SPEED – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (BRD 2012)


Camino Filmverleih             Spieldauer: 97 Min.            Kinostart: 27. Sept. 2012

Zum Trailer: Speed             Ein Film von Florian Opitz

In seinem Dokufilm begibt sich der Filmemacher und Autor Florian Opitz auf die Suche nach der verlorenen Zeit. Wo ist nur die Zeit geblieben, die wir mühsam mit all den neuen Technologien und Effizienzmodellen eingespart haben? Opitz begegnet Menschen, die die Beschleunigung vorantreiben und solche, die sich trauen, Alternativen zur allgegenwärtigen Rastlosigkeit zu leben. Er befragt Zeitmanagement – Experten, Therapeuten und Wissenschaftler nach Ursachen und Auswirkungen der chronischen Zeitnot. Er trifft Unternehmensberater und Akteure, die im internationalen Finanzmarkt aktiv sind, die an der Zeitschraube drehen. Und er lernt Menschen kennen, die aus ihrem ganz privaten Hamsterrad ausgestiegen sind und solche, die nach gesellschaftlichen Alternativen suchen. Auf seiner Suche entdeckt er: ein anderes Tempo ist möglich, wir müssen es nur wollen. Nicht zuletzt spinnt Opitz auch eigene Familiengedanken in das Poesiealbum der Zeitsuche ein.

Camino Filmverleih                Spieldauer: 97 Minuten           Kinostart: 27. September 2012

Zum Trailer: Speed              Ein Film von Florian Opitz

In seinem Dokufilm begibt sich der Filmemacher und Autor Florian Opitz auf die Suche nach der verlorenen Zeit. Wo ist nur die Zeit geblieben, die wir mühsam mit all den neuen Technologien und Effizienzmodellen eingespart haben? Opitz begegnet Menschen, die die Beschleunigung vorantreiben und solche, die sich trauen, Alternativen zur allgegenwärtigen Rastlosigkeit zu leben. Er befragt Zeitmanagement – Experten, Therapeuten und Wissenschaftler nach Ursachen und Auswirkungen der chronischen Zeitnot. Er trifft Unternehmensberater und Akteure, die im internationalen Finanzmarkt aktiv sind, die an der Zeitschraube drehen. Und er lernt Menschen kennen, die aus ihrem ganz privaten Hamsterrad ausgestiegen sind und solche, die nach gesellschaftlichen Alternativen suchen. Auf seiner Suche entdeckt er: ein anderes Tempo ist möglich, wir müssen es nur wollen. Nicht zuletzt spinnt Opitz auch eigene Familiengedanken in das Poesiealbum der Zeitsuche ein.

Familienfotos

Ein privates Dilemma: Der junge Familienvater Florian Opitz stellt fest, dass etwas mit seinem Leben nicht stimmt: „Ich habe keine Zeit. So sehr ich mich auch bemühe, ich habe immer viel zu wenig Zeit für das, was ich mir vornehme. Wenn ich einen Punkt auf meiner To-Do-Liste abgearbeitet habe, kommen unten fünf neue hinzu.“ Als ihm dann auch noch drei sehr einschneidende Ereignisse – seine mehrmonatige Inhaftierung in Nigeria, die Geburt von Sohn Anton und der Tod des Vaters – bewusst machen, wie endlich das Leben ist, und die wichtigen Dinge nicht ewig aufgeschoben gehören, beschließt er, gegen sein Zeitproblem vorzugehen. In seinen Recherchen stellt Opitz fest, dass er mit seinem Problem nicht allein dasteht. Im Gegenteil, das Burnout ‐Syndrom breitet sich rasant aus. Die Ratgeberliteratur zum Thema Zeitmanagement boomt.

