ANNETTE Regie: Leos Carax (USA/ Frankreich) Kultiger Musikfilm der einmal mehr die grüne Subkultur zu Leben erweckt


Kinostart ab 16. Dezember 2021: Leos Carax erschuf mit ANNETTE ein rauschhaftes, furioses Werk, das von der Musik der Art-Pop­ Pioniere Sparks getrieben wird und durch seine ungewöhnliche Inszenierung subtile Zwischentöne erfährt.

Ann (Marion Cotillard) ist eine berühmte Opernsängerin, Henry (Adam Driver) ein polarisierender Stand-Up-Comedian. So unterschiedlich die beiden sind, so tief ist ihre Liebe. Als mediengefeiertes Star-Pärchen brausen sie durch die Häuserschluchten von Los Angeles, an blendenden Leuchtreklamen vorbei, und singen „We love each other so much“ in ihrem idyllischen Strandhaus. Doch die Geburt ihres ersten Kindes Annette, eines geheimnisvollen Mädchens mit einem außergewöhnlichen Schicksal, wird ihr Leben auf den Kopf stellen.

 

 

Mit Adam Driver und Marion Cotillard herausragend besetzt, eröffnete ANNETTE die Filmfestspiele in Cannes, wo er mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet wurde. Der virtuose Leos Carax präsentiert damit sein neuestes Meisterwerk – ein knalliges und intensives Drama voller mitreißender Musik, mit Momenten der Begeisterung und einem trockenen, absurden Humor.

 

Inhalt

Leos Carax sitzt im Tonstudio am Mischpult. Die Sparks bereiten sich vor, Gitarren werden eingestöpselt, Töne werden angeschlagen. Carax winkt seine Tochter Nastya her. „May we start“.

Das gilt auch für die Sparks, one, two, three, four: „So May We Start“ erklingt. Henry McHenry (Adam Driver) und Ann (Marion Cotillard) kommen die Treppen herunter, gehen mit der Band und den Backgroundsängerinnen auf die Straße. Leos Carax und seine Tochter schließen sich an. Der Dirigent (Simon Helberg) stößt dazu, eine Gruppe Kinder. Henry schlüpft in eine grüne Lederjacke, geht zu seinem Motorrad. Ann zieht ihren gelben Mantel an, steigt in eine Limousine. Der Chor ruft: „Bye, bye, Henry!“, „Bon voyage, Annl“. Ann ist Opernsängerin. Sie lässt sich zur Oper chauffieren, Henry ist Stand-up-Comedian. Er rast mit seinem Motorrad zum Orpheum Theatre, wo seine ausverkaufte Show auf ihn wartet. In der Garderobe bereitet er sich vor, wie ein Boxer, im grünen Bademantel, schlägt ein paar Hiebe in die Luft, raucht, isst eine Banane. Das Publikum ruft schon nach ihm. Er soll es zum Lachen bringen. Das ist sein Job. Ann ist ebenfalls in ihrer Garderobe, liegt am Boden, mit einer Gesichtsmaske, ganz ruhig, konzentriert. Sie zählt immer wieder bis zehn.

Filmposter

Henry stürmt auf die Bühne, in seinem grünen Bademandel, endlich: „Hier bin ich, um euch zum Lachen zu bringen.“ Er feuert das Publikum an, die Menschen lieben ihn. Er scherzt, sagt, er wisse nicht, ob er es heute schaffe, alle zum Lachen zu bringen. Er zieht Papiere aus seiner Manteltasche. Sein Vertrag, in dem stehe, es sei ihm nicht gestattet, dass sich das Publikum totlache. Während sich bei Henry die Stimmung sich dem Siedepunkt nähert, wartet Ann auf ihren Auftritt in der Oper. Mit dem Rücken zu den Zuschauerinnen, im weißen Seidenkleid, mit langen roten Haaren, zitternd, als hätte sie Angst. Gleich wird sie sich umdrehen und ihre Sopran-Stimme zum Erklingen bringen.

