Der amerikanische Architekt Louis Kahn (1901-1974) gilt als einer der großen Baumeister des 20. Jahrhunderts. Mit komplexen Raumkompositionen und einer meisterhaften Licht-Choreographie schuf Kahn Bauten von archaischer Schönheit und universaler Symbolkraft. Ausstellung im Vitra Design Museum in Weil am Rhein.
Zu seinen wichtigsten Werken gehören das Salk Institute im kalifornischen La Jolla (1959-65), das Kimbell Art Museum im texanischen Fort Worth (1966-72), das Indian Institute of Management in Ahmedabad (1962-74) und das Parlament von Bangladesch in Dhaka (1962-83). Die erste Kahn-Retrospektive seit zwei Jahrzehnten umfaßt eine bislang noch nie präsentierte Vielfalt an Architekturmodellen, Originalzeichnungen und Reiseskizzen, Fotos und Filmen. Dabei werden alle wichtigen Projekte Kahns ausführlich dokumentiert – von seinen frühen Stadtplanungen und Einfamilienhäusern bis zu monumentalen Spätwerken wie dem Roosevelt Memorial (1973-74), das im Oktober 2012 posthum fertiggestellt wurde.
Zu den Höhepunkten der Ausstellung gehören ein vier Meter hohes Modell des spektakulären City Tower für Philadelphia (1952-57) sowie nie gezeigte Filmaufnahmen von Nathaniel Kahn, dem Regisseur des Films „My Architect“. Bereichert wird der Blick auf Kahns architektonisches Schaffen durch eine Auswahl von Reisezeichnungen, die einen neuen Blick auf Kahns künstlerische Tätigkeit werfen. Interviews mit Architekten wie Frank Gehry, Renzo Piano, Peter Zumthor oder Sou Fujimoto unterstreichen die heutige Bedeutung von Kahns Werk, das mit dieser Ausstellung wieder entdeckt und einem breiten Publikum zugänglich gemacht wird.
Begleitend zu „Louis Kahn – The Power of Architecture“ organisiert das Vitra Design Museum ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm mit Gästen wie Nathaniel Kahn, Charlie Koolhaas, Doshi Levien, Studio Mumbai und vielen mehr. In der Vitra Design Museum Gallery wird vom 1. Februar bis zum 26. Mai 2013 eine Ausstellung des deutschen Fotografen Thomas Florschuetz gezeigt. Sie präsentiert großformatige Aufnahmen von Bauten Louis Kahns, von Oscar Niemeyers Brasilia sowie vom Neuen Museum und dem Palast der Republik in Berlin. Zur Ausstellung ist ein 350-seitiger Katalog mit über 500 Abbildungen und Beiträgen namhafter Vitra Design Museum, Charles-Eames-Straße 2, D-79576 Weil am Rhein T +49.7621.702.3200, F +49.7621.702.3590, info@design-museum.de www.design-museum.de Salk Institute in La Jolla, Kalifornien, Louis Kahn, 1959–65 © The Architectural Archives, University of Pennsylvania, Foto: John Nicolais Kunst- und Architekturhistoriker wie Stanislaus von Moos, William J. R. Curtis, Eeva-Liisa Pelkonen oder Neil Levine erschienen. Die Ausstellung ist eine Kooperation des Vitra Design Museums mit den Architectural Archives der University of Pennsylvania, Philadelphia und dem Netherlands Architecture Institute, Rotterdam. Global Sponsor ist Swarovski. Die Ausstellung beginnt mit einer umfassenden Biografie, die den Besucher mit Filmen, persönlichen Dokumenten und Zeichnungen in Kahns Leben und Werk einführt. Als Sohn jüdischer Einwanderer aus Estland wuchs Kahn in Philadelphia auf, entdeckte bereits in der Jugend sein Interesse an den Künsten und studierte dort an einer der besten Architekturfakultäten des Landes. Schon Ende der 1920er Jahre machte Kahn seine erste Grand Tour durch die Niederlande, Deutschland, Italien und Griechenland, als Architect in Residence an der American Academy in Rom kehrte er 1950 nach Europa zurück und reiste bis nach Ägypten. Während Kahn als Dozent an der renommierten Yale University und an der University of Pennsylvania bereits hoch geschätzt war, erlebte er seinen internationalen Durchbruch als Architekt erst im Alter von fast 60 Jahren. Hatten Kahns Anfänge in den 1940er und 1950er Jahren in erster Linie dem Wohnungsbau und der Stadtplanung gegolten, wurde