Haus Schloßstraße in Frankfurt von Architekt Stefan Forster


Warum die Schloßstraße in Frankfurt-Bockenheim ihren Namen trägt, weiß beinahe niemand mehr, denn ein Schloss ist hier, wie beinahe in der gesamten Stadt, weit und breit nicht zu finden. Frankfurt am Main war von je her Freie Stadt, einem längst vergangenen Status etwa vergleichbar mit den Hansestädten des Nordens. Mondän feudalistisch geprägte Schlossanlagen fehlen deshalb völlig, besonders solche die durch eine langgestreckte symmetrische Bauform auffallen, wie das aus vielen Residenzstädten der Republik sonst bekannt ist.

Der durch Kriegszerstörungen verursachte Wiederaufbau in den 1950er und 60er Jahren lieferte dann eine nur mehr an Banalität angrenzende Tristesse auf der stark befahrenen Schloßstraße, was darauf hindeutet, dass die Strecke nicht viel an Wohnlichkeit und Lebensqualität vorhält und vielmehr als Erweiterung des Autobahnzubringers dient, der über die Verlängerung der Ludwig-Landmann Straße hinaus bis direkt in die von Fahrzeugen stark frequentierte Innenstadt reicht. Entsprechend gefährlich kann die Verkehrslage auf der vierspurigen Schloßstraße sein, die besonders häufig von Schulkindern auf dem Heimweg oder zur Schule überquert wird. Das Gleisbett in der Mitte der Fahrbahnen wird nur selten von Zügen genutzt, denn eine Straßen- oder U-Bahnlinie mit Publikum fährt hier nicht mehr. Dadurch erhält die Autostraße an sich schon einen Zuschub an Schnittigkeit, was manchen, die an der Ampel stehen und warten, fast unüberwindbar erscheint, da jene Fußgängerampeln ausgerechnet an den falschen oder an zu wenigen Übergangsstellen aufgestellt wurden und ausschließlich autofahrerfreundlich schalten. Einzige Abwechslung an der langgestreckten Asphaltanlage ist eine kleine Idylle, auch Von Bernus Park genannt. Es handelt sich um eine historische Parkanlage mit hohem und altem Baumbestand, einem Teich, Fußgängerwegen und Kinderspielplatz. Der Park hat Tag und Nacht geöffnet. Die schmiedeeisernen Tore aus historischem Bestand der ehemaligen Schlossanlage befinden sich als letztes Überbleibsel an Ein- und Ausgang und sind stets offen.

September 2018

Die mit gerade mal anderthalb Hektar nicht sehr große Anlage ist durch Sandsteinmauern und mit Zäunen begrenzt, nur erreichbar durch ein altes Tor an der Schönhofstraße und über weitere Zugänge an Werra-, Salvador-Allende- und eben Schloßstraße. Der Park wurde 1771 für das Schloss der Prinzessin Henriette Amalie von Anhalt-Dessau angelegt, das auch der Straße ihren Namen gab. Der Barockbau selbst wurde im September 1944 durch Bomben zerstört. Doch die Grünanlage mit ihren wertvollen Bäumen, einem Ententeich mit einer steinernen Brücke ist erhalten geblieben. 1952 kaufte die Stadt Frankfurt den Park aus dem von Bernus’schen Besitz. Seitdem ist er für die Öffentlichkeit zugänglich und wird von Spaziergängern häufig genutzt. Daneben finden sich Kinderspielplätze im Park, der in den Jahren 2014-15 saniert wurde. Bemerkenswert für städtische Verhältnisse ist auch die vielfältige Tier- und Vogelwelt, die im Park vorkommt und sich neben vielen Insektenarten dort angesiedelt hat.

