Die Erinnerung ist noch frisch, dass die niederländische und flämische Literatur 2016 im Mittelpunkt der Frankfurter Buchmesse stand. Doch seitdem ist viel passiert: In den vergangenen acht Jahren hat sich die Welt verändert und eine neue schreibende Generation ist nachgerückt. Und wenn die Welt sich verändert, verändert sich auch die Literatur. Sie muss sich den Themen unserer Zeit stellen, der Erderwärmung, dem globalen Flüchtlingsstrom, dem Krieg in Europa, aber auch der Frage nach Herkunft und Identität. In Leipzig werden diese Veränderungen unter dem Motto „Alles außer flach” präsentiert.
Charakteristisch für die Arbeit der neuen Autorengeneration ist vor allem ihr persönliches Engagement. Politische Themen wie die Klimakrise, Geschlechtergleichheit, Rassismus und Kolonialismus spielen ganz selbstverständlich eine Rolle in ihren Texten. Aktuelle Ereignisse und Debatten werden ernsthaft thematisiert, doch oft in einem charakteristisch leichten Ton beschrieben und humorvoll kommentiert.
Die Veranstaltungen stellen Neuerscheinungen zu diesen Themen in den Mittelpunkt, regen zu Diskussionen an und schlagen literarische Brücken, indem sie Begegnungen zwischen Autoren aus den Niederlanden & Flandern mit deutschen Kollegen fördern und das Publikum aktiv in Workshop- und Leseformate einbeziehen.
Kinder- und Jugendliteratur aus den Niederlanden und Flandern ist anspruchsvoll, innovativ und spannend: In der internationalen Verlagswelt ist das längst bekannt. Wollen Sie wissen, welche Autoren und Illustratoren gerade den Ton angeben? Und fragen Sie sich, warum hierzulande so auffällig viele gute Kinderbücher gemacht werden? Der Hintergrundartikel Bunt, vielfältig, eigenwillig, der anlässlich des Gastlandauftritts in einer Sonderbeilage von Eselsohr, der renommierten Zeitschrift für Kinder- und Jugendmedien erscheint, gibt dazu Auskunft und bietet eine ebenso spannende wie inspirierende Entdeckungstour durch die niederländischsprachige Kinderbuchwelt.
Nicht zufällig beginnt die Rundreise mit Annie M.G. Schmidt (1911-1995), der womöglich beliebtesten niederländischsprachigen Kinderbuchautorin nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihr rebellischer Leibspruch, dass Regeln dazu da sind, gebrochen zu werden – auch die Regeln des Kinderbuches – wird von den Kinderbuchmacher in den Niederlanden & Flandern noch immer gern beherzigt. Anhand lebhafter Beispiele zeigt der Beitrag, wie Annie M.G. Schmidt mit dem ALMA Gewinner Guus Kuijer sowie der heutigen Autoren-Generation verbunden ist. Wie sich diese, ebenso wie ihre illustren Vorgängern, nicht auf Genres festnageln lassen. Mutig durchbrechen sie Tabus und kombinieren dabei leichtfüßig Sprache und Fantasie. Immer weht ein „Kinderbuch-Atem“ durch ihre Werke. Sjoerd Kuyper, Edward van de Vendel, Anna Woltz, Simon van der Geest, Evelien de Vlieger, Marjolijn Hof und Gideon Samson: nur einige wichtige Autoren in einer schier unendlichen Reihe.
Ausgehend von der Frage, wo die Grenze der Vorstellungskraft liegt, hält die niederländische und flämische jungendliterarische Landschaft Schritt mit der Zeit, und es erscheinen immer mehr Bücher, die zur kulturellen Diversität beitragen. Gleichzeitig gibt es weiterhin Raum für die klassische Erzählkunst in der Tradition von Meister-Erzähler Paul Biegel (1925-2006) und Tonke Dragt (*1930), deren Werk jenseits von Zeit und Raum steht. Auch namenhafte Autoren, deren Handelsmarke Eigensinnigkeit ist – wie etwa die „Königin der Sachliteratur für Kinder“, Bibi Dumon Tak, und der literarische Feinschleifer Bart Moeyaert, lassen ihre Stimmen weiterhin hören.
Selbstverständlich hat der Beitrag auch die niederländische und flämische Illustrationskunst im Blick, die einen nicht zu unterschätzenden Beitrag am Entstehen und Status Quo der niederländischsprachigen Kinder- und Jugendliteratur liefert. Dick Bruna (1927-2005), das junge Talent Djenné Fila und viele weitere Künstler passieren die Revue. Ein Abschnitt gilt der flämischen Illustrationskunst, die seit ihrer einzigartigen Blütezeit in den 1990er Jahren unvermindert experimentierfreudig ist.