Drei Kurzinterviews mit Nicolas Vanier, Elisa de Lambert und François Cluzet MEIN FREUND POLY (2020)


Mit MEIN FREUND POLY wollte ich auf das herausragende Gespür von Kindern für Tiere aufmerksam machen. Kinder nehmen sehr gut wahr, oft besser als die Erwachsenen, was Tiere empfinden. Sobald sie können, handeln sie so, dass sie den Tieren das schönste Leben ermöglichen. Ihr klarer Blick und ihr Widerstand gegen Grausamkeit, Gleichgültigkeit oder Ungerechtigkeit verpflichtet uns – uns, die Erwachsenen – unser Verhältnis zu Tieren auf den Prüfstand zu stellen, auf dieselbe Art, wie die Jugendlichen uns heute auf der ganzen Welt dazu bringen, über die Zerstörung des Planeten nachzudenken. Wir müssen ihnen zuhören…

Nicolas Vanier,
Regisseur von POLY
https://nicolasvanier.com/portfolio/poly
(eigene Übersetzung)

Fragen an Nicolas Vanier

Auf dem Foto Regisseur Nicolas Vanier

Wie finden Sie die passenden Schauspieler für ihre Filme?

Sich für einen Schauspieler oder eine Schauspielerin zu entscheiden, ist immer eine Mischung aus Intuition und dem, was man über diese Person weiß, was sie ist und wofür sie im Leben steht, und vor allem muss der- oder diejenige natürlich zu der Rolle passen. Es war für mich z.B. völlig klar, dass Julie Gayet eine Frau aus den 60er-Jahren, in denen der Film spielt, perfekt verkörpern würde. Aber das Wichtigste ist dann immer noch die persönliche Begegnung. Ich bin absolut nicht in der Lage, einen Film mit einer Schauspielerin oder einem Schauspieler zu machen, für die ich keine Zuneigung empfinde. Ich spreche vor den Dreharbeiten viel mit ihnen, und auch nicht unbedingt nur über den Film. Damit es auf einer professionellen Ebene funktioniert, ist ein gewisses gegenseitiges Einverständnis erforderlich. Mit Julie, mit Patrick Timsit und François Cluzet bildeten wir eine großartige kleine eingeschworene Gemeinschaft….

Im Film werden unterschiedliche Themenfelder angesprochen wie Kindheit, Tiere oder Trennungen, die wir in vielen Ihrer früheren Filme finden, aber es gibt auch andere, aktuellere wie z. B. die Emanzipation der Frau?

aber es ist nicht so, dass das für mich Vorrausetzung wäre, überhaupt einen Film zu machen. Ich werde in Zukunft auch Filme drehen, die in eine ganz andere Richtung gehen. Und ja, MEIN FREUND POLY beschäftigt sich tatsächlich mit ganz aktuellen Themen. Unsere Gesellschaft denkt derzeit z. B. viel über den Tierschutz nach, gerade auch über die Haltung von Tieren in einem Universum wie dem der Zirkuswelt, auch über Misshandlungen. Und der Film zeigt auch, wie schwierig es in den 60er-Jahren war, als geschiedene Frau akzeptiert zu werden, gerade auf dem Land. Zu dieser Zeit blieben viele Paare zusammen, um den Schein zu wahren.

Auch Vegetarismus ist ein Thema… Und Sie haben beim Dreh von MEIN FREUND POLY versucht, die Auswirkungen der Dreharbeiten auf die Umwelt zu reduzieren. War das für Sie wichtig?

Man muss bedenken, dass es damals kein Dorf ohne Pferdemetzgerei gab, die ja inzwischen fast völlig verschwunden sind. Genauso hoffe ich, dass wir es bald schaffen werden, unseren Fleischkonsum drastisch zu reduzieren. Es ist absolut katastrophal für die Umwelt und die globale Erwärmung. Beim Dreh haben wir versucht, gemeinsam mit allen Units unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Wir haben versucht, uns wirklich strenge Richtlinien aufzuerlegen, indem wir zum Beispiel auf Plastikflaschen und Flugreisen komplett verzichtet haben. Vor Ort haben wir außerdem mit vielen lokalen Erzeugern zusammengearbeitet, z. B. indem wir uns beim Catering für Bio-Produzenten entschieden haben, die vorher nicht für das Kino gearbeitet hatten. Das Team hat sich sehr darüber gefreut, denn wir haben sehr gut gegessen! Wir haben uns viele Gedanken zu diesem Thema des „grünen Drehens“ gemacht, die nun auch als Reflexionsgrundlage für andere Filme dienen sollen. Wir haben auch eine Website erstellt (secoya-ecotournage.com), die ein Label für ökologisch verantwortungsbewusstes Drehen etablieren möchte.

Fragen an Elisa de Lambert

Wie war die Begegnung mit Nicolas Vanier für dich beim Casting von MEIN FREUND POLY?

