in das großzügige Eingangsatrium, das über zierliche Treppen und Galerien zu den Büros führt. Sie sind nach außen orientiert, aber auch zu den Gängen hin stellen Glasbänder in den Trennwänden große Transparenz her. Die insgesamt drei Atrien haben Oberlichtbänder; es entsteht eine für Behörden überraschend freundliche Atmosphäre. Dass »das schönste Landratsamt Bayerns«, wie der aktuelle Landrat es stolz nennt, von seinen ursprünglichen Architekten erweitert wurde, war sicher wesentlich. Sie nahmen aber nicht die 1987 noch intendierten Flächen für künftige Erweiterungen im Osten und Süden auf, sondern entwickelten das modulare Konzept im Westen weiter. Dort wurde additiv die im Bestand vorgezeichnete Figur aus Flügelbauten um eine Atriumhalle verdoppelt.

Gestalterisch gleichen sich der Bestand und die Erweiterungen weitgehend. Der Übergang zwischen Alt und Neu ist fließend, die Fassaden und Einbauten sind neu, liegen aber teilweise noch unter dem alten Dach. Außerdem wurden manche gestalterischen Entscheidungen von früher revidiert. So ist das Holz der äußeren, neuen Tragstützen nicht mehr natürlich belassen, sondern in dem Grauton lasiert, der der Patina der alten Tragstützen entspricht. Im Vergleich der Atrien ist die Interpretation und Weiterentwicklung der damals lässig verspielten Details hochspannend anzuschauen. Keine Spiegelungen unter den Decken, keine ulkigen Roste im Geländer an den Ecken, keine rhetorischen Glasdurchbrüche und keine mintgrünen Farbakzente an den Geländern mehr. Stattdessen herrscht eine schnörkellosere und klarere Architektursprache in den Details, die die Feinheit der bestehenden aufnimmt, aber professioneller und damit weniger warmherzig erscheint. Die Gebäudetechnik entspricht dem aktuellen Standard, die den Neubau zu einem CO2-neutralen KfWEffizienzhaus 55 macht. Der Jury hat besonders die Haltung der Architekten imponiert, ihr eigenes Werk zu reflektieren, neu zu interpretieren und in zeitgemäßer Sprache fortzuschreiben. Originaltext: Peter Cachola Schmal

DAM Preis 2023 an Auer Weber, Landratsamt Starnberg, Außenansicht, Foto (c) Aldo Amoretti

Stimmen aus der Jury

»Die clusterartige Anordnung mit intelligenten Grundrissen, die Zeitlosigkeit und helle Freundlichkeit  des Gebäudes sind besonders im Bereich des Verwaltungsbaus eine Seltenheit. Dass es die Architekten geschafft haben, dies unter all den aktuellen energetischen und baulich-konstruktiven Anforderungen im gleichen Duktus fortzuschreiben und zu optimieren, ist (wiederholt) preiswürdig.«
Brita Köhler

»Die eigene Arbeit Korrektur zu lesen ist schwierig. Wie gerne verschließt man doch die Augen vor der eigenen Unzulänglichkeit, hakt ab, geht weiter. AUER WEBER haben sich der Auseinandersetzung mit dem eigenen Schaffen gestellt, genau hingeschaut und weitergedacht. Genau das brauchen wir heute: Architektur, die das Gestern ernst nimmt, das Heute versteht und deutlich über morgen hinausdenkt.«
Uta Winterhager

»Das Landratsamt Starnberg ist ein wunderbares Beispiel für das so kluge, aber dennoch so selten praktizierte Prinzip des Weiterbauens. Die Qualitäten des Gebäudes haben sich bis heute bewährt. Die Ergänzung hat trotz der technischen Herausforderungen unserer Tage nichts davon eingebüßt. Die Nutzer lieben das Haus. Besseres kann einem Gebäude nicht widerfahren«
Martin Haas

»Es ist so wohltuend, endlich ein gelungenes Bauwerk zu finden, das von seinen Nutzern geliebt und von seinen Architekten nach über 30 Jahren ˏeinfachˊ weitergebaut wird.«
Peter Cachola Schmal

»Um eine Architektur der 1980er-Jahre in Stil, Form und Materialität des ursprünglichen Entwurfs weiterzubauen, braucht es Verständnis für die Qualitäten des Bestands, Respekt vor dem Werk und nur behutsame Anpassungen an heutige Bedürfnisse. Alle drei Bedingungen widersprechen eigentlich unserem auf Fortschritt und Innovation versessenen Zeitgeist. Dass die Erweiterung des Starnberger Landratsamtes gelungen ist, darf daher als ein großer Glücksfall gelten.«
Dijane Slavic/ Uwe Bresan

»Eine Bauherrschaft, die nach mehr als 30 Jahren ihr Gebäude noch einmal fast identisch erweitern lässt – gibt es eine schönere Auszeichnung für alle am Bau und Unterhalt Beteiligten?«
Florian Summa

»Das Landratsamt entsorgt souverän die triviale Unterscheidung von Alt- und Neubau, die es so erst seit der Moderne gibt. Das permanente Weiterbauen, das dieses Projekt so elegant beiläufig zelebriert, war in der Baugeschichte Regel und nicht Ausnahme. Das Gebäude seinem ursprünglichen Entwurfsgedanken entsprechend weiterzubauen ist ein bauliches Plädoyer für die prinzipielle Unabgeschlossenheit von Architektur.«
Andreas Ruby

Transparent gestalteter Erweiterungsbau mit integrierter Bauteilaktivierung: Lüftung, Thermik, Heizung u.a.m. nicht weit vom Starnberger See. Vorbild für den Architekten Fritz Auer hierfür war im übrigen auch die japanische Bauweise.

 

»Das Projekt beweist, dass flexible Veränderungen und nötige Anpassungen nicht charakterlose, ausdruckslose Strukturen erfordern, sondern dass es nur logisch ist, die Qualitäten des Bestandes weiterzuführen. Eine bewundernswerte Bescheidenheit.«
Lena Unger

Wandtafel mit Planzeichnungen

»Mit der Erweiterung des Landratsamts haben sich AUER WEBER entspannt der Erwartung entzogen etwas `Neues´ schaffen zu müssen und überzeugen mit einem jahrzehntelang perfekt gepflegten, instandgehaltenen und weitergebauten Gesamtprojekt. Eine ressourcenschonende und zeitgemäße Architekturpraxis.«
Juliane Greb

»Das schönste und heiterste Landratsamt der Republik erweitern zu sollen, ist eine mentale Herausforderung. Das vorbildliche Gebäude von 1987 unter heutigen Bedingungen (Energie, Brandschutz, Inklusion) einfach zureproduzieren aber auch eine ingenieurtechnische. Verblüffend das überzeugende Ergebnis, das erneut zum Vorbild wird.«
Jörn Walter

Foto (c) Kulturexpress

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