São Paulo Heterotopia – Urban spaces in suspense (1. Auflage 2022) Hrsg. Ulrike Böhm, Katja Benfer und Cyrus Zahiri - transcript Verlag


Der vorliegende Band wurde zweisprachig mit Texten in den Sprachen Deutsch und Englisch gestaltet. Auf der Annahme beruhend, dass viele der Stadträume São Paulos mit Ideen des brasilianischen Architekten und Stadtplaners Francisco Prestes Maia (1896 – 1965) verknüpft sind. Wenn einige der Beiträge auf brasilianischem portugiesisch geschrieben worden wären, so hätte das nicht zuletzt zu einem besseren Sprachverständnis des Brasilianers beigetragen. Er spricht deshalb verstärkt in seinen Realisierungen, den Plänen dazu, spricht in seinen Entwürfen und Skizzen. Dem europäischen Raum ist Prestes Maia jedoch weitgehend unbekannt geblieben. In den 1930er Jahren entwickelte er Konzepte zur Neuordnung und Modernisierung des Stadtgefüges São Paulos. Seine ‘Plano de Avenidas’ sehen ein übergeordnetes System vor, das ein Gebilde aus Schnellstraßen, Kernstadt und Vorstädten mit dem Umland São Paulos verbindet. Seine Stadtvorstellung illustriert er anhand von Ideenskizzen zu besonderen Knotenpunkten. Beispielhaft verknüpft er Freiräume, Hochbauten und Verkehrswege zu komplexen Bauten. Der Knotenpunkt MASP-Mirante illustriert dies. Die Projekte Galeria Metropole, Galeria Nova Baräo und Galeria do Rock sind Ergebnisse städtebaulicher Festsetzungen.

Ende des 19. Jahrhunderts verfügt São Paulo über ein sternförmiges Eisenbahnnetz, das die Kaffeeanbaugebiete im Umland mit der Stadt und dem nahegelegenen Hafen Santos verbindet. In Folge des ,Kaffee-Booms’ und des Zuzugs von Arbeitskräften, dehnt sich die Stadt stark in Richtung Norden und Nordwesten aus. Zur Modernisierung dieses Gefüges entwickelt Prestes Maia eine Reihe von weitreichenden Entwurfsideen. Seine Konzeption fasst er 1930 in der Publikation ‘Plano de Avenidas’ zusammen. Zwischen 1938 und 1945 sowie 1961 und 1965 hat Prestes Maia die Gelegenheit, Teile seiner Vorstellungen als Bürgermeister umzusetzen. Er versteht sein Planwerk als Gesamtkonzeption. Dazu zählen Anforderungen des motorisierten Individualverkehrs, Maßnahmen zur Regulierung von Überschwemmungen, das Bereitstellen eines Freiflächenangebots sowie Vorgaben zum Umgang mit hoher baulicher Dichte. Seine Planung sieht dazu ein Radialsystem vor, das über hierarchisierte Straßen den Stadtkern mit dem Umland verbindet. Seine Vorschläge beziehen sich dabei auch auf solche Verkehrsverbindungen zum Überwinden topographischer Hindernisse.

Ab den 1930er Jahren entstehen im Stadtteil Centro Novo erste Galeriebauten. Die städtebaulichen Festsetzungen verlangen ein weitgehend offen zugängliches Erdgeschoss, was unabhängig vom Grundstückszuschnitt ist. Auf langgestreckten Parzellen entstehen zunächst Durchgangspassagen; ein Rückgriff auf das in Europa historisch bekannte Galeriemotiv wie zum Beispiel in Mailand. Ein weiterentwickelter Gebäudetyp nutzt das offene Erdgeschoss als Auftakt für ein dreidimensionales Erschließungsgefüge. Die dazu notwendigen Verbindungselemente verknüpfen die Stadtebene und die darüber liegenden Geschosse miteinander.

Eingesetzt werden Erschließungssysteme aus Treppen, Rolltreppen und Rampen, um die über dem Erdgeschoss liegenden Ebenen zu erkunden. Kombiniert werden diese Elemente mit mehrgeschossigen Gebäudeöffnungen, Lufträumen, Lichthöfen, Stadtloggien, großzügigen Fassadenöffnungen sowie bewegten Fassaden. Stellenweise sind auch die Dachebenen als Freiflächen und Dachgärten einbezogen.

In den 1960er Jahren entstehen Betreiberkonzepte mit Bezeichnungen wie Grandes, Presidente oder Metropole. Die Galerien bieten eine Mischung aus Kultur- und Konsumangeboten, der sich überwiegend an die Mittel- und Oberschicht São Paulos richtet. Dazu gehören exklusive Modegeschäfte und Buchhandlungen, ergänzt durch Großkinos, Bars, Cafés und Restaurants. Neben rein gewerblich genutzten Projekten entstehen auch gemischte Komplexe, die Läden, Gewerbe- und Büroflächen mit Wohnungen kombinieren. Ab Mitte der 1960er Jahre verliert das Centro Novo immer mehr seine bahnbrechende Wirkung auf seine Bewohner. Die Militärregierung in Brasilien schränkt Treffen in öffentlichen Räumen sowie zulässige Nutzungen stark ein.

Der Pappband verfügt über Seiten mit Text, die oftmals durch ganzseitig bebilderte Seiten mit Farbfotografien, meist Stadtansichten São Paulos, abgelöst werden. Das Schriftbild der Innenseiten ist recht kleinformatig gehalten. Zahlreiche Lagepläne veranschaulichen Verkehrsnetz und Straßenzüge der Stadtregion. Viele Seiten wurden invertiert in einem hellen Grau mit heller Schrift wiedergegeben, passend dazu sind Grundrisse und Schnitte zu den Gebäuden. Äußerlich ist der Band im Vergleich zu seiner Höhe sehr breit gehalten, das erhöht den Panoramaeffekt mancher Bilder.

Leseprobe…

São Paulo Heterotopia
Urban Spaces in Suspense / Urbane Räume in der Schwebe
(ed./ Hg.) Ulrike Böhm / Katja Benfer / Cyrus Zahiri
transcript Verlag, Bielefeld
1. Auflage 2022
Sprachen: Englisch und Deutsch
200 Seiten, zahlr. farbige Abb.
Format: 23,7 x 17 x 1.5 cm
ISBN: 978-3-8376-6575-8
auch als eBook
ISBN: 978-3-8394-6575-2
Dateigröße: 23.32 MB

Siehe auch: ‹Access for all: São Paulos soziale Infrastrukturen› S AM Schweizerisches Architekturmuseum, Basel vom 20. März bis 15. August 2021

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