Zum Auftakt seiner Suche meldet sich Opitz im Seminar des „Zeitmanagers“ Lothar Seiwert an. Die Veranstaltung ist ebenso skurril wie enttäuschend. Der Keynote-Sprecher und Autor von Büchern wie „Mehr Zeit für das Wesentliche“ und „Die Baren-Strategie“ führt Zaubertricks vor und rät, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. „Na toll“, findet Opitz. „Das weiß ich auch schon. Nur gelingt mir ja genau das nicht.“

Aufschlussreicher ist da schon der Besuch in der Praxis des Burnout-Experten Bernd Sprenger. Der Therapeut diagnostiziert bei Opitz zwar keinen akuten Burnout, aber sehr wohl Verhaltensmuster, die zu einem Burnout führen können. Wer sich, wie der Filmemacher, schlecht abgrenzen kann, gerät schnell in Gefahr, sich zu überfordern. Sprenger empfiehlt einen Selbsttest: Handy und Internet nur noch zu festen Zeiten benutzen. „Wenn Sie süchtig sind, kommen Sie auf Entzug“. Und Opitz hat zu kämpfen…

In München trifft Opitz im Hochhaus der Süddeutschen Zeitung auf den Redakteur Alex Rühle, der sich einem solchen Selbsttest unterzogen hat. Ein halbes Jahr lang hat er auf Internet und Mobiltelefon komplett verzichtet. Rühle erzählt von seiner Smartphone‐Sucht, Entzugserscheinungen und den Schwierigkeiten, sich in einer inzwischen fast komplett digitalen Welt analog fortzubewegen, aber auch vom Nachlassen der Nervosität, von der Befreiung des Total ‐ Informiertheits ‐ Zwangs und von der Rückkehr des Feierabends, der sich in seinem Leben „fast aufgelöst“ hatte.

Im idyllischen Garten des Zeitforschers Professor Geißler verbreitet einzig das Mobiltelefon des Filmemachers Optiz Hektik. Geißler, der die Ruhe selbst zu sein scheint, erläutert, dass das Zeitempfinden des modernen Menschen sich dagegen immer stärker an der Uhr, den Maschinen und dem Internet orientiert, die bekanntermaßen rund um die Uhr im Einsatz sind und keine Pause kennen. Opitz, da ist er sich sicher, möchte nicht so funktionieren wie eine Maschine, und stellt am Ende des ersten Teils fest: nicht nur er selbst, „die ganze Gesellschaft ist auf Speed“.

Die Suche

Der zweite Teil des Films untersucht die gesellschaftliche Dimension der Beschleunigung. Dazu befragt Florian Opitz Hartmut Rosa, Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und trifft auf Menschen, die zur Beschleunigung der Gesellschaft beitragen. Rosas Arbeitsgebiete sind u.a. Zeitdiagnose, Subjekt- und Identitätstheorien, Zeitsoziologie und Beschleunigungstheorie sowie Soziologie der Weltbeziehung.

Opitz‘ erste Gesprächspartnerin, Antonella Mei-Pochler gehört zu den 20 gefragtesten Unternehmensberatern der Welt. Während sie ihr Fahrer vom Flughafen zum ersten Termin des Tages fährt und sie in ihr Smartphone tippt, erklärt Frau Mei-Pochler, dass Zeit und insbesondere der Zeitwettbewerb heute der wichtigste Faktor ist, um sich heutzutage im Markt durchzusetzen. Wer schneller reagiert und effizienter produziert als die Konkurrenz, gewinnt. Genau dabei helfe sie ihren Kunden, Unternehmensberater seien Beschleuniger, ihr Job eine Art minimal invasive Form der Weltverbesserung.

In der wuseligen Londoner Konzernzentrale der Nachrichtenagentur Reuters macht sich Opitz ein Bild davon, bei welchem Tempo die Welt der Wirtschaft inzwischen angekommen ist. Bei Reuters, einem Unternehmen, das der breiten Öffentlichkeit vor allem als Nachrichtenagentur bekannt ist, das aber inzwischen 95% seines Umsatzes mit Informationen für die Finanzindustrie erwirtschaftet, werden den Kunden Nachrichten inzwischen rund um die Uhr und in Bruchteilen von Sekunden geliefert. Die Börsensoftware 3000xtra, die Opitz vorgeführt wird, versorgt Spekulanten mit Börsenkursen und relevanten Nachrichten, die 24 Stunden am Tag Börsenhandel in Echtzeit ermöglichen. Doch das setzt ja noch die geistige Mitarbeit eines Menschen, in diesem Falle eines Brokers voraus. An den Finanzmärkten ist man längst noch schneller und Reuters bietet dafür die Infrastruktur.