Bei Henrys Show kocht es weiter, das Publikum will wissen, warum er Comedian geworden sei. Wegen des Ruhms? Wegen des Geldes? Er erzählt von seiner neuen Liebe, dass er sich verlobt habe, mit Ann, dem Opernstar! Sie ist viel zu perfekt für ein einsames Insekt wie er es sei, schreit das Publikum. Aber er habe sich durch sie verändert, sagt er. Gleichzeitig veräppelt er die Welt der Oper: Dort werde immer nur gestorben. Das Publikum lässt nicht locker: Warum sei er nun Comedian geworden? Um die Menschen zu entwaffnen, um die Wahrheit zu sagen, ohne getötet zu werden. Schüsse fallen, Henry stürzt, das Publikum lacht und ist entsetzt zur gleichen Zeit. „Seht ihr, auch ich kann auf der Bühne sterben – und mich dann verbeugen“, scherzt Henry.

Henry fährt nach seinem Auftritt mit dem Motorrad zur Oper. Ann wird gefeiert, Bravo-Rufe, Blumen werden auf die Bühne geworfen. Henry wartet auf sie. Als sie aus dem Operngebäude tritt, wird sie von Fotografen umzingelt. Sie geht auf Henry zu, der immer noch seinen Motorradhelm trägt, sie küssen sich. „Wie lief es bei dir“, fragt sie. „Ich habe sie getötet“, sagt er. „Ich habe sie gerettet“, sagt sie. Die Fotografen wollen ein Foto von den beiden Frischverliebten.

Zur Filmwebsite: annette-derfilm.de  

Es ist Tag, Henry und Ann laufen Hand in Hand über eine Wiese, sie haben nur Augen füreinander. „We love each other so much“. Sie verbringen den ganzen Tag miteinander, abends kehren sie in ihr Haus im Wald zurück. Sie schlafen miteinander. „We love each other so much“. Ann liegt erschöpft im Bett, Henry kommt aus der Dusche und kündigt an, dass jetzt Kitzelzeit sei.

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In der Oper sitzt der Dirigent (Simon Helberg) am Flügel. Etwas traurig gibt er zu, nur der Begleiter von Ann, dem Star, zu sein, aber immerhin könne er auf diese Weise dem Star nahe sein.

Henry bereitet sich wieder wie ein Boxer auf einen neuen Auftritt vor, Ann steht wieder fix und fertig in Kostüm und Maske auf der Opernbühne. Ihre Arie „Ich habe Angst“ erklingt. Sie ist auf der Suche nach Licht, wandert durch den dunklen Wald. „Ich habe Angst vor dir“. Parallel zieht Henry wieder seine Stand-up-Show ab. Anschließend fährt er zur Oper. Backstage sieht er Ann dabei zu, wie sie in ihrer Rolle stirbt. Applaus! Henrys Gesicht wirkt versteinert.

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Henry erlebt die Schwangerschaft im Zeitraffer, er fantasiert, Vater einer Holzpuppe zu werden. Dann ist der Tag der Geburt gekommen. Ann soll pressen, ein- und ausatmen. Und lachen! Ja, lache Ann, rufen die Ärzte. Dann ist es vollbracht: Willkommen auf dieser Welt, Annette! Tatsächlich: eine Holzpuppe. Henry merkt an: Sie ist nicht von dieser Welt.

Zuhause liegt Annette zwischen Ann und Henry, friedlich. Am Tag schaukelt Henry sie auf seinem Arm, er wirkt zufrieden – oder auch nicht… Er muss als Babysitter herhalten, weil Ann schon wieder auf der Opernbühne steht. Ihre Karriere geht steil bergauf, Henry schaukelt das Baby – und trinkt, schenkt sich immer öfter ein Glas Whiskey ein. Er versauert zuhause. Ann reist um die Welt, wird mit einem Chauffeur nachhause gefahren. Sie ist müde. Im Auto-TV laufen Nachrichten: Sechs Frauen klagen Henry wegen Belästigung und Gewalttätigkeit an. Oder hat sie das nur geträumt?

