Meet the heat: Der Deutsche Pavillon in Venedig Der deutsche Pavillon als Stresstest: 19. internationale Architekturausstellung – La Biennale di Venezia


Die Stadt steht unter Stress: Extreme Hitzewellen und Starkregenereignisse sind, oder werden bald, zur neuen Normalität, mit verheerenden Auswirkungen auf das städtisches Leben, unsere Gesundheit, unsere Infrastruktur und unsere Wirtschaft. Die Stadt, ursprünglich Ort des Schutzes, des Fortschritts und der Begegnung, ist zum Brennpunkt der Klimakrise geworden. In absehbarer Zeit werden auch in europäischen Metropolen Temperaturen erreicht, die für Menschen, Tiere, Pflanzen und Infrastrukturen kaum noch erträglich sind.

Der deutsche Beitrag auf der 19. Internationalen Architekturausstellung – La Biennale di Venezia nimmt diese konkrete Bedrohung als Ausgangspunkt: Die Ausstellung STRESSTEST, kuratiert von Nicola Borgmann, Elisabeth Endres, Gabriele G. Kiefer und Daniele Santucci, macht die zukünftige Realität des Stadtklimas physisch und psychisch erfahrbar und zeigt, dass Architektur und Landschaftsplanung klimagerechte Städte nicht nur schaffen können, sondern müssen. STRESSTEST ist ein Aufruf zum Handeln für Politik, Planende, die Bauindustrie und die Gesellschaft. Die Zeit zu handeln ist jetzt.

Die 19. Internationale Architekturausstellung – La Biennale di Venezia, mit dem Titel „Intelligens. Natural. Artificial. Collective.“ unter der kuratorischen Leitung des italienischen Architekten Carlo Ratti findet vom 10. Mai bis 23. November 2025 statt. Der deutsche Beitrag wird getragen von der Architekturgalerie München e.V. im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Die offizielle Eröffnung des Deutschen Pavillons findet am Freitag, 9. Mai 2025, um 12:00 Uhr statt.

Es besteht dringender Handlungsbedarf! STRESSTEST, der deutsche Beitrag zur 19. Internationalen Architekturausstellung – La Biennale di Venezia, kuratiert von Nicola Borgmann, Elisabeth Endres, Gabriele G. Kiefer und Daniele Santucci, zeigt die dramatischen Auswirkungen der Erderwärmung auf das städtische Leben. Starkregen und Überschwemmungen, Hitzewellen und Dürren – während sich der Klimawandel weltweit an steigenden Temperaturen, Extremwetter und dem Anstieg des Meeresspiegels zeigt, sind seine Auswirkungen auf der lokalen Ebene der Stadt unmittelbar spürbar: Urbane Räume leiden unter Hitzestress. Versiegelte schattenlose Flächen und überwärmte Gebäudemassen schaffen Hitzeinseln, die sich auch nachts nicht mehr abkühlen und regenerieren können. Die Städte, ursprünglich Orte des Schutzes, des Fortschritts und der Begegnung, sind zu Brennpunkten der Klimakrise geworden. In absehbarer Zeit werden auch in europäischen Metropolen Temperaturen erreicht, die für Menschen, Tiere, Pflanzen und Infrastrukturen kaum noch erträglich sind. Dies gefährdet nicht nur das soziale Miteinander und die Produktivität der Stadt, sondern auch die Gesundheit und das Überleben ihrer Bewohner*innen. Die städtische Bevölkerung ist bereits heute einem erhöhten Risiko für Dehydration und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgesetzt, die Zahl der Hitzetoten steigt. Eine Situation, die dringend nach einer resilienten, verantwortungsvollen und ganzheitlichen Stadtplanung verlangt. Denn ohne effektive Gegenmaßnahmen werden einige Städte in wenigen Jahrzehnten unbewohnbar sein.

Der deutsche Beitrag nimmt diese konkrete Bedrohung als Ausgangspunkt: Die Ausstellung STRESSTEST macht die zukünftige Realität des Stadtklimas physisch und psychisch erfahrbar und zeigt, dass Architektur und Landschaftsplanung klimagerechte Städte nicht nur schaffen können, sondern müssen.

Ausstellungsgestaltung

Den ersten „Stresstest“ bildet eine Rundumprojektion im zentralen Raum des Pavillons: Schonungslos konfrontiert eine Filmcollage die Besucher*innen mit den räumlich-materiellen Ursachen und Folgen der urbanen Klimakrise. Heat-Maps, Animationen, Fotografien und Daten überlagern sich zu einer visuellen Montage – sie zeigt die Dimension und Bandbreite der Überhitzung der Stadt. Gleichzeitig führt der Film mit positiven Beispielen der urbanen Transformation vor Augen, wie überfällig die großflächige Umsetzung einfacher und bewährter Strategien ist. Der Film STRESSTEST wurde vom kuratorischen Team in Zusammenarbeit mit der Regisseurin Corinna zu Ortenburg entwickelt und mit dem Designstudio flora&faunavisions als immersive Rauminstallation realisiert.

STRESS und DESTRESS

Ausgehend vom Film entfaltet die Ausstellung zwei gegensätzliche Pole: STRESS und DESTRESS. In den STRESS-Räumen des Pavillons erfahren die Besucher*innen die Realität städtischer Hitze am eigenen Körper. Eine Skulptur des Künstlerduos Rasthofer/Neumaier mit dem Titel Strictura aus rohem Stahl verengt den Raum, lenkt Bewegungen, staut Luft und speichert Hitze. Sie schafft ein Klima der Dichte und Überhitzung, eine Atmosphäre, in der der Körper sich kaum noch thermisch regulieren kann. Eine Wärmebildkamera zeigt auf großformatigen Screens in Echtzeit, wie sich die Körpertemperatur im Bezug zur Raumtemperatur verändert. Diagramme, Karten sowie ein Temperaturmodell als räumliche Darstellung von Hitze veranschaulichen die komplexen Zusammenhänge zwischen Klima, baulicher Struktur und städtischem Leben. Die Konsequenzen eines „Weiter so“ werden den Besucher*innen unmittelbar und verständlich bewusst gemacht.