Beim vollautomatisierten Börsenhandel reagieren Computer in Mikrosekunden, also Millionstel von Sekunden, auf Kursänderungen und relevante Nachrichten. Bereits 90  Prozent aller Finanztransaktionen werden über solche “Black Boxes“-oder „algorithmische“ Maschinen abgewickelt. Der Mensch ist für ein Großteil dessen, was an den Finanzmärkten, passiert, viel zu langsam, muss Opitz ernüchtert feststellen. Er spielt daher auch keine Rolle mehr.

Die rasante Entwicklung der Technik, erläutert der bekannte Soziologe Hartmut Rosa, generiert sozialen Wandel, der wiederum den Wunsch nach noch schnellerer Technik hervorruft. Ein Teufelskreis der Beschleunigung entsteht, dessen Grenzen nicht absehbar sind. Auch chemisch-genetisch-technische Veränderungen des Menschen sind denkbar, um ihn an die immer größeren Geschwindigkeiten anzupassen. Allerdings, so Rosa, sollte die Frage nicht lauten. „Was können wir aushalten?“, sondern „Wie viel Geschwindigkeit ist gut für ein gutes Leben?“

Das Hamsterrad

Im dritten Teil spürt Florian Opitz Menschen und Modelle auf, die Alternativen zum Hamsterrad bieten. Die Beantwortung der Frage „Wie sieht es überhaupt aus, das gute Leben?“ führt ihn zunächst zu Rudolf Wötzel. Der ehemalige Investment-Banker bei Lehman Brothers absolviert gerade ein Praktikum als Berghüttenwirt. Während er etwas unbeholfen Kartoffeln schält, berichtet er, wie er als Investment-Banker immer stärker den Kontakt zur Wirklichkeit verloren und schließlich die Reißleine gezogen hat. Er kündigte, wanderte ein halbes Jahr lang durch die Alpen und beschloss danach, Hüttenwirt zu werden. Das Aussteigerleben scheint ihm gut zu bekommen, aber gibt es das gute Leben auch, wenn man vorher nicht finanziell ausgesorgt hat?

Opitz findet es bei den Batzlis, einer Bergbauernfamilie aus der Schweiz, deren Alltag er einige Zeit lang teilt. Drei Generationen leben und arbeiten hier unter einem Dach. Im Sommer lebt ein Teil der Familie mit den Milchkühen auf 2400 Metern auf einer Alp und produziert auf traditionelle Weise Käse, der Rest der Familie bringt im Tal das Heu für den Winter ein. Obwohl die Arbeit körperlich hart ist und von fünf Uhr früh bis neun Uhr abends geht, und auch die Batzlis nicht vom knallharten Wettbewerb und dem damit verbundenen Preisverfall bei Lebensmitteln verschont bleiben, sind sie sehr zufrieden, ja glücklich, mit ihrem Leben. Sie leben im Rhythmus der Natur – und sind Herren über ihre eigene Zeit. So sehr Opitz die Batzlis um ihr Leben beneidet, eine realistische Alternative für Millionen von Stadtbewohnern ist solch ein Leben nicht.

Doch irgendwo muss es doch eine Alternative für alle geben. Eine Art der Entschleunigung in der der Lebensstil der Batzlis kein Auslaufmodell ist. Die Suche nach einer solchen Alternative führt Opitz nach Patagonien zu Douglas Tompkins, dem Gründer von „Esprit“ und „The North Face“. Für Tompkins hat sich unser umweltfeindlicher und ressourcenfressender Hightech – und Hochgeschwindigkeitslebensstil überlebt.

Er führe die Welt zum Totalschaden und zum Kollaps. Ein Gegenmittel sieht Tompkins in einer totalen Entschleunigung der Wirtschafts- und Lebenskreisläufe, an der der umtriebige Multimillionär nach Kräften arbeitet. „Ich beschleunige die Entschleunigung“, sagt Tompkis. Er kauft mit seinem Vermögen riesige Landstriche in Patagonien, renaturiert sie und gibt sie der Bevölkerung als Nationalpark zurück. Er will sie der industriellen Ausbeutung entziehen. Auf seinem Land lässt er verschiedene Formen des langsamen und nachhaltigen Wirtschaftens ausprobieren. Denn Tompkins ist sich sicher: Ein weiteres Wachstum ist tödlich für unseren Planeten.

