Die in der Schweiz geborene brasilianische Fotografin und Aktivistin Claudia Andujar (*1931) stellt heute ein Vorbild für viele politisch motivierte Künstler*innen dar. Sie zählt nicht nur zu den bedeutendsten Vertreterinnen der Fotografie Südamerikas, deren Werke in renommierten Museen wie dem MoMA in New York weltweit ausgestellt werden, sondern ist auch als Aktivistin bekannt, die ihre künstlerische Stimme seit Jahrzehnten nutzt, um auf soziale Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen und die Rechte indigener Gemeinschaften zu verteidigen. In der Ausstellung im Phoxxi, dem temporären Haus der Photographie der Deichtorhallen in Hamburg wird vom 9. Februar bis 11. August 2024 eine Auswahl der wichtigsten Werkgruppen Claudia Andujars vorgestellt.
Nach ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten entschied sie sich für eine Karriere als Fotojournalistin und beteiligt sich am Kampf gegen soziale Missstände und Gewalt an ihrem neuen Wohnort Brasilien. Ab den frühen 1970er Jahren dokumentierte sie nicht nur das tägliche Leben der indigenen Gemeinschaft der Yanomami im Amazonas im Norden Brasiliens, sondern auch die Konflikte, mit denen diese durch Bergbau, Vertreibung und Krankheiten konfrontiert sind. Die Fotografin verschreibt fortan ihr Leben und ihre Arbeit dem Kampf um die Rechte der Yanomami. Im Rahmen ihres mittlerweile fünf Jahrzehnte umfassenden Engagements zum Schutz der Yanomami sind über 60.000 Fotografien entstanden.
Claudia Andujar setzte sich nicht nur künstlerisch für die Yanomami ein, sondern wurde auch zu einer vehementen Anwältin für ihre Rechte. Zusammen mit anderen Aktivist*innen gründete Andujar 1978 die NGO »CCPY«, um sich für die Rechte und das Land der Yanomami einzusetzen. Ihr jahrelanger Kampf u.a. an der Seite des Schamanen und Sprecher der Yanomami Davi Kopenawa führte schließlich zur Abgrenzung des Yanomami-Gebietes im Jahr 1992 unter dem Namen „Yanomami-Park“.
Unter der Regierung des Präsidenten Bolsonaro arbeiteten wieder zehntausende Goldsuchende illegal im Territorium der Yanomami, Landrodungen durch den Bergbau und die Viehwirtschaft nahmen ein neues Ausmaß an und die Verbreitung von eingeschleppten Krankheiten wie Malaria und COVID-19 bedrohen das indigene Volk. Dies brachte unfassbares Leid über die Gemeinschaft der Yanomami. Der kürzlich gewählte brasilianische Präsident Lula da Silva zeigte sich nach seinem Amtsantritt 2023 schockiert über die Gesundheitslage der Yanomami und rief den medizinischen Notstand aus. Jüngst stimmte der brasilianische Kongress im Dezember 2023 einem Gesetzesentwurf zu, der im großen Stil Bergbau in indigenen Gebieten erlaubt. Dies könnte für die Yanomami und andere indigene Völker in Brasilien weitere fatale Folgen haben. Andujars aktivistische Bestrebungen haben daher nicht an Aktualität verloren.
Viele indigene Aktivist*innen berufen sich heute auf die medienwirksame Arbeit Claudia Andujars der letzten Jahrzehnte. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Anerkennungen für ihre für ihre künstlerische Arbeit und ihr soziales Engagement, darunter den Annual Cultural Freedom Award der Lannan Foundation, New Mexico und die Goethe-Medaille. 2015 wurde Claudia Andujar in Minas Gerais, Brasilien, mit einem eigenen Pavillon geehrt, in dem dauerhaft dreihundert von der Künstlerin geschaffene Werke über die Yanomami gezeigt werden.
Claudia Andujar – The End of the World⎟ Deichtorhallen Hamburg
CLAUDIA ANDUJAR. THE END OF THE WORLD
LAUFZEIT: 9. FEBRUAR – 11. AUGUST 2024 PHOXXI. HAUS DER PHOTOGRAPHIE TEMPORÄR /DEICHTORHALLEN HAMBURG
KURATOR
Viktor Hois (wissenschaftlicher Mitarbeiter Haus der Photographie/Deichtorhallen Hamburg). Die Ausstellung wird von den Deichtorhallen Hamburg produziert.
Siehe auch: Podiumsgespräch zur Fotoserie ‚Marcados‘ von Claudia Andujar im MMK (vom 16. Mai 2017)
Sieha auch: MMK1: Claudia Andujar. Morgen darf nicht gestern sein (vom 16. Februar 2017)