DIE OBSKUREN GESCHICHTEN EINES ZUGREISENDEN Regie: Aritz Moreno (Spanien) In bester Tradition surrealistischen Filmemachens


Kinostart 20. August 2020: Eine schräge, visuelle und bisweilen zutiefst beunruhigende Schwarze Komödie. Regisseur Aritz Moreno hat einen brillanten Film geschaffen, in dem die Kunst des Erzählens selbst zur Hauptfigur wird, als würden Luis Buñuel und Salvador Dalí noch einmal zusammenarbeiten. Der Aspekt des Surrealen wurde mit ziemlicher Genauigkeit im Film getroffen, wer begeistert ist von dieser Art des ungewöhnlichen Filmemachens, darf die “Obskuren Geschichten…” nicht versäumen.

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Filmposter

Die Verlegerin Helga Pato wird während einer Zugfahrt von dem Psychiater Ángel Sanagustin angesprochen. Um die Zugfahrt etwas angenehmer zu gestalten, beginnt er, ihr seine Lebensgeschichte und insbesondere von seinem ungewöhnlichsten Fall zu erzählen: Die Geschichte des Patienten, der Soldat war: Im Krieg begegnete er einer Ärztin, die ein Kinderkrankenhaus unter den widrigsten Umständen erhalten möchte und dabei auf eine zwielichtige Gestalt stößt, die Verstörendes erblickt. Nach dem Matroschka- Prinzip wird Helga Pato in immer tiefere Schichten der Erzählung hineingezogen. Das zufällige Zusammentreffen mit dem Psychiater wird unwiderruflich die Zukunft der Verlegerin als auch die der Figuren aus den Geschichten bestimmen, die in einer Serie von unvorhersehbaren Ereignissen verwickelt sind, die sich Schicht für Schicht ineinander verweben, bis sie einen wahnsinnigen Höhepunkt erreichen.

Hundeliebhaber Emilio (Quim Gutiérrez) hat den einen oder anderen Abgrund zu bieten. Foto © David Herranz

Der szenische Ideenablauf  im Film ist gelungen. Der Zuschauer bekommt nicht zu viel versprochen, die surreale Ansicht der Welt erreicht eigenständige Dynamik. Einziges Manko in diesem Zusammenspiel ist meiner Meinung die Szene, in der die Frau zum Hund degradiert wird. Ich frage mich, inwieweit hier ein Mechanismus angesprochen wurde, der sich ab einem gewissen Punkt verselbständigt, so dass sich gar nicht mehr die Frage nach einer surrealen Idee stellt, sondern ein tiefgründiger Vorwurf zum Vorschein kommt, wonach Frau ein Wesen ist, das unter dem Mann steht, indem sie wie ein Hund mit Halsband auf allen Vieren läuft. Folgt sie nicht der Aufforderung, so zu tun als wäre sie ein Hund, muss sie mit Strafe rechnen. Wie bestimmungslos muss eine Frau eigentlich sein, um auf diese Weise behandelt zu werden? Wo ist der Unterschied zwischen Tier und Mensch geblieben? Der Geist des Menschen wird auf Verhaltensweisen eines Hundes herabgewürdigt. Was will der Mann von der Frau, wenn er solche Handlungen verlangt? Bloßer Fetisch ist zu wenig um als surreale Idee Wirkung zu bewahren und tragend zu sein. Die Handlung kann nur im Kontext zum gesamten Film “Obskure Geschichten…” gesehen werden. Mir jedenfalls ist die Szene des zum Hund werden zu stark gewesen, zynisch und zu wenig künstlerisch ausgestaltet, so dass Akteure Gelegenheit haben sich zu artikulieren, um nicht unvermittelt in eine negative Täter-Opfer Rolle gedrängt zu werden. 

Spanischer Originaltitel: Ventajas de viajar en tren   Spieldauer: 103 Minuten   FSK: ab 16 Jahren  Verleih: Neue Visionen Filmverleih

Cast

Martin Urales de Úbeda Luis Tosar
Helga Pato Pilar Castro
Ángel Sanagustin Ernesto Alterio
Emilio Quim Gutiérrez
Amelia Urales de Úbeda Belén Cuesta
Rosa Macarena García
Cristóbal de la Hoz Javier Godino
Doctora Linares Stéphanie Magnin
Padre de Martin Ramón Barea
W Alberto San Juan
besondere Zusammenarbeit mit
Leandro Cabrea Gilbert Melki
Gárate Javier Botet

Crew

Regie Aritz Moreno
Drehbuch Javier Gullón
Romanvorlage Antonio Orejudo
Produzenten Merry Colomer, Leire Apellantz, Juan Gordon
Ausführende Produzenten Pilar Benito, Eric Tavitian
Kamera Javi Agirre Erauso
Art Director Mikel Serrano
Soundtrack Cristóbal Tapia de Veer
Schnitt Raúl López
Sound Alazne Ameztoy, Carla Silván, Laure Arto
Kostüme Virgini Alba

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