Im Weglassen erst wird die Essenz sichtbar. Ralf Meyer-Ohlenhofs Buch „Non Finito“ Ausstellung „Passegiata“ wird am 20. März 2025 in der Galerie Rottmann Fuenf in München eröffnet und läuft bis 11. April 2025


Né terra né acqua“, „Weder Land noch Wasser“, war der Titel einer Ausstellung von Ralf Meyer-Ohlenhof, die im Jahr 2023 in der Galerie Rottmann Fuenf in München zu sehen war. Hier breitete sich die Kunst des Münchner Künstlers vor dem Auge des Betrachters aus – eine Kunst, die seit Dekaden wächst, die sich um einen Kern zu drehen scheint, seit Anbeginn.

Nach einer Ausbildung an einer Schule für Grafikdesign in München, noch in den 1960er Jahren, studierte Ralf Meyer-Ohlenhof in Florenz und später an der Akademie in München. 1980 hat er die erste Einzelausstellung in der Galerie von Braunbehrens – der Anfang war gemacht.

Seitdem hat der Künstler an vielen Orten, in Galerien, Museen und Kunstvereinen ausgestellt und seine Kunst weiterentwickelt. In seinen Arbeiten – in Werkreihen wie terra amphibia“, „canto primo (selva obscura)“ oder „preistoria“ –, meinen wir einen italienischen Zug zu erkennen. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn wir durch einen jetzt erschienenen, opulenten Band blättern, der seine Kunst umfassend, in vielen Bildern und Texten vorstellt.

Schon der Titel des Buchs, „Non Finito“, führt uns auf diese italienische Fährte. Der Begriff wird mit Michelangelo verbunden, doch es war ein Franzose, der die im 15. Jahrhundert entstandene Idee des Non finito auf den Punkt gebracht hat: „Alle wesentlichen Formen sind da, und sie wären nicht mehr da, wenn ich die Arbeit dem äußeren Anschein nach mehr vollendete.“ So formulierte es der Bildhauer und Zeichner Auguste Rodin.

Kreide und Kohle

Für die Kunst von Ralf Meyer-Ohlenhof bedeutet das: Im Weglassen erst wird die Essenz sichtbar. Werke Michelangelos haben ihn beeinflusst, haben ihn veranlasst, die Idee des Non finito in die Malerei zu übertragen. Damit überträgt er eine wichtige Aufgabe auch an uns Betrachter: Man darf, man soll seine Bilder im Kopf vollenden, oder besser: weiterdenken.

Wir haben es hier zu tun mit „offenen“ Kunstwerken, im Sinne der 1962 entstandenen Schrift „Opera aperta“ von Umberto Eco: einem Schlüsseltext der Avantgarde-Ästhetik. Wir sehen offene, transparente Kunstwerke, die sich jeder Eindeutigkeit auf vielfältige Weise entziehen. Mehrdeutigkeit, Rekombination, Dialog, Collage, Dynamik, nicht zuletzt auch die Rolle des Betrachters – das sind Begriffe, die hier bedeutsam werden.

Das Non finito ist auch ein Topos der Moderne. Schon früh mag sich der Künstler – vielleicht in seiner Studienzeit in Florenz – damit befasst haben. Und auch die Farben Italiens, eines alten Italien, eines Italien der würdevoll abgeblätterten Fassaden, diese Farben finden wir in den Werken des Schwabinger Künstlers.

Das Buch gliedert sich durch die Namen der verschiedenen Serien der Gemälde, Zeichnungen und Papierarbeiten. Ihnen allen ist gemeinsam: Der Künstler versteht sich als Spurensucher, als malender Archäologe. Er hat Totholz gemalt, im Moor an seinen „Torfstichen“ gearbeitet, ist den Spuren der Gegenwart in der Landschaft gefolgt. Stets hält seine Kunst (gegeben in subtilen, gedeckten Grün-, Braun-, Grau- und Rottönen) die Waage zwischen Figuration und Abstraktion. Die Serie „fine della preistoria“ ist ein wenig anders. Hier überwiegt die Figuration. Frühe ethnologische Fotografie aus Afrika und archäologische Grabungsfotos bilden die Grundlage für den Bilderzyklus.

Ausführliche Texte von Wilhelm Christoph Warning, Andreas Kühne und Michael Farin enthält der von Aimée Dornier gemeinsam mit dem Künstler herausgegebene Band. Viel auch zur Biografie des Künstlers, der seine Kindheit in Chile verbrachte. Die Monografie bietet die Möglichkeit eines tiefen Verstehens einer Kunst, deren Subtilität, deren Schwere sich immer mit Eleganz paart. Es ist gleichermaßen Kunst für den Kopf und für die Augen, setzt Gedanken in Gang. Es ist ein Vergnügen, in diesem Buch zu blättern. Text (c) Marc Peschke

Non Finito. Ralf Meyer-Ohlenhof: Gemälde – Zeichnungen – Papierarbeiten
(Hg.) Ralf Meyer-Ohlenhof / Aimée Dornier
Iudicum Verlag, München
1. Auflage 2024
252 Seiten, 239 Abb.
Format: 26 x 24 cm
ISBN 978-3-86205-662-0

 

 

Nicht ohne Grund hat der Künstler Ralf Meyer-Ohlenhof den Begriff des „Non finito“ als Buchtitel für die erste umfassende Monographie zu seinem Werk gewählt. Der Ausdruck „Non finito“, der sich mit „unvollendet“ wörtlich, aber unzureichend aus dem Italienischen übersetzen lässt, wird in der Kunstgeschichte der Renaissance zugewiesen. Das „Non finito“ ist vom Standpunkt der Vollendung aus gedacht. Denn das Werk, ob Zeichnung oder Skulptur, das kunsthistorisch als „Non finito“ bezeichnet wird, ist auf die wesentlichen Linien oder Proportionen reduziert, also bis zu einem gewissen Grad abstrakt. Möglicherweise wurde der 1949 in München geborene Künstler durch seine Studienzeit an der Akademie in Florenz zu der Auseinandersetzung mit dem „Non finito“ angeregt, beschäftigte er sich doch intensiv mit der Architektur, den Zeichnungen und den skulpturalen Werken der florentinischen Renaissance, auch und vor allem Michelangelos „Non finito“ Skulpturen.

Preistoria, Canto primo, Terra amphibia: Auch die Überschriften der einzelnen Kapitel des Bandes zeugen von der tiefen Verbundenheit des Schwabinger Künstlers zu Italien. Wichtig in seinem Schaffen sind die hinterlassenen Spuren früherer Generationen, wie sie die Archäologie zu Tage fördert, aber auch Spuren, die der heutige Mensch in der Landschaft hinterlassen hat, u.a. zu sehen in dem Werkzyklus „Torfstiche“. Erstmals werden nun Gemälde, Zeichnungen und Papierarbeiten des Künstlers in einer Auswahl aus unterschiedlichen Schaffensperioden einem größeren Publikum in Buchform vorgestellt. Neben Texten von Wilhelm Christoph Warning, Andreas Kühne und Michael Farin enthält der von Aimée Dornier gemeinsam mit dem Künstler herausgegebene Band auch ein von Monika Pfundmeier nach Interviews zusammengestelltes umfangreiches Kapitel zur Biographie des Künstlers.

Blick ins Buch…

 

Die Ausstellung „Passegiata“ wird am 20. März 2025 in der Galerie Rottmann Fuenf in München eröffnet. Die Ausstellung läuft bis zum 11. April 2025

www.galerie-rottmann-fuenf.de