Das neue Bauen – Sparsame Räume für die Zukunft Ausstellungszentrum im Ringturm Wien vom 10. April – 07. Juni 2024


Die Ausstellung im Ringturm widmet sich der ganz aktuellen Thematik Wohnen und Arbeiten in energiesparendem Umfeld. Ausgangspunkt sind Idealvorstellungen für zukünftiges Bauen: Qualitätsvoll und verantwortungsbewusst umbauter Raum sollte sich nicht nur in guten architektonischen Lösungen in Funktionalität oder Form abbilden, sondern auch im Hinblick auf den Gesamtenergiebedarf. In der Architektur sollte auch ein Maßstab angelegt werden für die sogenannte graue Energie für Herstellung bzw. Abtragung von Bauten und ihren Beitrag zur Reduktion des CO2-Ausstoßes.

Stadtquartiere Sanierung, redevelopment of urban districts, Sanierung und Aufstockung Smart-Block-Geblergasse | Renovation and extension of Smart-Block-Geblergasse, Wien | Vienna, Zeininger Architekten, Foto | Photo: Kurt Hoerbst

Rund 50 nationale und internationale herausragende Beispiele aus den drei Bereichen Neubau, Umbau/Neunutzung und Sanierung wurden unter den genannten Kriterien ausgewählt. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem sich aktuell entwickelnden Modell Plusenergiehaus, d.h. Bauten, die mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen, sowie Realisierungen mit dem gut in der Baupraxis verankerten Standard Passivhaus, d.h. Bauwerke, die ohne Fremdenergiezufuhr behaglich zu betreiben sind.

Entgegen aller Skepsis präsentieren sich diese energietechnisch anspruchsvollen Bauten in ebenso anspruchsvoller Architektur. Die auf Grund energetischer Modelle deutlich reduzierten Betriebskosten erhöhen zudem die soziale Verträglichkeit. Unter Beachtung des Grundsatzes kurze Wege werden auch Aspekte des energiesparenden Bauens mit Naturmaterialien oder Kreislaufwirtschaft thematisiert. Potenziale mit hierzulande verfügbaren nachwachsenden Bau- oder Dämmstoffen (z.B. Holz, Lehm oder Stroh) werden in Beispielen aufgezeigt.

Lehm Ton Erde, loam clay earth, Werkhalle | Factory Building Schlins, Vorarlberg, Martin Rauch Architekt, Foto | Photo: Adolph Stiller

 

Kuratoren: Ernst Heiduk, Adolph Stiller
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

 

Das neue Bauen
Sparsame Räume für die Zukunft
10.04. – 07.06.2024

 

Montag bis Freitag, von 9 bis 18 Uhr
Feiertags geschlossen
Eintritt frei

www.airt.at

 

Der Neubau von freistehenden Einfamilienhäusern wird wegen der großen Außenoberflächen, der Bodenversiegelung sowie der Notwendigkeit erweiterter Infrastruktur als Belastung für die Kommunen als Auslaufmodell gesehen, das einzig unter Beachtung einiger Forderungen noch Berechtigung hat: möglichst kein neuer Flächenverbrauch, extra Erschließung für jedes Geschoss sowie große Flexibilität im Grundriss.

Im Zuge der Redaktionsarbeit hat sich immer mehr herauskristallisiert, dass jene Modelle, die weit über das Plus-Energie-Gebäude hinausgehen und sozusagen zum kleinen Kraftwerk werden, von einer Bauherrschaft getragen sind, die an einem grundsätzlich nachhaltigen Bauen interessiert ist und die durch großes Engagement diese Idee bis zur Umsetzung auch trägt. In diesem Sinne besteht mehr als Hoffnung für das neue Bauen.

Vom Gebäude zum Plus-Plus-Plus-Energie-Gebäude

Es ist die große Herausforderung unserer Zeit, Neubaugebäude von Energiekonsumenten zu Energieproduzenten zu machen und die Bestandsgebäude soweit zu sanieren, dass es möglich ist, sie vollständig mit erneuerbarer Energie versorgen zu können. Wenn ein Gebäude pro Jahr gleich viel Energie bereitstellen kann (z.B. durch PV-Strom oder Windkraft) wie es für seinen Betrieb braucht (z.B. für Heizung, Kühlung, Warmwasser, Lüftung, Beleuchtung, Hilfsstrom etc.), erreicht es eine Null-Energie-Bilanz. Produziert es etwas mehr als es verbraucht, wird es zum Plus-Energie-Gebäude. Je geringer der Energiebedarf ist, umso leichter ist das erreichbar. Durch energetische Sanierungen und die Errichtung von PV-Anlagen können auch Bestandsgebäude zu Plus-Energie-Gebäuden werden.

Für die Errichtung des Gebäudes war fossile Energie, die graue Energie, notwendig. Mit einem Plus-Energie-Überschuss kann diese graue Energie „abgearbeitet“ werden, wenn damit anderswo fossile Energie kompensiert wird. Mit Erreichen dieser energetischen Amortisation wird das Gebäude in weiterer Folge klimapositiv. Wenn ein Gebäude auch noch die Energie für die Nutzung des Gebäudes selbst abdecken kann (z.B. den Haushaltsstrom), wird es zum Plus-Plus-Energie-Gebäude. Wenn es auch noch die Energie für die Mobilität der Bewohner:innen (z.B. für E-Bikes oder E-Autos) abdecken kann, dann wird es zum Plus-Plus-Plus-Energie-Gebäude. Bei Nutzung saisonaler Stromspeicher-Systeme (die derzeit noch nicht wirtschaftlich sind) wird das auch zukünftig möglich sein.