Die Suche nach einer wirklichen Alternative für die Mehrheit der Bevölkerung führt Opitz schließlich nach Bhutan zu den „Erfindern“ des „Bruttonationalglücks“. In dem kleinen Bergstaat zwischen China und Indien, der noch bis in die 90er Jahre hinein nur zu Fuß zu erreichen war, trifft er Karma Tshiteen, den Minister für Bruttonationalglück und Dasho Karma Ura, den Präsidenten des „Centre for Bhutan Studies“. Sie erläutern, dass die Verfassung Bhutans das Glück der Bürger über die wirtschaftliche Entwicklung des Landes stellt. Dass das nicht nur eine gut gemeinte theoretische Phrase ist, sondern in Bhutan mit wissenschaftlicher Akribie auch in konkrete Politik umgesetzt wird, davon überzeugt sich Opitz auf einer Reise durchs Land. Bestandteile dieses „Glücks“ sind unter anderem die Sicherung der Grundbedürfnisse (Nahrung, Kleidung, Gesundheit), sowie Bildung, Gemeinschaft, Pflege der Traditionen, Umweltschutz, das seelische Wohl des Einzelnen und: ausreichend freie Zeit. Opitz ist beeindruckt von diesem Versuch, eine Alternative zum Modell des beschleunigten Kapitalismus umzusetzen. Aber Bhutan ist weit weg, und der hier eingeschlagene Weg einer, der sehr spezifisch auf das kleine Land und seine buddhistische Tradition zugeschnitten ist. Gibt es denn bei uns keine Ideen oder Utopien in dieser Richtung, fragt sich Opitz.

In Deutschland zielt das Konzept des „bedingungslosen Grundeinkommens“, das seit geraumer Zeit von den unterschiedlichsten politischen Strömungen diskutiert wird, in eine ähnliche Richtung. Die Idee: jeder Bürger erhält vom Staat ein festes Einkommen, das seine Grundbedürfnisse absichert und an das keine Bedingungen geknüpft sind. Das könnte nach Ansicht von Hartmut Rosa ein Hebel sein, der an genau den richtigen Stellen der Beschleunigungslogik unserer Gesellschaft ansetzt. Wenn ein würdevolles Dasein für alle garantiert wäre, würden Wettbewerb, Wachstum und Beschleunigungslogik nicht abgeschafft, aber möglicherweise auf ein überschaubares Maß herunter gebrochen. Die Ökonomie würde ihre alles dominierende Rolle verlieren. Und wir könnten wieder darüber nachdenken, wie wir eigentlich leben wollen.“

Fazit

Am Schluss seines Films zieht Opitz Bilanz: „Was hat mir meine Suche gebracht? Schwer zu sagen. Eine Universalformel für ein entschleunigtes und gutes Leben gibt es wohl nicht. Leider. Doch warum sollte sich dieses System eigentlich nicht verändern oder gar auswechseln lassen? Wir müssten nur endlich unsere Fantasielosigkeit überwinden, uns für echte Alternativen einsetzen. Egal, ob sie nun Bruttonationalglück, Wachstumsverzicht, Grundeinkommen oder sonst wie heißen. Sonst werden wir uns nie aus diesem Hamsterrad befreien. Ich selbst versuche jetzt erst mal, mein eigenes Leben in den Griff zu kriegen, nicht mehr so viel hinein zu stopfen, mehr den Moment zu genießen, einfach mal nichts zu tun. Klingt banal. Ist aber gar nicht so einfach.“

 

Buch und Regie: Florian Opitz; Produzent: Oliver Stoltz; Kamera: Andy Lehmann; Schnitt: Annette Muff; Ton: Max Pellnitz; Filmmusik: Von Spar; Redaktion: Sabine Rollberg (WDR/ arte) Renate Stegmüller (BR), Jutta Krug (WDR); Producer: Wekas Gaba; Produktion: Dreamer Joint Venture Filmproduktion, WDR/ arte, BR;

Gefördert von: Film und Medienstiftung NRW Medienboard Berlin–‐Brandenburg FFA DFFF;
Verleih: Camino Filmverleih; Deutschland 2012; Dauer: 95 Min.; HD/35mm
Weitere Information: 
www.speed-derfilm.de

Das Buch: SPEED –‐ Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Florian Opitz, Riemann Verlag, München 2011