Shortlist des Leica Oskar Barnack Award 2024


Bereits zum 44. Mal ehrt die Leica Camera AG mit dem international renommierten Fotografie-Award hervorragende Fotograf*innen. Die Gewinner*innen werden am 10. Oktober 2024 im Rahmen eines großen Fests im Leica Headquarter in Wetzlar verkündet. Bis dahin werden die Serien aller Finalist*innen auf der LOBA-Website präsentiert.

Frauen posieren für ein Selfie, bevor sie zur Arbeit gehen, Iran 2019 aus der Serie The Underneath of the Calm Streets of Iran © Forough Alaei/LOBA 2024

Ausgewählt wurde die Shortlist auf Grundlage der eingereichten Vorschläge von rund 80 Fotografie-Expert*innen der internationalen Fotografie-Szene aus rund 50 Ländern, aus denen die diesjährige Jury die LOBA Shortlist 2024 und die Gewinner*innen in der Haupt- und der Newcomer-Kategorie bestimmt hat.

Im Anschluss an die Preisverleihung im Oktober werden alle LOBA-Serien im Ernst Leitz Museum in einer großen Ausstellung – mit freundlicher Unterstützung durch WhiteWall – und in einem begleitenden umfangreichen Katalog präsentiert. Nach der Ausstellung in Wetzlar wird der LOBA 2024 in weiteren Leica Galerien und auf Fotofestivals weltweit zu sehen sein.

Elahe vor dem Porträt ihrer Schwester Elmira. Beide sind Künstlerinnen. Elmira studiert in Kanada, während Elahe noch nach einer Möglichkeit sucht, den Iran zu verlassen. Iran 2020 aus der Serie The Underneath of the Calm Streets of Iran © Forough Alaei/LOBA 2024

Die Serien der LOBA-Shortlist 2024 (Haupt- und Newcomer-Kategorie) im Überblick (in alphabetischer Reihenfolge):

   
  • Forough Alaei: The Underneath of the Calm Streets of Iran
  • Anush Babajanyan: Nagorno-Karabakh War and Exodus
  • Emily Garthwaite: Tears of the Tigris
  • Maria Gutu: Homeland
  • Ksenia Ivanova: Between the Trees of the South Caucasus
  • Lucas Lenci: Inattention Era
  • Adriana Loureiro Fernández: Paradise Lost
  • Sara Meneses Cuapio: Raízhambre
  • Davide Monteleone: Critical Minerals – Geography of Energy
  • Tong Niu: Express Delivery
  • Ingmar Björn Nolting: An Anthology of Changing Climate
  • Etinosa Yvonne: It’s All in My Head

Über den Leica Oskar Barnack Award (LOBA)
Der LOBA gehört zu den hoch dotierten und renommiertesten Auszeichnungen im Bereich der Fotografie: Die Gewinnerin oder der Gewinner des LOBA erhält 40 000 Euro und eine Leica Kameraausrüstung im Wert von 10 000 Euro, die Gewinnerin oder der Gewinner des Newcomer Awards 10 000 Euro und eine Leica Q3.

Shortlist des Leica Oskar Barnack Award 2024

Forough Alaei: The Underneath of the Calm Streets of Iran

Forough Alaei, Porträt © Tina Nekoofar

Seit dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini im September 2022 wagen es viele Frauen, gegen die offiziellen staatlichen Verhaltensbestimmungen zu rebellieren. Die iranische Fotografin (*1989) porträtiert in ihrer Serie junge Iranerinnen, die den Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ selbstbewusst leben. Ob Tänzerin oder Restaurantleiterin, ob Motorradrennfahrerin, Automechanikerin oder Stuntfrau: Eine neue Generation von jungen Frauen kämpft sichtbar für ihre Rechte.

 

 

 

Araksya Grigoryan, eine alleinerziehende Mutter mit ihren sieben Kindern, Nagorno-Karabach 2017 aus der Serie Nagorno-Karabakh War and Exodus © Anush Babajanyan/LOBA 2024

Anush Babajanyan: Nagorno-Karabakh War and Exodus

Anush Babajanyan © John Stanmeyer

Im Mittelpunkt der Serie stehen die seit vielen Jahren andauernden Konflikte um das Gebiet Bergkarabach, eine bis zu deren Flucht im September 2023 überwiegend von Armeniern bewohnte Region im Südosten des Kleinen Kaukasus. Die Fotografin zeigt Bedrohung, Vertreibung und die ungewisse Zukunft der von ihr porträtierten Familien. Babajanyan (*1983) wurde in Armenien geboren und lebt in Deutschland. Ihre Arbeit wurde bereits vielfach ausgezeichnet; sie ist Mitglied der Agentur VII.

