HARALD NAEGELI – DER SPRAYER VON ZÜRICH Regie: Nathalie David (CH) Doku und Testament eines legendären Graffiti-Künstlers


Bundesweiter Kinostart ab 02. Dezember 2021: Die Regisseurin Nathalie David zeigt in ihrem feinfühligen Portrait Harald Naegelis facettenreiche Persönlichkeit als visionären, streitbaren Künstler, Rebellen, Philosophen und scharfsinnigen, humorvollen Menschen, der mit seiner Kunst seit jeher die einen empörte und die anderen erfreute. Der Film ist Naegelis Testament und eine Hommage an den Utopisten.

Filmwebsite: missingFILMs – Filmverleih & Weltvertrieb – Harald Naegeli – Der Sprayer von Zürich  Spieldauer: 97 Minuten

Seine Graffitis sind legendär, aber schon etwas aus der Mode geraten. Es gibt andere, die ein ähnliches Konzept viel erfolgreicher umsetzen. Man denke nur an den Graffiti-Künstler Banksy, der einen völlig anderen Duktus mit seiner Malerei vertritt und nicht so aggressiv aufscheint wie der Sprayer von Zürich. Im Film wird gesagt, der Sprayer sei jemand, der die Gesellschaft mit seiner Kunst überlistet hat, indem er mit jedem Bild neue Streitigkeiten bewirkt und die Frage aufwirft, ist das was er fabriziert Kunst oder gewöhnliche Sachbeschädigung? Eine politische Debatte wurde angeregt, die auch in Deutschland ihren Bekanntheitsgrad erreichte. 

Die wenigen, gezielt gesetzten Linien verdichten sich zur mehrdimensionalen Bedeutung und erfassen das Dargestellte in einem inneren Kern. Wobei immer etwas Dämonisches, eine innere Unruhe in diesen Graffitis mit lebt. Der Schweizer Künstler Harald Naegeli wurde Ende der 1970er Jahre als “Sprayer von Zürich” weltweit bekannt. Er kritisierte mit seinen Sprühwerken das monotone, unwirtliche Stadtbild Zürichs, kritisierte aber auch die Politik der Stadt. Diese Form der Streitbarkeit und die Hektik,  die von diesen mit wenigen Strichen hingehuschten Graffitis ausgeht, ist meiner Meinung symptomatisch für das hektische Leben in Zürich. Ein Merkmal, wodurch sich die Stadt von der übrigen Schweiz generell unterscheidet. Zürich ist eine der wenigen Städte in der Schweiz, die eine eigene Künstlerszene haben. Das sollten die Zürcher sich vor Augen halten, wenn sie die Graffitis von den Wänden entfernen, weil ihnen die frische Farbe zu anstößig erscheint und nicht so recht ins Stadtbild passen will. Worauf der Film überhaupt nicht Bezug nimmt, sind die vielen Nachahmer, die der Sprayer von Zürich seit den 1970er Jahren produziert hat, die ebenfalls mit Konsequenzen rechnen mussten.      

Verurteilt wurde Harald Naegeli wegen mehrfacher Sachbeschädigung, daraufhin setzte er sich nach Deutschland ab, worauf ein internationaler Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde. Bei seiner Rückkehr in die Schweiz musste er deshalb eine sechsmonatige Gefängnisstrafe absitzen. Danach lebte und arbeitete er hauptsächlich in Düsseldorf. Er begann als “Harry Wolke” an die “Freunde der Wolke” philosophische und rebellische Nachrichten über seine neuesten Graffitis und Zeichnungen zu schreiben, um seine flüchtige Kunst, seine Utopien, etwas länger festzuhalten. Im Jahre 2020 sprayte er während des ersten Covid-19-Lockdowns über 50 “Totentänze” in der Stadt. Der Kanton verklagte ihn, die Stadt verlieh ihm den Großen Kunstpreis.