Bildungsbauten Neubau new educational buildings, Arch20-Echo Energy-Generating-Interfaculty, Teaching Building, TU Delft, Delft, Niederlande | Netherlands, UNStudio Ben van Berkel, Foto | Photo: Evabloem

Die Dringlichkeit klimafreundlicher Konzepte

Korrekte Darstellungen der Gesamtenergiebilanz beim Bauen integrieren auch die fossile graue Energie für die Gebäudeerrichtung und den für den Klimaschutz so wichtigen Faktor Zeit. Durch den Bau „starten“ Gebäude klimaschädigend, der Energieaufwand für den Abbruch ist hingegen in Relation sehr gering. Wenn ein Gebäude im Betrieb weiter fossile Energie braucht, summieren sich die CO2-Emissionen und die Linie geht weiter nach oben. Je mehr „Überschuss-Strom“ es produziert, umso steiler geht die Linie nach unten und es wird schneller klimafreundlich. Wenn der Bau des Gebäudes wenig fossile graue Energie braucht, ist das schneller möglich.

Entscheidend ist, ob ein Gebäude zumindest bis zum Jahr 2050 ein Plus-Energie-Gebäude wird. Je mehr Plus-Energie verfügbar ist, umso besser ist die Gesamtbilanz, für den Klimaschutz und für die Betriebskosten des Gebäudes. Die Bilanzierung per Jahr dient aber nur zur Orientierung und ist ein erster Schritt. Jedes technische System ist nach seinem „Flaschenhals“ zu beurteilen.

So zeigt das prototypische Bürohochhaus der TU Wien schon seit 2014, wie ein Plus-Plus-Energie[1]Bürohaus sehr komfortabel und kosteneffizient funktioniert. Ein norwegisches Powerhouse zeigt, dass das auch noch in Skandinavien möglich ist. Die besten Beispiele des Wiener Schulbauprogramms zeigen, dass auch Schulen kostengünstig und energieautonom komfortable Lernräume sein können. Die Wohnhausanlage Wientalterrassen (in der Käthe-Dorsch-Gasse, 1140 Wien) beweist, dass thermische Energieautonomie und hoher Wohnkomfort auch im sozialen Wohnbau realisierbar sind.

Zur Diskussion soziales und kostengünstiges Wohnen, Nachhaltigkeit, Stadterweiterung bzw. Landverbrauch und Wohnbau-Sanierungsstrategien

Einfamilienhaus Sanierung, Single family house renovation. Umbau und Sanierung Haus Sternberg | Reconstruction and renovation of Sternberg House Velden, Kärnten | Carinthia ARCH+MORE Architekt Gerhard Kopeinig, Foto | Photo: Luttenberger

Die effizienteste und leichteste Maßnahme zur Reduktion der Wohnkosten besteht darin, die Energiekosten zu eliminieren. Fossile Energieträger überflüssig zu machen ist gleichzeitig eine rasch wirksame Klimaschutzmaßnahme. Nur ein guter Planungsprozess, effiziente Bau- und Gebäudetechnik, Qualitätssicherung und ein optimierter Gebäudebetrieb können kostengünstige Gebäude und Wohnräume ergeben. Lärmschutz im Außenraum und Schallschutz in Gebäuden sind essenzielle Bestandteile von Lebensqualität, Wohnzufriedenheit und Grundvoraussetzungen für Nachhaltigkeit und die Verdichtung von Städten. Die Vorfertigung von modularen Komponenten bewährter Systeme ist ein wichtiger Weg für Kosteneffizienz und Qualitätssicherung. Thermisch energieautonome Gebäude für soziales Wohnen sind durch Pilotprojekte erprobte Realität und Stand der Technik. Die nächsten Entwicklungsschritte sind, die Abdeckung des Haushaltsstroms und der E-Mobilität durch das Gebäude wirtschaftlich zu ermöglichen und unser Abwassersystem ökologischer zu gestalten.+

In aktuellen Diskussionen gibt es jetzt die Forderung, aus Klimaschutzgründen (in Europa) nur mehr Bestandssanierung zu machen und nichts mehr neu zu bauen. Hier sind generelle Aussagen nicht möglich, denn jedes Bestandsgebäude muss für sich und im Quartiersverband analysiert werden. Am Beispiel einer Reihenhausanlage kann man zeigen, dass die Sanierung der Mittelhäuser in der Gesamtenergie- und CO2-Bilanz unter Umständen einem Ersatzneubau überlegen ist, es beim Endreihenhaus aber umgekehrt sein kann. Wenn beim Ersatzneubau des Endhauses mit minimierter grauer Energie gebaut wird und Plus-Plus-Energie-Standard erzielt wird, dann kann der Neubau des Endhauses die bessere ökologische und ökonomische Entscheidung sein. Zusätzlich gäbe es dann noch die Möglichkeit, barrierefreien Wohnraum zu schaffen und den Neubau zur Energiezentrale der sanierten Mittelhäuser zu machen.

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