Kinder spielen und rennen um ein Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg im Dorf Mets Tagher, Nagorno-Karabach 2020 aus der Serie Nagorno-Karabakh War and Exodus © Anush Babajanyan/LOBA 2024
Anahit Stepanyan (rechts) vor der humanitären Hilfsstation und Registrierungsstelle, Dorf  Kornidzor, Armenien 2023 aus der Serie Nagorno-Karabakh War and Exodus © Anush Babajanyan/LOBA 2024

Children in Mets Tagher village, Hadrut region, play and run around an airplane that belonged to a WWII Marshal from this village in Nagorno-Karabakh, on February 28, 2020.Anahit Stepanyan, 43, (center) waits to be registered at the humanitarian station and registration point in Kornidzor village, Armenia, on September 26, 2023. Anahit’s family has fled the village of Vaghuhas in Nagorno-Karabakh. Her relative Hayk Martirosyan, 37, (left) who lives in Armenia, has arrived to meet and host the family in his home in Armenia.

Emily Garthwaite: Tears of the Tigris

In ihrer Serie folgt die britische Bildjournalistin (*1993) auf 1900 Kilometern dem Fluss Tigris – von seiner Quelle in der Türkei bis ins Gebiet des Irak. Sie untersucht dabei politische Loyalitäten, ethnische Bindungen, nationale Grenzen und die sich verändernde Geografie. Der Fluss steht am Rande einer Umweltkatastrophe, von der etwa 30 Millionen Menschen betroffen sind, die im Einzugsgebiet des Flusses leben und die das Kulturerbe der Region bedroht.

Maria Gutu: Homeland

Viele Kinder in der Republik Moldawien wachsen ohne Eltern auf. Aus wirtschaftlichen Gründen hat in den letzten 20 Jahren etwa ein Viertel der Bevölkerung das Land verlassen. Ausgangspunkt für die Serie ist die persönliche Geschichte der moldawischen Fotografin (*1996), die bei ihren Großeltern aufwuchs. Entstanden ist eine poetische Suche nach Wurzeln, nach einem Zuhause, dessen Bedeutung sich immer wieder ändert – selbst im Verständnis der Kinder.

Ksenia Ivanova: Between the Trees of the South Caucasus

Das von 2019 bis 2023 fotografierte Projekt der in Russland geborenen und in Berlin lebenden Fotografin (*1990) gibt Einblicke in die noch immer ungelösten Konflikte im Südkaukasus. Im August 2008 stationierte Russland seine Truppen im benachbarten Georgien und erklärte die Unabhängigkeit von Südossetien und Abchasien. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine wirft die Serie grundsätzliche Fragen über die Zukunft dieser Gebiete und die Folgen der dort lebenden Menschen auf.

Lucas Lenci: Inattention Era

Der Alltag vieler Menschen ist durch eine permanente Reizüberflutung bestimmt. In seiner schwarzweißen Serie präsentiert der brasilianische Fotograf (*1980) strahlend weiße, aber leere LED-Display-Flächen auf öffentlichen Plätzen, die für ihn als Metapher für den überwältigenden Überfluss an Informationen dienen, der von den Menschen gar nicht verarbeitet werden kann. Lenci beschreibt den Zustand einer Zeit, die von allgegenwärtiger Ablenkung und Unaufmerksamkeit geprägt ist.

Adriana Loureiro Fernández: Paradise Lost

Als eine Art persönliches Tagebuch beschreibt die venezolanische Fotografin (*1988) die desolate Situation in dem südamerikanischen Staat. Seit rund zehn Jahren dokumentiert sie den Zusammenbruch ihres Heimatlandes. Armut, Inflation, Gewalt, aber auch die Hoffnungen einer jungen Generation, die das Land – anders als viele andere – noch nicht verlassen hat. „Irgendwo zwischen der Schönheit und dem Schrecken liegt das verlorene Paradies“, so der Kommentar der Fotografin.

