Immobilienmarkt und Finanzstabilität – Teil 3 Deutsche Bundesbank


Seit der Finanzkrise wurde „Finanzstabilität“ als ein neues Politikfeld etabliert – und in diesem Bereich wiederum stehen die Immobilienmärkte im Zentrum. „Stabil“ ist ein Finanzsystem, wenn es auch in Krisenzeiten und nach einem Schock seine zentralen Funktionen erfüllt. Ein solcher „Schock“ kann ein abrupter Preiseinbruch am Immobilienmarkt sein oder unerwartet schlechte Nachrichten über die wirtschaftliche Entwicklung.

Was sind politische Handlungsoptionen?

Es geht nicht darum, Krisen zu verhindern. Sondern es geht darum, eine schlechte wirtschaftliche Entwicklung durch das Finanzsystem nicht noch weiter zu verstärken. Eine solche Hebelwirkung kann insbesondere dann entstehen, wenn es am Immobilienmarkt zu einer explosiven Dynamik von Preissteigerungen und der Vergabe von Krediten kommt.

Die „makroprudenzielle“ Überwachung ist auf Interdependenzen im Finanzsystem und auf systemweite Effekte ausgerichtet. Sie hat damit einen anderen Blickwinkel als die Bankenaufsicht, bei der die Solvenz und Liquidität von Einzelinstituten im Vordergrund steht. Dabei sind die Indikatoren, die ein einzelnes Institut bei der Kreditvergabe und der Kreditwürdigkeitsprüfung erfasst und auf denen die mikroprudenzielle Aufsicht aufbaut, denen ganz ähnlich, die auch für die Stabilität des Finanzsystems eine Rolle spielen. Das Ziel der Überwachung und möglicher aufsichtlicher Maßnahmen ist aber ein anderes.

Besteht also mit Blick auf den Immobilienmarkt in Deutschland Handlungsbedarf?

In der Summe liefern Analysen des deutschen Immobilienmarkts Hinweise darauf, dass das deutsche Finanzsystem verwundbarer gegenüber makroökonomischen Risiken geworden ist. Bereits im letzten Finanzstabilitätsbericht 2018 hat die Bundesbank auf drei Verwundbarkeiten hingewiesen:

Die Unterschätzung von Kreditrisiken

Die Überschätzung der Werthaltigkeit von Sicherheiten – gerade im Immobilienbereich – sowie Zinsrisiken: Denn der Anteil neu vergebener Kredite für Wohnimmobilien mit einer Zinsbindungsdauer von mehr als zehn Jahren stieg seit 2010 von 26 Prozent auf zuletzt 50 Prozent. Ein (unerwarteter) Zinsanstieg würde also die Kosten der Banken erhöhen während die Zinseinnahmen nur verzögert zunehmen würden.

Risiken im Immobilienbereich sind also ein Teilaspekt, aber nicht die einzige Sorge, die uns beschäftigt. Daher hat der deutsche Ausschuss für Finanzstabilität im Mai 2019 eine Empfehlung an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gegeben, den antizyklischen Kapitalpuffer zu aktivieren. Der antizyklische Kapitalpuffer schützt die Banken vor zyklischen Risiken, nicht nur vor Risiken im Immobilienbereich. Er setzt auf Seiten der Kreditgeber an und stärkt so die Widerstandskraft der Banken. Ohne einen solchen Aufbau von Widerstandskraft in guten Zeiten, könnten negative Schocks durch den Bankensektor verstärkt werden. In schlechten Zeiten kann der antizyklische Kapitalpuffer von der Aufsicht reduziert werden. Dadurch würde die Kreditvergabe stabilisiert.

Alternativ könnte man beim Kreditnehmern ansetzen. Die Logik wäre ganz ähnlich wie bei der Kreditwürdigkeitsprüfung durch eine Bank: Banken verlangen einen bestimmten Mindestanteil an eigenen finanziellen Mitteln bei der Finanzierung einer Immobilie. Zudem verlangen Banken üblicherweise die Tilgung eines Darlehens innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Beides begrenzt potenzielle Verluste.

Bessere Möglichkeiten, Verluste durch Eigenmittel abzufedern, haben nicht nur auf einzelwirtschaftlicher Ebene eine stabilisierende Wirkung. Auch für die gesamte Volkswirtschaft können Schocks auf dem Immobilienmarkt besser abgefedert werden, wenn Verluste aufgefangen werden.

