Neue Fassadenkonzepte für die leise Stadt Frankfurter Stiftung für Forschung und Bildung vergibt Publikationspreis


Kann die schallharte Stadt von heute durch den gezielten Einsatz von akustisch wirksamen Fassaden leiser werden? Die Stiftung für Forschung und Bildung der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) vergab hierfür den Publikationspreis 2020/2021 im Juni 2021. Die Auszeichnung ging an Holger Techen, Professor für Tragwerkslehre und Baukonstruktion am Fachbereich Architektur, Bauingenieurwesen, Geomatik und den wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr.-Ing. Jochen Krimm. Sie wurden für ihre Publikation „Neue Fassadenkonzepte für die leise Stadt“ gewürdigt. Gemeinsam haben sie den Beitrag für die Fachzeitschrift Fassade verfasst. Der Preis wird jährlich an Lehrende und Forschende der Frankfurt UAS vergeben und ist mit 1.000 Euro dotiert.

„Als Hochschule haben wir die Chance aufzuzeigen, wie sich unsere Städte nachhaltig und resilient entwickeln können. Das Thema Lärm und dessen Bewältigung ist dabei für Städte eine besondere Herausforderung. Für Frankfurt ganz besonders: eine Stadt mit einem der größten Flughäfen Europas, dem großen Bahn- und Verkehrsknoten in der Mitte Deutschlands und großen Industrieanlagen“, betont Prof. Dr. Martina Klärle, Vorsitzende der Frankfurter Stiftung für Forschung und Bildung und Vizepräsidentin der Frankfurt UAS. „Der ausgezeichnete Artikel, der primär für Bauschaffende und Planende ist, zeigt wunderbar die Möglichkeiten zukunftsfähiger Stadtentwicklung und Architektur im Umgang mit Lärm sowie die Haltung unserer Hochschule auf, die kürzlich als erste hessische Hochschule eine Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet hat.“

Die Stiftung will mit dem Preis Lehrende und Forschende der Frankfurt UAS weiter bestärken, fachspezifische und aktuelle Themen aus der Hochschule praxisnah und für einen breiten Leserkreis allgemeinverständlich zu vermitteln. Die Jury aus Medien, Wissenschaft und Wirtschaft zeichnete vor diesem Hintergrund den Artikel „Neue Fassadenkonzepte für die leise Stadt“, der im November 2019 in der Fachzeitschrift Fassade 06/2019 erschien, aus. „Die Frankfurt UAS feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum und der Publikationspreis feiert ebenfalls ein kleines: Er wird zum fünften Mal an Lehrende und Forschende vergeben, die eine überdurchschnittliche Präsenz in den Medien zu einem Forschungsthema oder einem Thema der Lehre erreicht haben und so auf ihre Weise unserer Hochschule zu einer Strahlkraft in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft verholfen haben“, so Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich, Präsident der Frankfurt UAS und für die Hochschulleitung in der Jury vertreten. „Mit dem Beitrag zeichnen wir in diesem Jahr einen Artikel aus, der sich sowohl auf die Forschung als auch auf die Lehre bezieht.“

Die fünfköpfige Jury begründete ihre Entscheidung u.a. mit der Relevanz der Thematik für die Gesellschaft, insbesondere für Großstädte und konkret für die Forschung und Lehre an der Frankfurt UAS mit ihrem starken Fachbereich Architektur, Bauingenieurwesen, Geomatik sowie für nachhaltiges Bauen im Allgemeinen. „Es überzeugte uns, dass der Artikel einerseits für ein nichtwissenschaftliches Publikum verständlich war und andererseits den wissenschaftlichen Anspruch, den Transfergedanken der Hochschule, kommunizierte. Vom ersten bis zum letzten Satz war alles schlüssig, verständlich und nachvollziehbar – kompetent für die Fachwelt, aber auch für uns Laien auf diesem Gebiet noch verständlich“, erklärt Karen Hoyndorf, Vorsitzende der Jury, Mitglied im Vorstand der Frankfurter Stiftung für Forschung und Bildung und Managing Director People & Culture, ManpowerGroupDeutschland GmbH & Co. KG. Ein weiteres Kriterium war die Kreativität des Textes: Hier beeindruckte die Jury die verschiedenen Sichtweisen auf die Herausforderung leiser Fassadengestaltung. Von Möglichkeiten der Bebauung in einzelnen Gebieten bis hin zur Erfassung von Messdaten und den daraus abgeleiteten Lösungsvorschlägen. Von Fassaden-Gestaltungsmöglichkeiten bis hin zur akustischen Wirksamkeit von Materialien bot der Artikel einen umfassenden Überblick. Das Forschungsthema wurde für den Lesenden sehr deutlich. Techen und Krimm erreichten mit diesem Artikel hohe Präsenz in der Fachwelt und somit die gewünschte positive Werbung für die Forschung und Lehre an der Hochschule.