Die Frankfurter Investoren Ardi Goldman und Ronny Weiner, denen schon das benachbarte zehngeschossige Wohnhochhaus gehört, trafen sich mit dem Architekten Stefan Forster. Ein vormals gastronomisch genutzter Flachbau an der Schloßstraße war schon länger im Besitz der beiden Investoren und stand schon länger leer. Goldmann und Weiner beauftragten Forster, für den vor allem wegen des angrenzenden Parks attraktiven Standort ein Wohnhaus zu planen. Als Besonderheit kam noch hinzu: Mit diesem Haus sollte auch Deutschlands erster veganer Kinderladen einziehen. Die privaten Betreiber waren auf Goldman zugegangen. den das Konzept überzeugte. Über Sinn und Unsinn veganer Kitas zu diskutieren, stellte sich nicht und wenn, erst an anderer Stelle.

Ein rundherum leuchtendes Rot eines sonst normalen Hauses, das sich mit seinem traufständigen Satteldach einfügt und die Bebauungslinien der Nachbarhäuser aufnimmt bzw. zwischen diesen vermittelt. Die durch und durch rote Fassade gilt als Markenzeichen des Architekten Stefan Forster, der in dieser Weise in charakteristischem Rot noch mehrere Bauten in Frankfurt und andernorts umsetzen ließ.

Die Fassaden des Wohnhauses nehmen Bezug auf die städtebauliche Situation, die im Nordosten durch die stark befahrene Ausfallstraße und im Südwesten durch den beschaulichen Park dominiert wird: Einfach-reduzierte Lochfassaden gliedern die Straßen- und die beiden Giebelseiten, während sich die Rückseite mit bodentiefen Fenstern und Loggien zum Kita-Garten und dem Park hin öffnet. Die Verteilung der Fensteröffnungen wirkt deshalb gleichmäßig, fast auf ein Raster hin verteilt gleichmäßig, was von Weitem aus betrachtet eine Vorstellung von den Grundrissen der Wohnungen nur schwerlich zulässt. Auffällig sind die großen Fenstergauben auf dem Dach, deren Öffnungen größer sind als Fensteröffnungen in der Hauswand, wodurch leicht der Eindruck des flächig vergrößerten Atelierfensters auf dem Dach entsteht.

Das Erdgeschoss und ein Teil des ersten Obergeschosses beherbergen den Veggie-Kinderladen, über den großen Rest verteilen sich 13 hochwertig ausgestattete Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen mit Größen zwischen 50 und 90 Quadratmetern. Die Mieten orientieren sich an der ortsüblichen Preisskala – bei Neuvermietungen liegt der Durchschnittspreis inzwischen bei 18 Euro pro Quadratmeter, wie aus der F.A.Z. zu erfahren war. Die Wohnungen im Haus an der Schloßstraße waren, wie dies auch nicht anders zu erwarten war, schnell belegt.

Das Wohnhaus zählte zu den Nominierungen des diesjährigen DAM-Preises und wurde in der zugehörigen Publikation: Deutsches Architektur Jahrbuch 2020 mit Beitrag in Textform und mit zahlreichen Bildern gewürdigt.

Foto (c) Kulturexpress

www.dam-preis.de/de/81/dam-preis-2020/nominierungen

Architekturbüro
Stefan Forster Architekten
Carl-von-Noorden-Platz 5
60596 Frankfurt am Main
http://www.sfa.de

Anzahl Wohnungen: 13 (+ KiTa)
Geschossfläche: 1.600 m²
Baubeginn: 01/2017
Fertigstellung: 03/2018
Leistungsphasen: 1-5

Projektteam
Sonja Wollersheim, Projektleitung
Frank Baum, Mitarbeit
Ildikó Návay, Mitarbeit
Benjamin Metz, Mitarbeit

Bauherren
GbR Goldman/Weiner Ivo Nikolov, Projektleitung

Beteiligtes Architekturbüro
Bauleitung: Dobberstein Architekten
Zum Gipfelhof 3
60594 Frankfurt am Main
http://www.dobberstein-architekten.de

Tragwerksplanung
Schwarzbart + Partner Ingenieure Partnerschaftsgesellschaft mbB, Frankfurt am Main

Haustechnik
Ingenieurbüro Auffenberg, Frankfurt am Main

Landschaftsarchitektur
Bernhard RUDOLPH Garten- und Landschaftsbau GmbH, Obertshausen