Sara Meneses Cuapio: Raízhambre

Der Wald auf dem Matlalcuéyetl, einem inaktiven Vulkan in Tlaxcala, Mexiko, ist zu großen Teilen durch illegalen Holzeinschlag und Borkenkäferbefall verwüstet. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Umwelt, sondern beeinflusst auch die Weltanschauung der Nahua- Kultur, für die der Wald ein ritueller Ort ist. In ihrer Serie zeigt die Fotografin (*1995), die selbst familiäre Verbindungen zu der Gegend hat, den Zusammenhang von Naturzerstörung und dem Verlust des kulturellen Erbes.

Davide Monteleone: Critical Minerals – Geography of Energy

Wie kann in Zukunft Nachhaltigkeit entstehen, ohne die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen? Die Serie hinterfragt die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen, die dem gewünschten Wandel der globalen Energiewirtschaft geschuldet ist. Der in der Schweiz lebende italienische Fotograf (*1974) problematisiert die komplexen geopolitischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen des Kupfer-, Lithium- und Kobaltbergbaus in Chile, der Demokratischen Republik Kongo und Indonesien.

Tong Niu: Express Delivery

Die chinesische Logistik- und Kurierbranche hat sich nach einem goldenen Jahrzehnt verändert und wächst langsamer. Die Serie des chinesischen Fotografen (*1998) entstand vor allem in der Region Jiangsu. Die im Großformat aufgenommenen Bilder zeigen den Großstadtalltag der im E-Commerce und Expressversand Beschäftigen; der Fotograf begleitet sie aber auch auf Reisen in ihre ursprünglichen Heimatorte, aus denen sie mit Hoffnung auf eine bessere Zukunft abgewandert sind.

Ingmar Björn Nolting: An Anthology of Changing Climate

Im Kampf gegen die Klimakrise hat Deutschland ehrgeizige Ziele, doch der Status quo ist so komplex wie paradox. Aus dem Wunsch, bis 2045 eine klimaneutrale Industrienation zu sein, ergeben sich soziale und ökologische Dynamiken, die zu einer wachsenden Spaltung der Gesellschaft führen. Der deutsche Fotograf (*1995) geht in seiner Serie der Frage nach, wie im gesellschaftlichen Konsens Antworten auf die Herausforderungen des Klimawandels zu finden sind.

Etinosa Yvonne: It’s All in My Head

Das forschungsgestützte Multimediaprojekt der nigerianischen Fotografin (*1989) setzt sich mit dem Überleben nach Gewalt- und Terrorismuserfahrungen auseinander. Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas, ein multiethnischer und multireligiöser Staat, der ständig mit Grausamkeiten und Konflikten unterschiedlichen Ausmaßes zu kämpfen hat. Seit 2018 arbeitet Yvonne mit mehr als 60 traumatisierten Erwachsenen und Kindern in verschiedenen Landesteilen zusammen.

Zitate der Jury:

Dimitri Beck über den LOBA 2024: „Der LOBA ist sicherlich ein Meilenstein in der internationalen Fotoszene und spielt eine Schlüsselrolle bei der Förderung guter visueller Erzählungen. Die Präsentation einer Auswahlliste von zwölf Fotografinnen und Fotografen und ihren Werken ist wichtig, um die Vielfalt der Visionen und Geschichten, die heutzutage entstehen, zu erkunden.“

Karin Rehn-Kaufmann über den LOBA 2024:

„Die Zusammenarbeit mit den Nominatoren und der Austausch der Jury über die verschiedenen Serien waren auch in diesem Jahr wieder höchst erfreulich und bereichernd. Die Ergebnisse sind beeindruckend, und es erscheint mir heute wichtiger denn je, engagierten Fotografinnen und Fotografen ein Forum zu bieten, mit ihren Serien auf die aktuellen herausfordernden Probleme zu antworten. Es überrascht daher nicht, dass Klima und Umwelt, gesellschaftliche und ethnische Konflikte, Gewalt und Ausgrenzung als Themen in vielen der Serien im Mittelpunkt stehen. Alle Serien zeigen den humanistischen Blick auf die schwierigen Situationen in der Welt. Dass in diesem Jahr noch einmal mehr Fotografinnen ins Rennen gehen, erfreut mich ganz besonders.“ Bildmaterial zum Download finden Sie hier. Das Bildmaterial darf ausschließlich unter Angabe des Copyrights genutzt werden

Print Friendly, PDF & Email