er ab 1960 vor allem durch seine institutionellen Bauten bekannt: Museen, Laboratorien, Sakralbauten, eine Universität und ein nationales Parlament. Seit dem Film „My Architect“ ist auch das komplizierte Privatleben von Kahn bekannt, das mehrere Familien umfasste: nach der frühen Heirat mit seiner Frau Esther war er mit der Architektin Anne Tyng und der Landschaftsarchitektin Harriet Pattison liiert, die beide auch starken Einfluss auf sein Werk ausübten. Steven und Toby Korman House, Fort Washington, Pennsylvania, Louis Kahn, 1971–73 © Barry Halkin Nach ihrer biografischen Einleitung ist die Ausstellung in sechs Themenbereiche gegliedert, die die zeitliche Entwicklung von Kahns Schaffen nachvollziehbar machen. Das Leitmotiv dafür liefert Kahns Suche nach Ursprüngen: In Architektur und Kunst, aber auch in der Naturwissenschaft, ja selbst in der Betrachtung menschlicher Verhaltensweisen und des gemeinschaftlichen Zusammenlebens. Eng mit Kahns Biographie verknüpft, widmet sich der erste Ausstellungsbereich Stadt seiner Beziehung zu Philadelphia, die er nach seiner Emigration als neue Heimat verstand und die zu einer Art Labor für die Entwicklung seiner eigenen urbanistischen und architektonischen Prinzipien wurde. In den 1940er Jahren wurde Kahn als sozial engagierter und pragmatisch denkender Planer von Stadtteilsanierungen ein Vordenker des amerikanischen „Urban Renewal“, in den 1950er und 1960er Jahren trat er mit zunehmend radikalen und phantastischen Vorschlägen für den Umbau der Innenstadt von Philadelphia an die Öffentlichkeit. Diese reichten von Ideen für eine fundamentale Neuorganisation der städtischen Verkehrsflüsse über die Konzeption der Innenstadt als weitläufiges, von gigantischen Parktürmen umgebenes Fußgängerreservat bis hin zu Plänen für eine damals in Philadelphia geplante Weltausstellung 1976. Der zweite Bereich Wissenschaft untersucht, wie Kahn ab den 1950er Jahren, auch im Zusammen-hang mit seiner Lehrtätigkeit in Yale und Philadelphia, nach Strukturgesetzen forschte, die der Natur selbst zu eigen sind und die eine Grundlage für die Erneuerung der Architektur liefern sollten. Inspi-riert von seiner damaligen Mitarbeiterin Anne Tyng sowie dem aus Frankreich stammenden Ingenieur Robert Le Ricolais, machte Kahn geometrische Strukturen, wie sie damals die Mikrobiologie als Bausteine des Lebens aufzeigte, zu einer neuen Grundlage architektonischer Formgebung. Dabei verband ihn ein enger Austausch mit Richard Buckminster Fuller, der wie Kahn in Yale lehrte. Seinen Durchbruch erlebte Kahns konstruktives Denken mit der Yale University Art Gallery in New Haven (1951-53) und den Richards Medical Laboratories in Philadelphia (1957-65), für die Kahn mit dem ebenfalls aus Estland emigrierten Ingenieur August E. Komendant völlig neuartige Methoden für das Bauen mit Beton entwickelte. Mit dem gewagten Projekt eines 180m hohen Verwaltungsgebäudes für Philadelphia (1952-57) erreichte Kahns „strukturalistischer“ Ansatz seinen Höhepunkt. Als offenes Fachwerk konzipiert, nahm der City Tower die Architektur des Metabolismus um Jahre vorweg und schlug Formen des Hochhausbaus vor, die erst ein halbes Jahrhundert später realisierbar wurden. Wohnzimmer des Norman und Doris Fisher House, Hatboro, Pennsylvania, Louis Kahn, 1960–67 © Grant Mudford Der dritte Bereich Landschaft verdeutlicht, wie die Natur Kahn nicht nur Inspirationen lieferte, sondern in der Folge auch als Kontext seiner Bauten immer wichtiger wurde. Dies zeigte sich an der Planung von Gärten als Fortsetzung der Architektur, wie beim Kimbell Art Museum (1966-72), an dem Harriet Pattison mitwirkte, aber auch bei dem zusammen mit Isamu Noguchi entworfenen Adele Levy Memorial Playground in New York (1961-66, nicht verwirklicht), bei dem die Erdoberfläche des Spielplatzgeländes skulptural überformt werden sollte. Ähnliche Bedeutung