Es war ein bisschen wie im Traum. Ich hatte schon einige Zeit Theater gespielt, aber das Kino hat mich sehr gereizt. Eines Tages hatte sich dann meine Mutter mit einer Freundin auf einen Kaffee getroffen, als sie eine SMS von einer anderen Freundin bekam, die ihr schrieb, dass Nicolas Vanier eine junge Schauspielerin für MEIN FREUND POLY suche. Ich habe meine Mutter angefleht, mich bewerben zu dürfen, und da sie in Ruhe ihren Kaffee trinken wollte, gab sie nach (lacht). Seit ich VORHANG AUF FÜR CYRANO im Kino sah, wollte ich unbedingt einen Film drehen, und zwar mit Tieren. Die Castingphase war dann lang, sehr lang. Dann traf ich Nicolas, der mich sofort beruhigte. Und schließlich, als ich Skifahren war, rief mich Nicolas an und sagte: „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für dich. Die schlechte Nachricht ist, dass du mich während der ganzen Dreharbeiten aushalten musst, aber die gute Nachricht ist, dass wir uns für dich entschieden haben!“ Ich bin vor Freude in die Luft gesprungen!

Welche Erinnerungen hast du an deine ersten Dreharbeiten fürs Kino?

Es war bestimmt eine der schönsten Zeiten meines Lebens. Ich habe die Schauspielerei schon immer geliebt, aber ich habe auch festgestellt, dass es eine sehr anspruchsvolle Arbeit ist. Manchmal hatte ich meine Szenen perfekt gelernt, aber kurz vor den Dreharbeiten wurde alles noch einmal geändert. Doch jedes Mal in dem Moment, wenn Nicolas sagt „Ruhe, wir drehen“, wurde alles magisch. Niemand bewegte sich mehr und ich nahm plötzlich nichts mehr um mich herum wahr, sondern wurde zu Cécile. Ich mag es, jemand anderes zu werden, mit anderen Schauspielern zu spielen. Und ich mochte die Atmosphäre beim Dreh, alle, die da ist, leben ihre Leidenschaft. Es ist fast wie eine große neu zusammengesetzte Familie. Auch wenn es manchmal hart ist, z. B. wenn wir zehn Takes von der gleichen Szene drehen müssen.

Konntest du dir bei Julie Gayet oder François Cluzet etwas für deine Schauspielkarriere abgucken?

Mit Julie habe ich viel geprobt, damit unsere Beziehung als Mutter und Tochter echt wirkt, das war toll. Und von François Cluzet war ich auch total beeindruckt. Er ist ein wunderbarer Schauspieler, der sich in seine Rolle hineinversetzt. Es war einfach, mit ihm zu spielen, weil ich nur seinen Emotionen folgen und auf sie reagieren musste. Ich habe gelernt, geduldig zu sein, was ich im Leben nicht unbedingt bin. Und ich habe auch gelernt, Emotionen zu spielen, die ich vielleicht selbst nicht kannte, und über mich hinauszuwachsen.

Fragen an François Cluzet

Szenenfoto mit François Cluzet (Victor) und Julie Gayet (Louise) Céciles Mutter

Was gefällt Ihnen an den Filmen von Nicolas Vanier? Er erschafft ja immer wieder eine Mischung aus populärem und gesellschaftskritischem Kino …

Nicolas ist ein herausfordernder Filmemacher, ohne die oft dazu gehörende Attitüde. Er kennt die Natur wie kein anderer und verteidigt sie seit Jahrzehnten leidenschaftlich, bei ihm wird nicht geschummelt, er zeigt uns das, was ihm wichtig ist, mit Einfachheit und Leidenschaft. Seine Filme sind wahrhaftig und das weiß das Publikum und kommt in Scharen. Nicolas hat sich diesen Erfolg wahrlich verdient. Mit ihm zu arbeiten ist eine Gelegenheit, die sich kein Schauspieler entgehen lassen sollte.

Wie entscheiden Sie sich für Ihre Rollen?

Ausschlaggebend sind für mich die Geschichte, der Regisseur und das, was er mit der Geschichte erzählen will, die Inszenierung und das Projekt als Ganzes und vor allem auch meine Mitspielerinnen und Mitspieler. Allein kann niemand reüssieren, das eigene Spiel hängt auch von der Qualität der anderen ab, wie sie ihr Handwerk beherrschen, wie sie spielen. Es bringt nichts, wenn sie sich nur an das halten, was sie für gut halten, das ist dann zum Nachteil des Films und der Anmut, die der Zuschauer zu spüren wünscht.

Wie verliefen die Dreharbeiten von MEIN FREUND POLY? Ihre Arbeit mit Julie Gayet und Patrick Timsit?

Ich mag Patrick schon sehr lange, und als ich ihn in seinem Kostüm sah, geschminkt als wäre er in einen Tuschkasten gefallen, wusste ich, dass er eine große Bereicherung für den Film sein wird. Leider haben wir kaum gemeinsame Szenen, das müssen wir uns dann für die nächste Zusammenarbeit aufheben. Und Julie als Partnerin zu haben, ist ein großes Glück: Sie ist loyal, aufrichtig und hat viel Fantasie, sie ist großzügig, sie war immer schon drei Schritte voraus. Sie hat mich mitgerissen und ich bin ihr mit geschlossenen Augen gefolgt. Wir haben beide einen Sinn für Gemeinschaft.

Quelle: capelight pictures

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