Originalidee und Musik von SPARKS    

Zuhause legt sie sich hin, schläft tief und fest. Henry fährt mit seinem Motorrad los. Auf der Straße taucht immer wieder Ann vor seinem inneren Auge auf, wie sie auf der Bühne stirbt, wie sie als Opernstar gefeiert wird. Er ist auf dem Weg nach Las Vegas, als „Der Affe Gottes“ hat er dort seinen ersten Auftritt. Aber Henry ist nicht gut drauf. Auf der Bühne sagt er, ihm seien alle Witze gestohlen worden, er hätte die Show absagen sollen. Er referiert über seine kriselnde Ehe, „Verliebtsein macht krank“, er erzählt, dass er seine Frau zu Tode gekitzelt hätte. Das Publikum ist irritiert, buht ihn aus. Henry bekommt einen Wutausbruch, er rast, beschimpft die Zuschauer, „Wenn ihr nicht lacht, kriegt ihr meine Wut zu spüren!“. Henrys Stern ist tief gesunken, mit der Karriere geht es bergab. Kommende Shows werden nach diesem öffentlichen Ausraster abgesagt.

Ann macht sich zuhause Sorgen um ihren Mann. Gleichzeitig erinnert sie sich, wie sie ihren Weg ging. Wie sie sich von einem plumpen Mädchen zur gefeierten Sopranistin entwickelte. „Bis ihre Stimme ihr Königreich wurde“. Ihre Stimme habe sie befreit, brachte ihr Schönheit. „Das Publikum vergöttert mich; ich vergöttere Henry.“ Aber irgendetwas stimmt nicht mehr. Annette macht ihre ersten Schritte, sie wird von Ann liebevoll auf den Arm genommen, die beiden tanzen am Pool. Annette lacht und quietscht vor Freude. Henry kommt nachhause. Er ist in einer dunklen Stimmung. „Auf den Aufstieg folgt der Fall“.

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Ein ruhiger Familienurlaub sieht anders aus: Die Yacht von Ann und Henry wird von den Wogen des von einem Sturm wütenden Meers auf und ab geschleudert. Baby Annette liegt ängstlich im Bett, Ann singt ihr ein Schlaflied vor. „Meine unschuldige Kleine“. Ann macht sich auf die Suche nach Henry. Er liegt betrunken auf dem Deck. Als er Ann sieht, zieht er sie zu sich: „Lass uns Walzer tanzen!“ Ann erkennt ihren Mann nicht wieder. Sie hat Angst vor ihm. Baby Annette ist wieder aufgewacht, mit angstgeweiteten Augen hört sie ihre Eltern draußen streiten. Henry ist grob, schleudert Ann weg. Sie rutscht vom Boot und ertrinkt. „Da kann ich nichts machen“.

Songtexte von Ron Mael, Russell Mael & LC

Im Rettungsboot paddelt Henry mit Annette an Land. „Ich werde mich um dich kümmern“, sagt er liebevoll. Als der Mond durch die Wolken bricht, ertönt zum ersten Mal Annettes engelsgleiche Stimme. Henry ist nicht ganz bei sich, er schläft ein, Annette verbeugt sich. Im Traum erscheint ihm Ann, sie werde ihn heimsuchen. „Ihre Stimme wird mein Geist sein. Ich bin jetzt die Rache.“

Die Polizei verhört Henry, es sei eine reine Routinebefragung, man zweifle nicht daran, dass Anns Tod durch höhere Gewalt verursacht worden war. Als Henry das Polizeigebäude verlässt und sich auf den Nachhauseweg macht, nimmt er sich vor, ein guter Vater zu sein. Er kauft seiner Tochter eine Lampe. Wenn man sie anknipst, dreht sich der Lampenschirm und Sterne und Mond kreisen als Lichter durchs Kinderzimmer. Wenn das Himmelslicht leuchtet, beginnt Baby Annette zu singen.