Inhalte des Artikels:

Die Silhouetten der Ballungsräume werden charakterisiert durch eine hohe Dichte von Hochhausfassaden aus Glas, Metall oder Stein. Diese schallharten Fassadenflächen sind für zunehmende Lärmpegel im Stadtraum verantwortlich. Straßenverkehr, Industrie und Baustellen sind verstärkt wahrnehmbar. Neben dem Direktschall addiert sich in direkter Umgebung zum Gebäude der an der Fassadenoberfläche reflektierende Schall. Über diesen Effekt der Pegelerhöhung wird an der Frankfurt UAS schon länger geforscht. Da über die Planungstools der Architektur diese Lärmeinwirkungen maßgeblich beeinflusst werden können, wird im Rahmen des Architekturstudiums dieser Aspekt in Seminaren als Symbiose aus Lehre und Forschung vermittelt. Verdichtungsprozesse in den wachsenden Metropolen stellen die Architektur zudem vor Aufgaben, die sie mit Hilfe ihrer eigenen Werkzeuge nicht lösen kann.

Für städtebauliche Nachverdichtungen werden oft Flächen ehemaliger Industrie- und Gewerbenutzungen genutzt. Diese sind mit erhöhten Lärmemissionen der hochfrequentierten Infrastruktureinrichtungen behaftet. Beispiel dafür ist die „Bürostadt Niederrad“ in Frankfurt. Das Gewerbegebiet soll in ein Gebiet mit überwiegender Wohnnutzung überführt werden. Verkehrslärmquellen aus Straße, Schiene und Flug wirken aus verschiedenen Richtungen auf das Gebiet ein. Die Beeinflussung des Lärmeintrags im direkt angrenzenden Außenraum des Gebäudes kann durch Fassaden in verschiedenster Art gesteuert werden: über die Gebäudestellung und Lage der reflektierenden und beugenden Baukörper zueinander und über Geometrie und Material der Fassadenflächen.

Im Detail gibt es zwei Manipulationsmöglichkeiten: Zum einen der Einsatz von absorbierenden Materialien und zum anderen die Ausbildung von Fassadenflächen mit einer speziell akustisch wirksamen Geometrie. Die Einführung von absorbierenden Materialien gestaltet sich aus vielerlei Gründen nicht einfach. Die meisten dieser Materialien sind offenporig, können leicht verschmutzen und sind nicht widerstandsfähig. Eine Ausnahme stellt hier eine besondere Form der Grünfassade dar. Vollflächige Gebäudebegrünungen mit Substratmatten als Bewässerungsebene stellen nichts anderes dar, als eine hochabsorbierende Fassadenfläche. Um die akustischen Potenziale dieses Systems zu bestimmen, wurde ein Mock-Up auf dem Campus der Frankfurt UAS an einer stark befahrenen innerstädtischen Straße errichtet.

Der Straßenverkehrslärm wurde vor der Grünfassade in Zeitintervallen mit annähernd konstanten resultierenden Lärmpegeln gemessen. Mit stärkerem Bewuchs wurde eine weitere Messung durchgeführt, um Aussagen über den Einfluss der Dichte des Bewuchses zu bekommen. Aus den vor Ort gemessenen Verkehrslärmpegeln lässt sich ein Lärmreduzierungspotential von -3 dB ableiten. Die Messungen mit mehr oder weniger Bewuchs zeigen nur sehr geringe Unterschiede. Das bedeutet, dass im Falle des Einsatzes einer Grünfassade als Flächenabsorber das Substratmaterial über die akustische Qualität entscheidet und nicht die Bepflanzung. Um Grünfassadensysteme akustisch wirksam einzusetzen, ist die Systemauswahl entscheidend. Die vertikale Fassadenbegrünung bietet ideale Absorbereigenschaften. Die Grünfassade trägt nicht nur zur Verbesserung der akustischen Situation bei, sie ist zusätzlich in der Lage, Feinstaub zu binden und durch eine Erhöhung der Luftfeuchte in ihrer Umgebung das städtische Klima positiv zu beeinflussen.

Den Festvortrag hielt Ulrich Knaack, Professor für „Design und Construction“ an der TU Delft  in den Niederlanden und seit 2014 Professor für Fassadentechnik an der TU Darmstadt. Die Preisvergabe fand bereits zum zweiten Mal in einem Rahmen statt, der den ministeriellen Vorgaben zur Eindämmung der Corona-Pandemie an der Frankfurt UAS entsprach. Eine Aufzeichnung der Vergabefeier wird nachträglich auf der Homepage der Stiftung zur Verfügung gestellt.

Die 2014 gegründete Frankfurter Stiftung für Forschung und Bildung fördert Lehre, Forschung und Lebenslanges Lernen an der Frankfurt University of Applied Sciences. Weitere Informationen unter:

www.frankfurt-university.de/stiftung-forschung-bildung

Zu den Personen:

Prof. Dr.-Ing. Holger Techen ist seit 2006 Professor an der Frankfurt UAS. Er lehrt im Studiengang Architektur Tragwerklehre und Baukonstruktion.

Dr.-Ing. Jochen Krimm ist seit 1996 an der Hochschule und forscht seit 2011 am Frankfurter Forschungsinstitut für Architektur, Bauingenieurwesen, Geomatik (FFin). Gemeinsame Forschungsschwerpunkte sind: Akustik im Stadtraum; Entwicklung akustisch wirksamer Fassaden, die den Stadtraum leiser werden lassen; Entwicklung praxisnaher Messmethoden, die der Evaluierung derartiger Fassadenentwicklungen dienen; Bestimmung von Planungsparametern für das akustisch wirksame Bauen im urbanen Kontext; Grünfassadensysteme als Maßnahme der energetischen Fassadenertüchtigung.

Meldung: Frankfurt UAS