Kinostart ab 12. Mai 2022: Seine Kunst machte ihn in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts beim Bürgertum bekannt, seine Kriegserfahrung später zum Dissidenten, seine politische Haltung schließlich zum Exil-Künstler. Heinrich Vogelers Lebensgeschichte ist eine radikale Sinnsuche in Zeiten großer Umbrüche. Sie wirft universelle Fragen zu Verständnis und Verantwortung von Kunst auf, die in Interviews mit zeitgenössischen Kunst- und Kulturschaffenden diskutiert werden und eine Brücke zum 21. Jahrhundert und dem Kunstbegriff der Gegenwart schlagen. Dabei verschmelzen die Zeitebenen sowie fiktionale und dokumentarische Aufnahmen mit Interviews, Archivbildern und Vogelers Malerei im Film zu einem organischen Gesamtwerk.
So betrachtet wirkt der Film in vielen Teilen wie eine Fernsehproduktion, die zwischen Fiktion und Dokumentation angesiedelt beinahe informell aus dem Leben des Künstlers schildert, der im Künstlerdorf Worpswede neben Paula Modersohn-Becker und Rainer Maria Rilke zu einer der schillernsten Figuren der frühen Kunstbewegungen des 20. Jahrhunderts zählt. Die Wahl der filmischen Mittel wurde bewusst gewählt. Die Schnittstelle zwischen anerkanntem Künstlertum, sozialem Abstieg im Deutschen Reich und der Auswanderung in die Sowjetunion aus Überzeugung geht betont sachlich über die Bühne. Die ungeahnte, märchenhafte Schönheit der Illustrationen und des Vignettenzeichners Heinrich Vogeler (1872 – 1942) kommen auf diese Weise gar nicht mehr so richtig zur Geltung. Im Vordergrund stehen seine Bildwerke und seine großformatigen Leinwandarbeiten aus dem Atelier, die ebenfalls ihren Bekanntheitsgrad haben, aber nicht über diese Intensität seiner Illustrationen verfügen. Ich finde beispielsweise Paula-Modersohns Werke viel stärker im künstlerischen Ausdruck, obwohl die Frauenbildnisse Heinrich Vogelers einen viel feineren Duktus verraten, der meiner Meinung seine Ursprünge im Jugendstil zu suchen hat, was in dem Sinne keine ausgeprägte Kunstrichtung war, sondern den Zeitgeschmack der damaligen Zeit widerspiegelt. Erst nach Aufbruch in die Sowjetunion verknüpft mit der Aufforderung sich am Aufbau des Landes und seinen Menschen zu beteiligen, bringen den künstlerischen Umbruch. Wenn diese Bilder Heinrich Vogelers aus der Sowjetunion oftmals einen ideologischen Impetus zeigen, so sind sie von einer expressiven Aufbruchsstimmung geprägt, die der zart besaitete Jugendstilkünstler während seiner Jahre in Deutschland nicht so einfach an den Tag legte.
Zur Filmwebsite: Heinrich Vogeler – Aus dem Leben eines Träumers