Der Roman „Krähenfüße“ ist komplett auf Schwyzerdütsch geschrieben. Das allein mag noch nicht ursächlich für die Publikation sein. Dem literarischen Vergleich mit den alemannischen Gedichten von Johann Peter Hebel kann diese Art der Literatur meiner Meinung nach nicht Stand halten. Nicht weil diese zu uninteressant ist, um weiter zu lesen.
Nein, es ist vielmehr der schweizerische Slang, der so stark zum Tragen kommt, der sich immer weiter fortsetzt und gar nicht mehr aufhören will. Fast so als wäre es ein automatisiertes Schreiben, das zur Anwendung gekommen ist. Nicht zu vergessen die Reihe der Aufzählungen. Wer die Wahl hat zwischen Stimmungsschwankungen und Johanniskraut, Gewichtszunahme und Fastenkuren, der findet nicht selten Trost bei einem Stück Schwarzwäldertorte, heißt es im Klappentext. Die lebenskluge Protagonistin, die bereits die Klippen der Pubertät geschickt umschifft und manchem Sturm der Partnerschaft stoisch standgehalten hat, stellt sich ihrem körpereigenen Klimawandel in gewohnt verwegener Manier entgegen und bringt die mit dem Altern in Zusammenhang stehenden Fragen frech auf den Punkt.
Das stimmt! Die Formulierungen bringt sie und das ohne jegliche Gewissensbisse. Das hat nicht mehr viel mit den Apostrophen abgekürzter Satzfloskeln zu tun, die den grammatikalisch sinnvollen Satz kontrapunktieren, um wenigstens andeutungsweise noch an die deutsche Sprache und deren Grammatik anzulehnen. Hier sind die blanken Wortfetzen, die aneinander gesetzt sind an ein rhythmisch vibrierendes Schwyzerdütsch, auf die es der Text offensichtlich abgesehen hat. Denn nur dem Sprachkundigen erschließen sich die kleinteiligen Phoneme, die aus Bestandteilen wie: me, hets, nid oder Frag, auso und Wäg bestehen. Oftmals auf ganz erquickliche Weise, dass es einem wie von Selbst in das Sprachorgan, den Mund nämlich, hinein fährt und das zugehörige Gehör geneigt ist, sämtliche Wortfragmente inhaltlich nachzusprechen bis der volle Dialekt ausgesprochen ist, so dass einem die Bedeutung beim Lesen des Textes überhaupt erst wie Schuppen vor den Augen fällt.
Es gibt seit langem Tendenzen, Schwyzerdütsch als eigene Sprache anzuerkennen, die unabhängig vom Deutschen in Koexistenz neben den anderen Sprachen ihre Eigenständigkeit im schweizerischen Sprachraum behält. Wobei eine Unterscheidung zwischen Alemannisch und Schwyzerdütsch darauf hindeutet, dass es in manchen Fällen lediglich um eine Ansammlung regionaler Mundarten geht, die sogar innerhalb der Schweiz zwischen Bernerdütsch und dem Zürcher Slang zu unterscheiden weiß. Die emotionale Behandlung und Kausalität des Themas führt die Sprachgewaltigkeit vor Augen, womit der- oder diejenige zu tun bekommt, welche mit der Sprache Schwyzerdütsch leben, mit ihr denken und in ihr träumen müssen.
Die Autorin Stef Stauffer wurde in Bern geboren, lebt im Onsermonetal und in Zürich, arbeitet bei der „Tessiner Zeitung“ als freie Journalistin und als Schriftstellerin. „Marthas Gäste“ war ihre erste Publikation bei Zytglogge. Mittlerweile hat sie insgesamt sieben Romane veröffentlicht, u.a. die Mundart-Trilogie „Hingerhang“, „Bluescht“ und „Chräiefüess“.
Chräiefüess
Roman von Stef Stauffer
Zytglogge Verlag, Bern
1. Auflage, 2021
Gebundene Ausgabe, 168 Seiten
Format: 21 x 13 cm
ISBN: 978-3-7296-5064-0