Verleih: Alamode Film  Spieldauer: 140 Minuten  FSK: 12

Der Dirigent leitet jetzt das beste Orchester der Stadt. Er ist nicht mehr nur Begleiter. Doch glücklich ist er nicht. Er trauert um Ann, seine geheime große Liebe, mit der er eine Affäre hatte, kurz bevor sie Henry traf. Sie wäre sicher stolz auf ihn und seine Karriere. Mulmig ist es ihm zumute, weil Henry ihn abends zu sich gebeten hat. Er weiß nicht, was er davon halten soll, weil er Henry auch verdächtigt, mit dem Tod von Ann etwas zu tun zu haben. Als er bei Henry eintrifft, führt dieser ihn zu Annette ins Kinderzimmer. Er zeigt ihm ihre Gesangskünste, schaltet die Lampe an. Der Dirigent kann es nicht fassen. Henry unterbreitet ihm seine Idee, zu dritt auf Tournee zu gehen, Wunderbaby Annette in der ganzen Welt feiern zu lassen. Der Dirigent wendet sich ab, das sei Ausbeutung. Henry wischt die Bedenken weg. Der Dirigent wisse genau, dass er in Geldnöten steckt.

Henry wird von Albträumen geplagt, träumt immer wieder von Ann, vom tosenden Meer. Seine Wut habe die getötet, die er liebt. „Ann, vergib mir“. Doch es gibt keine Vergebung. Der Dirigent hat sich doch bereit erklärt, mit Henry und Baby Annette auf Tour zu gehen. Das Publikum ist wie versteinert. Baby Annette wird als Phänomen gefeiert. Doch es gibt auch Kritiker, die Henry beschimpfen, ein Ausbeuter zu sein. Das Trio reist um die Welt, feiert eine ausverkaufte Vorstellung nach der anderen. „Wir lieben Annette!“.

Produktion: Frankreich, Belgien, Deutschland, USA   2021    

Zuhause passt der Dirigent auf das Mädchen auf. Er singt ihr „We love each other so much“ vor. Henry geht einstweilen feiern. Die Frauen lieben ihn, er ist von Selbsthass zerfressen. Sturzbetrunken kommt er nachhause. Als er Annette „We love each other so much“ singen hört, rastet er aus. Der Dirigent hätte kein Recht gehabt, Annette das Lied beizubringen. Es gehöre Ann und ihm! Doch der Dirigent erwidert, dass er es gewesen sei, der diesen Song geschrieben habe. Der Streit eskaliert. Als der Dirigent erzählt, eine Affäre mit Ann gehabt zu haben und der Vater von Annette sein könnte, brennen bei Henry die Sicherungen durch. Er ertränkt den Dirigenten im Pool. „Jetzt wird alles gut“, sagt er zu Annette. Sie wirft die Lampe vom Nachttisch.

It’s Showbiz News: Henry McHenry verkündet der Welt, dass Baby Annette nur noch ein Konzert geben und dann ihre Karriere als Sängerin beenden wird. Sie wird nie mehr öffentlich auftreten.

Die letzte Vorstellung soll in der Halbzeitshow des Hyper-Bowls stattfinden. Vor dem größten Publikum, vor dem Annette bislang aufgetreten ist. Doch Baby Annette singt nicht. Henry steigen die Tränen in die Augen. Er ärgert sich über ihr Verhalten. Baby Annette sagt schließlich nur einen Satz: „Daddy bringt Leute um“. Henry wird verhaftet. „Schau nie in den Abgrund“, sagt er am Schluss zu Annette, als sie ihn zum letzten Mal im Gefängnis besucht. Danach wendet sie sich ab. Sie lässt ihn allein. Mit sich. Und seiner Schuld, verdammt auf ewig.

Siehe auch:  HOLY MOTORS (Frankreich 2012)