Harald Naegeli in seinem Studio

Der Film erzählt die Geschichte des Sprayers aus der Perspektive eines Beobachters. Denn seine Kunst ist nach wie vor nicht unumstritten. Noch immer werden die schweizerischen Institutionen gegen ihn aufständisch, da eine Vermischung zwischen Kunstwerk, das ins Museum oder in eine Ausstellung gehört und der Tatsache der Sachbeschädigung nicht eindeutig geklärt sind. Viele Bilder werden sofort wieder entfernt. Vielleicht sollte der Künstler wasserabwaschbare Farbe während seiner Sprühaktionen verwenden, dann wäre der Sachschaden nach einem der nächsten Regenschauer wieder beseitigt, von denen es in Zürich auch nicht gerade wenige gibt.  Doch im Vordergrund bei diesem Film steht wohl das Testament des Künstlers und das, was er der Nachwelt hinterlassen wird. Überdies verfügt der Film über eine durchgängige und schlüssige Erzählweise, wobei mir immer wieder die herzerwärmenden Tonlagen auf Schwyzerdütsch den Kern einer Aussage besser verstehen helfen.   

Protagonisten:innen

Harald Naegeli: Der Sprayer von Zürich alias Harry Wolke
Christoph Sigrist: Pfarrer am Großmünster Zürich
Markus Kägi: Regierungsrat Kanton Zürich, 2007 2019
Mirjam Varadinis: Kuratorin zeitgenössische Kunst, Kunsthaus Zürich
Benjamin von Blomberg: Co Intendant Schauspielhaus Zürich
Susanne Stamm: Kirchenkreiskommission 7 8 Ref. Kirchgemeinde Stadt Zürich
Christoph Doswald: Kurator ehemaliger Vorsitzender der Arbeitsgruppe Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Zürich
Regine Helbling: Kunsthistorikerin Geschäftsführerin Visarte Berufsverband visuelle Kunst Schweiz
Hans Martin Ulbrich: Oboist, langjähriger Freund von Harald Naegeli
Corine Mauch: Stadtpräsidentin der Stadt Zürich

Crew

Buch und Regie Nathalie David
Idee Peter Spoerri
Off Stimme Deutsch Andrina Bollinger
Kommentarstimme Stefan Kurt
Musik Andrina Bollinger
Die Ballade vom Sprayer Sophie Hunger
Kamera Adrian Stähli, Nathalie David
Recherche Kamera Zürich Jens Woernle
Kamera Düsseldorf Steffen Bohn
Ton Zürich Jean Pierre Gerth, Julian Joseph, Kurt Human
Ton Düsseldorf Sebastian Stahl
Klanggestaltung & Mischung Julian Joseph, Kurt Human
Animation & Titeldesign Mieke Ulfig
Montage Nathalie David
Montage Supervision Andrew Bird
Colorist Patrick Lindenmaier
Produktionsleiterin Kirsten Herfel
Produktion Peter Spoerri, Nathalie David
Postproduktion Andromeda Film AG
Conforming: Davide Legittimo
DCP Deliveries: Pedro Nuñez
Koordination: Guillermo J. Deisler
Tonstudios Tonverein Zürich; Tonstudios Z Oerlikon; Voice in Time Hamburg
Grafikdesign Assistentin Lucie Belle, Blanche David
Schnittassistent Justus Bergen
Übersetzung & Untertitelung SUBS Hamburg, Andrew Bird
Transkription Aisha Mia Lethen Bird

Der Film wurde gefördert vom Bundesamt für Kultur Sektion Film, der Zürcher Filmstiftung, der Filmförderung Hamburg Schleswig Holstein, von Migros-Kulturprozent, der Ernst Göhner Stiftung, der Alexis Victor Thalberg Stiftung und der Volkart Stiftung. Er wurde koproduziert vom Schweizer Fernsehen SRF, 3sat, SRG und Succès passage antenne

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