Jaguar will nur noch Fahrzeuge mit Elektroantrieb bauen


Der britische Automobilbauer hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2025 nur noch vollelektrisch zu sein und im Rahmen seiner Luxusmarke-Strategie Diesel- und Verbrennungsmotoren aus dem Verkehr zu ziehen. 

Inmitten einer globalen Pandemie und Großbritanniens Austritt aus der EU ist Jaguar nicht der erste Autohersteller, der so einen mutigen Schritt ankündigt, was im Gefolge von General Motors (GM) Ende 2020 steht. Obwohl die Entwicklung zur Schließung eines Autowerks in den West Midlands führt, sollten Zwangsentlassungen vermieden werden. Die Umstellung auf Elektro ist ein Versuch, sich neu zu positionieren, um mit Konkurrenten wie Bentley und Rolls Royce mithalten zu können. Die Innovationsherausforderung in diesem Bereich liegt nicht unmittelbar bei den bestehenden Automobilherstellern, sondern bei den mächtigen internationalen Technologiegiganten wie Apple und Google. Experten der Business School  [1] (ehemals Cass), City University of London, haben den Schritt begrüßt, weisen aber darauf, dass angesichts von Herausforderungen wie der Größe des britischen Marktes und pro-aktiver Wettbewerber eine starke und weitsichtige Erfolgsstrategie notwendig erscheint. Laut Prof. ManMohan Sodhi [2], sollte der Automobilhersteller Jaguar darauf achten, nicht zu reaktiv zu sein, wenn es auf eine hart umkämpfte Marktlage reagiert. 

Nicht der Erste seiner Art

„Die Ankündigung von Jaguar ist begrüßenswert und hat den Aktienkurs der Muttergesellschaft Tata Motors erhöht – allerdings nur geringfügig. Jaguar betritt einen schwierigen Markt, in dem seine Fertigungskompetenz weniger wichtig ist. Elektrofahrzeuge (EVs) haben viel weniger bewegliche Teile als Benzin- und Dieselautos, und die Software hinter der Batterietechnologie – wo Jaguar ein neuer Akteur sein wird – ist relevanter.

Die Ankündigung von Jaguar folgt anderen Herstellern wie GM, die bereits im November einen ähnlichen Zeitplan angekündigt haben. Somit wurde dieser Schritt von anderen Herstellern beschlossen, wobei Jaguar nichts anderes tut, als mitzuhalten.“

Technologie Bedrohung

„Die Bedrohung für Jaguar und seinesgleichen geht nicht von Autoherstellern aus, vielleicht nicht einmal von Tesla. Die Hauptsorge dieser Unternehmen dreht sich um die Frage, ob Tech-Giganten – wie Apple, Google und andere – in diesen Markt einsteigen werden. Sie bauen entweder selbst Autos oder werden Autofirmen auf eine ‚Blechhaufen‘-Produktion reduzieren, genau wie jede Menge von Smartphone-Herstellern auf der ganzen Welt, die für Googles Android arbeiten. Und wer erzielt am Ende die Gewinne? Google. In einem solchen Umfeld hat der Hersteller mit den niedrigsten Kosten die Nase vorn, und das ist Jaguar nicht.“

Reaktiver Ansatz reicht möglicherweise nicht aus

„Jaguar kündigte an, sich auch mit Wasserstoffzellen zu befassen, die den Autoherstellern eine Chance im Kampf gegen die Tech-Giganten geben. Es ist Zeit für Jaguar und seine Automobilkonkurrenten eine Strategie gegen die Tech-Unternehmen zu entwickeln. Reaktive Maßnahmen allein werden die Investoren nicht auf Dauer begeistern.“  Dr. Paolo Aversa [3], ist der Meinung, dass das Bestreben von Jaguar nach einer einzigartigen Markenidentität bisher gemischte Ergebnisse erbracht hat und dass ein Wechsel zu Elektrofahrzeugen der notwendige Schritt sein könnte, um neue Maßstäbe zu setzen. 

Isolierte Infrastruktur kann von Vorteil sein

„Diese Strategie ist sowohl pro-aktiv als auch reaktiv“, sagt Paolo Aversa. „Sie ist insoweit pro-aktiv, als Jaguar seit Jahren versucht, eine starke Marktpositionierung und eine ausgeprägte Markenidentität mit gemischten Ergebnissen wiederzufinden. Eine vollständige Umstellung auf Elektrofahrzeuge (EV) könnte eine solche Gelegenheit bieten. Sie ist jedoch insoweit reaktiv, als sie sich an die neueste Politik der britischen Regierung anpasst, die einen vollständigen Umstieg auf Elektrofahrzeuge in den kommenden Jahren vorsieht.

Es handelt sich um eine konsequente Strategie, da sich die Verbreitung von E-Fahrzeugen parallel zur Ladeinfrastruktur entwickelt. Die Entwicklung der Infrastruktur wird größtenteils durch die Entscheidungen der politischen Entscheidungsträger vorangetrieben, und diese lassen sich auf Länderebene einfacher umsetzen. Da britische Autos wegen rechtlicher und technischer Bestimmungen andere Länder nur selten erreichen, ist es ein grundsätzlich isoliertes Ökosystem, wo die volle EV-Akzeptanz leichter erzielt werden könnte als zum Beispiel auf dem europäischen Kontinent.“

Nach Paolo Aversa stehen die wichtigsten Herausforderungen noch bevor, wobei sich drei Hauptbedrohungen für den Fortschritt abzeichnen:

* Viele andere Akteure arbeiten seit Jahren intensiv am EV-Markt und sind in diesem Randmarkt stark positioniert. Für Jaguar ist die EV-Technologie bisher nur ein Randprojekt, und es ist nicht klar, wie Jaguar die Lücke zu den Wettbewerbern schließen wird.   

* Der britische Markt ist relativ klein, vor allem wenn man bedenkt, dass Jaguar auf ein Premium-Segment abzielt; die Größenvorteile, die erforderlich sind, um dieses Geschäft rentabel zu machen, erfordern eine erfolgreiche Expansion auf ausländische Märkte, die einen harten Wettbewerb darstellen.

* Die Produktion von E-Fahrzeugen basiert auf Teilen, die nicht vollständig in Großbritannien hergestellt werden, sondern in der Regel aus Europa, Japan und den USA stammen. Mit dem Brexit könnte die Lieferkette in Schwierigkeiten geraten, was sich in den Produktkosten widerspiegeln könnte. Dadurch würden die ohnehin hohen Preise für E-Fahrzeuge auf ein Niveau angehoben, das über die lokale Nachfrage hinausgeht. 

Alle Zitate stammen von ManMohan Sodhi [2], Professor in Operations und Supply Chain Management, und Dr. Paolo Aversa [3], außerordentlicher Professor für Strategie an der Business School (ehemals Cass).

Foto (c) Kulturexpress, Meldung: Ida Junker, PPOOL media – communications, Paris

[1] https://www.cass.city.ac.uk/home
[2] https://www.cass.city.ac.uk/faculties-and-research/experts/manmohan-s-sodhi
[3] https://www.cass.city.ac.uk/faculties-and-research/experts/paolo-aversa