für Kahn hatten der Rückgriff auf tradierte und regionale Bautechniken sowie die passive Klimatisierung von Bauten durch Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten wie Sonnenstand und Windverhältnisse. Ihre dramatische Überhöhung und Stilisierung fanden diese Anliegen in einer raffinierten Choreographie des einfal-lenden Tageslichts. Louis Kahn am Design des Fisher House arbeitend, 1961 © Louis I. Kahn Collection, University of Pennsylvania and the Pennsylvania Historical and Museum Commission Kahns Suche nach einer stärkeren Verknüpfung von Architektur mit ihrer Umgebung bildete auch die Grundlage für seine Beschäftigung mit dem Haus, das für ihn einen Archetyp und den Ausgangspunkt für sein Verständnis von Architektur und Gemeinschaft darstellte. Hatte Kahn sich anfänglich noch mit Ideen des Funktionalismus beschäftigt – wie bei seinem aus Fertigbaumodulen zusammengesetzten Parasol House (1944, nicht verwirklicht) – zeigten sich in seinen Entwürfen ab Mitte der 1940er Jahre zunehmend regionale Einflüsse, inspiriert etwa durch die Bauten der ersten amerikanischen Siedler oder die Möbel der Shaker. Zugleich sah Kahn eine enge Verbindung zwischen der Organisation einer Stadt und eines Hauses – das Schlafzimmer setzte er dem Wohnviertel einer Stadt gleich, die Küche dem Industrieviertel und die Korridore den Straßen. Kahns Einfamilienhäuser wie das Esherick House (1959-62), das Fisher House (1960-67) oder das Korman House (1971-73) bestechen durch ihre Lichtführung, die Rhythmisierung ihrer Fassaden und durch eine raffinierte Kombination von Naturstein, Holz und Glas, die höchste handwerkliche Präzision erforderten. Blick auf den Petersdom in Rom, Italien, Louis Kahn, 1928/29 © Sue Ann Kahn, mit freundlicher Genehmigung von Lori Bookstein Fine Art, Foto: Paul Takeuchi 2012 Mit zunehmendem Erfolg als Architekt näherte sich Kahn einer Architektur, die eng mit den zeitlosen Grundlagen des Bauens verknüpft, technisch und konstruktiv jedoch radikal neu und zukunftsorientiert ist. Das dahinter stehende Ideal einer Ewigen Gegenwart war das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit der Architekturgeschichte und deren baulichen Archetypen, die Kahns Reisezeichnungen aus Italien, Griechenland und Ägypten besonders anschaulich dokumentieren. Zentral darin war Kahns Faszination für das Motiv der Ruine, bei der die Konstruktion, frei von Putz und Ornament, wieder unverfälscht zu Tage tritt und die im Zerfallsprozess wieder zu einem Teil der Land-schaft wird. Dieses Motiv spiegelt sich in der Kargheit und elementaren Materialität von Projekten wie der Hurva Synagoge für Jerusalem wider (1967-74, nicht verwirklicht). Auch in Kahns Entwürfen für Denkmäler und Mahnmale tritt Kahns Auseinandersetzung mit den monumentalen Aspekten des Bauens deutlich zu Tage, etwa in dem nicht verwirklichten Memorial to the Six Million Jewish Martyrs (New York, 1966-72) oder in dem aus riesigen Granitquadern geschaffenen Denkmal für den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt (geplant 1973-74), das im Oktober 2012 posthum an der Spitze von Roosevelt Island im East River in New York fertiggestellt wurde. Indian Institute of Management, Ahmedabad, Louis Kahn, 1962–74 © Louis I. Kahn Collection, University of Pennsylvania and the Pennsylvania Historical and Museum Commission Den Abschluss und Höhepunkt der Ausstellung bildet die Sektion Gemeinschaft, in der deutlich wird, wie essentiell für Kahn die gesellschaftliche Bedeutung der Architektur war und er daraus neue Formen für öffentliche Bauten ableitete. Kahn ist vermutlich der einzige Architekt überhaupt, der so-wohl eine Kirche (First Unitarian Church, Rochester, New York, 1959-62), als auch mehrere Synagogen sowie einen muslimischen Gebetsraum geplant hat. Schon hier zeigt sich, dass Kahns raumplanerische Konzepte jenseits ihrer konkreten