Im Kontrast dazu erwartet sie in den DESTRESS-Räumen eine Oase: kühl, ruhig, wohltuend – ein Raum, der einlädt, mit kühlem Kopf Strategien kennenzulernen, die unsere Städte zukunftsfähig machen. Hier wird offensichtlich, wie wirkungsvoll einfache Mittel sein können, wenn die Natur wieder Teil des urbanen Raums wird: Hohe Bäume spenden Schatten, ihre Blätter filtern das Licht, die Temperatur sinkt, die Luft zirkuliert, ein angenehmes Mikroklima entsteht. DESTRESS verdeutlicht konkrete Lösungen, in denen Architektur, Landschaftsarchitektur, Stadtplanung, Technologie und Wissenschaft nicht länger als rein funktionale oder gestaltende Disziplinen verstanden werden, sondern als integrale Bestandteile eines ganzheitlichen, klimaresilienten Systems.

SCHWARM und ZEICHEN

Kunst bildet das Bindeglied zwischen abstraktem Wissen und körperlicher Erfahrung des STRESSTEST: Auf dem Dach des Deutschen Pavillons erhebt sich ein Schwarm aus rot-weiß gestreiften Windhosen, die bis in sieben Meter Höhe reichen: Ein weithin sichtbares, international lesbares Signal in den Giardini. Jede Windhose folgt einem eigenen Rhythmus, beeinflusst von Höhe, Position und wechselnden Strömungen. Die filigrane Installation Schwarm des Künstlers Christoph Brech verweist auf die Unsicherheiten und Dynamiken eines sich verändernden Klimas. Sie macht Luftströmungen sichtbar und setzt sich auf poetische Weise mit dem komplexen Zusammenspiel klimatischer Phänomene auseinander. Zugleich verweist sie auf das ambivalente Wesen des Windes: mal kühlend und lebensspendend, mal zerstörerisch. Wie die Windhosen auf dem Dach verweist auch Brechs Videoarbeit Zeichen im Eingang des Pavillons auf die Dringlichkeit des Augenblicks: Eine Glocke schlägt: ihr Klang mahnt an das Verrinnen der Zeit, an den kritischen Moment, in dem entschiedenes Handeln notwendig wird.

NATURAL, ARTIFICIAL, COLLECTIVE

Der deutsche Beitrag zur 19. Architekturausstellung in Venedig reflektiert das Thema Carlo Rattis, „Intelligens. Natural. Artificial. Collective“, das Architektur als vernetzte Praxis zwischen ökologischen, technologischen und sozialen Systemen versteht. Ganz in diesem Sinne zeigt STRESSTEST, dass grüne Infrastrukturen, innovative Technologien und interdisziplinäre Zusammenarbeit die entscheidenden Hebel sind, um Städte widerstandsfähiger, gesünder und lebenswerter zu machen.
Nachhaltigkeit

Die Ausstellung STRESSTEST bezieht ihre Energie aus der ersten Photovoltaikanlage, die jemals auf einem historischen Monument in Venedig installiert wurde. Die Solaranlage bleibt auch nach Ende der Ausstellung auf dem Dach des Deutschen Pavillons bestehen. Alle verwendeten Materialien sind Teil eines zirkulären Ressourcenkreislaufs: Einige stammen von der Biennale Arte 2024, andere sind geliehen oder bereits für eine spätere Wiederverwendung bestimmt. Die im Deutschen Pavillon gepflanzten Bäume werden nach der Ausstellung in Venedig gepflanzt — ein nachhaltiger Beitrag zu kühleren Städten und einer geteilten Resilienz.

Katalog

Begleitend erscheint der Katalog STRESSTEST im Distanz Verlag. Auch er spricht die Sinne an – mit assoziativen Bildstrecken zu STRESS und DE-STRESS. Beiträge von Autor*innen aus verschiedenen Bereichen wie Gesundheit, Soziologie, Stadtplanung, Landschaftsarchitektur und Wirtschaft vertiefen die Fakten und Daten.
STRESSTEST (dt. und engl. Ausgabe), DISTANZ Verlag , Berlin
Hsg: Nicola Borgmann, Elisabeth Endres, Gabriele G. Kiefer, Daniele Santucci
Gestaltung: Designbuero Josef Grillmeier
Umfang: 260 Seiten, ISBN: 978-3-95476-740-3

TEAM STRESSTEST

Kommissar:
Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
Kurator*innen: Nicola Borgmann, Elisabeth Endres, Gabriele G. Kiefer, Daniele Santucci
Fachliche Begleitung: Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen / Anne Keßler, Stephan Mayer, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung / Dr. Olaf Asendorf
Koordination: Maike Volkmer
Künstlerische Arbeiten: Christoph Brech, Rasthofer/Neumaier
Film:
Konzept, Drehbuch und Regie: Team Stresstest, Nicola Borgmann, Elisabeth Endres, Gabriele G. Kiefer, Daniele Santucci mit Corinna zu Ortenburg
Produktion: flora&faunavisions / Sebastian Grebing, Julian Kinces, Milena Mayer, Leigh Sachwitz
Projektionstechnik: Luminaten / Andreas Schwarzburger, Steve Bendig
Kamera: Felix Raitz von Fentz
Wärmebilder: Gustav Götze