Aus diesem Grund hat der Ausschuss für Finanzstabilität dem Gesetzgeber empfohlen, entsprechende makroprudenzielle Instrumente zu schaffen (Ausschuss für Finanzstabilität 2015). Gleichzeitig hatte der Ausschuss empfohlen, für eine ausreichende Datengrundlage zu sorgen, damit die Risikolage und der mögliche Einsatz dieser Instrumente evaluiert werden kann.

Mit dem Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz aus dem Jahr 2017 wurden jedoch nur zwei der ursprünglich vier vom Ausschuss für Finanzstabilität empfohlenen Instrumente für den Wohnimmobilienmarkt geschaffen. Keines dieser beiden Instrumente ist aktuell aktiviert. Der Ausschuss hatte zusätzlich einkommensbezogene Obergrenzen angeraten, die den maximalen Schuldendienst und die Gesamtverschuldung begrenzen. Beide nehmen die Schuldentragfähigkeit von Kreditnehmern in den Blick. So könnte das Risiko gesenkt werden, dass ein Schuldner seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann.

Ausblick

Im Moment hilft in Deutschland die gute binnenwirtschaftliche Lage, die Folgen einer schwächeren weltwirtschaftlichen Entwicklung auf den Exportsektor und auf die Industrie abzufangen. Der Abschwung in der Industrie setzt sich fort; eine Belebung der Auslandsnachfrage zeichnet sich bislang noch nicht ab. Die Nachfrage im Inland ist hingegen weiterhin robust: Insbesondere die Nachfrage der privaten Haushalte profitiert von robusten Arbeitsmärkten und steigenden Löhnen. Entsprechend sind auch die Aussichten für die Baukonjunktur weiterhin gut – Stimmungsindikatoren und hohe Auftragseingänge senden positive Signale. Wie lange die binnenwirtschaftlichen Wachstumskräfte Stand halten, ist unsicher. Umso wichtiger ist es, Verwundbarkeiten im Finanzsystem in Bezug auf den Immobilienmarkt frühzeitig zu identifizieren.

Was sind die Prioritäten für die nächste Zeit?

Zwei Aspekte sollen in den Vordergrund gestellt werden: Zum einen arbeitet die Bundesbank sehr intensiv daran, ihre gesamtwirtschaftlichen Analysen und Stresstests noch weiter zu verbessern. Hierfür ist diese auf engen Austausch mit Wissenschaft und Praxis angewiesen – um mit den richtigen Modellen zu arbeiten und reichhaltiges Wissen über die Funktionsweise von Immobilienmärkten einfließen zu lassen.

Zum anderen werden dringend bessere Daten über den Immobilienmarkt gebraucht – nicht nur für die Analyse von Stabilitätsrisiken sondern auch für viele andere Politikbereiche. Denn nur auf Grundlage guter Informationen können Auswirkungen regulatorischer Maßnahmen im vornherein abgeschätzt und im Nachhinein überprüft werden. Eine solche systematische Evaluierung von Politikmaßnahmen hält die Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, Claudia Buch für ganz essentiell.

Egal welche Perspektive Sie im Einzelnen auf den Immobilienmarkt haben – alle profitieren von besseren Daten, wissen mehr und verstehen den Markt besser. Das gilt nicht zuletzt für die Finanzindustrie selbst. Es besteht die Hoffnung, dass die Kosten, die von kreditfinanzierten Immobilienblasen ausgehen können, zukünftig ausbleiben. Angesichts der Unsicherheiten über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung kann aber keine abschließende Sicherheit gegeben werden. Daher zählt weiterhin Vorbeugung. Jeder einzelne, in dem er oder sie die Tragfähigkeit von Finanzierungsmodellen gründlich prüft. Die Politik ist betroffen, indem sie die Aufsicht handlungsfähig hält und die noch offenen Empfehlungen des Ausschusses für Finanzstabilität aus dem Jahr 2015 umsetzt.

Auch wenn derzeit keine Notwendigkeit besteht, spezielle makroprudenzielle Instrumente für den Wohnimmobilienmarkt zu aktivieren, beobachtet die Bundesbank diesen Markt weiterhin sehr genau. Denn die stark gestiegenen Preise bergen das Risiko, dass die Werthaltigkeit von Kreditsicherheiten überschätzt wird. Im Falle einer Krise könnten die Kreditportfolios deutscher Banken teilweise empfindlich getroffen werden.

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Foto (c) Kulturexpress, Meldung: Deutsche Bundesbank

Siehe auch:  Immobilienmarkt und Finanzstabilität – Teil 1

Siehe auch:  Immobilienmarkt und Finanzstabilität – Teil 2