Funktionalität immer auch Verbildlichungen gesellschaftspolitischer Ideen waren. Besonders deutlich wird dies beim Indian Institute of Management, Ahmedabad (1962-74) und dem Regierungskomplex von Bangladesch in Dhaka (1962-86), die als Höhepunkte von Kahns Werk betrachtet werden können. Errichtet mit den eingeschränkten Möglichkeiten regionaler Baumethoden und mit Hilfe hunderter lokaler Arbeitskräfte, wurden diese Bauten binnen kürzester Zeit zu Architekturikonen der zwei jungen Staaten, für die sie errichtet wurden. Ihre öffentlichen und halböffentlichen Räume ermöglichen nicht nur ein Maximum an Begegnung und Austausch, sondern bilden Bühnen für das tägliche Leben ihrer Besucher. Mit ihrer Synthese aus moderner Formensprache und regionalen Traditionen wurden diese Bauten zum Inbegriff einer Architektur, die nationale und kulturelle Grenzen überwindet und die sinnstiftenden Qualitäten der Baukunst neu erfindet. Zusammengenommen ergeben die sieben Ausstellungsbereiche ein neues Bild von Louis Kahns Schaffen, das sich gängigen Kategorien wie Moderne oder Postmoderne entzieht. Kahns Einmaligkeit besteht in seiner Synthese der großen Denktraditionen der architektonischen Moderne – von der École des Beaux-Arts, über den konstruktiven Rationalismus des 19. Jahrhunderts und die Arts & Crafts Bewegung bis zur Bauhaus-Moderne –, angereichert durch die Berücksichtigung indigener, nicht-westlicher Bautraditionen. Strömungen wie dem Metabolismus oder Brutalismus gab Kahn ent-scheidende Impulse, hochaktuelle Aspekte des Bauens nahm Kahn vorweg, sei es die Rückbesinnung auf lokale Ressourcen oder auf „weiche“ Faktoren wie Luft, Licht und Wasser. Er sah sich als Teil einer Jahrtausende überspannenden Tradition, die die Architektur nicht nur als Mittel utilitärer Bedürfnisbefriedigung versteht, sondern als Instrument der künstlerischen Spekulation und des Nachdenkens über Natur, Geschichte und menschliche Gemeinschaft. Louis Kahn starb am 17. März 1974 auf der Rückreise aus Indien in der New Yorker Pennsylvania Station, unterwegs ins heimatliche Philadelphia. Parlamentsgebäude in Dhaka, Bangladesch, Louis Kahn, 1962–83 © Raymond Meier Die Ausstellung ist eine Kooperation des Vitra Design Museums mit den Architectural Archives der University of Pennsylvania, Philadelphia und dem NAI part of The New Institute, Rotterdam. Das Vitra Design Museum dankt dem Hauptsponsor Swarovski, der, im Rahmen seiner kulturellen Arbeit, durch sein großzügiges Engagement zur Wiederentdeckung eines wichtigen Architekten beigetragen hat. Die Ausstellung ist eine Kooperation des Vitra Design Museums mit den Architectural Archives der University of Pennsylvania, Philadelphia und dem Nederlands Architectuur Instituut, Rotterdam. Kuratoren: Stanislaus von Moos, Kunsthistoriker Jochen Eisenbrand, Vitra Design Museum Öffnungszeiten: Täglich 10 – 18 Uhr Eintritt: 9,00 €, ermäßigt 7,00 €, Kinder unter 12 Jahren frei Öffentliche Führungen: jeden Samstag, Sonntag und Feiertag um 11 Uhr Anzahl Exponate: Ca. 60 Architekturmodelle, 70 Originalzeichnungen, 20 Reiseskizzen, Fotografien, sowie ein Dutzend historischer und neu produzierter Filme Leihgeber: Architectural Archives of the University of Pennsylvania, Philadelphia; Museum of Modern Art, New York; Yale University Art Gallery, New Haven; Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main; u. a. Katalog: Louis Kahn – The Power of Architecture Hardcover, 32 × 24 cm, 354 Seiten, ca. 250 farb., ca. 250 s/w Abb. Hrsg.: Mateo Kries, Jochen Eisenbrand, Stanislaus von Moos Deutsche Ausgabe ISBN 978-3-931936-91-4 Art.-Nr. 20080701 Englische Ausgabe ISBN 978-3-931936-92-1 Art.-Nr. 20080702 Gäste im Rahmenprogramm: Nathaniel Kahn, Zaha Hadid, Sou Fujimoto, Charlie Koolhaas, David Adjaye, Francis Keré, Simon Velez und viele mehr. Weitere Informati-onen: www.design-museum.de/Veranstaltungen