Was ist ein Original? Diese scheinbar einfache Frage stand am Anfang meines Interesses für „Manche mögen’s falsch“ – und erwies sich als überraschend komplex. In der westlichen Kunsttradition gilt das Original als einzigartiger Ausdruck individueller Kreativität, während alles, was danach kommt – Kopie, Replik, Zitat – oft als minderwertig oder gar als Fälschung angesehen wird. Aber ist diese Unterscheidung heute noch haltbar? Meine filmische Reise begann mit einer absurden Szene: Während der Dreharbeiten zu einem ganz anderen Film – über Pfandleiher in Deutschland – erschien ein russischer Kunde mit einer angeblichen Ikone von Andrej Rubljow. Der Streit um die Echtheit eskalierte ins Absurde: Röntgenanalysen, Gutachten, Zertifikate – bis das Bild „versehentlich“ durch zu lange Bestrahlung auf 7.000 Jahre datiert wurde. Das groteske Spiel mit Wahrheitsansprüchen offenbarte, wie sehr unser Umgang mit Kunst von Kontext, Zuschreibung und Glauben geprägt ist.

Diese Episode führte mich an den Ort, aus dem die Ikone tatsächlich stammt: Dafen, ein Stadtteil von Shenzhen, in dem täglich Tausende von Reproduktionen berühmter Gemälde entstehen. Van Gogh, Monet, Vermeer, Klimt – mit großer Präzision gemalt von Menschen, die manchmal nicht einmal die Namen der Originalkünstler kennen. Diese Bilder zirkulieren global, doch ihre Produzent*innen bleiben meist unsichtbar. Ihre Arbeit wird selten als künstlerische Leistung anerkannt – obwohl sie genau das ist. In „Manche mögen’s falsch“ blicken wir neugierig und ohne moralischen Zeigefinger auf diese Welt. Der Film will nicht urteilen, sondern Fragen stellen: Ist ein Bild weniger wert, weil es tausendfach existiert? Liegt in der Reproduktion nicht auch eine Form von Kreativität und Handwerk? Und worin besteht heute die Aura eines Werkes – im Mate rial, in der Geschichte, im Kontext oder einfach in unserer Vorstellung? Im digitalen Zeitalter, in dem alles jederzeit kopierbar ist – Musik, Bilder, Texte -, gerät die Idee des „echten Originals“ ins Wanken. Gleichzeitig wächst die Sehnsucht nach dem Authentischen. In Dafen treffen diese Gegensätze aufeinander: industrielle Kunst produktion und persönliche Hingabe, globaler Markt und individuelle Biografie. Fami lien leben zwischen Klassikern der Moderne, Kinder schlafen unter „Seerosen“ und „Sternennächten“. Atelier, Wohnzimmer und Lagerraum fallen oft zusammen. Mich interessiert, was passiert, wenn Kunst nicht auratisch entrückt ist, sondern alltäg lich, greifbar, überlebensnotwendig. „Manche mögen’s falsch“ ist auch eine Einladung, die gewohnten Kategorien von „richtig“ und „falsch“, „Original“ und „Kopie“ zu hinter fragen – mit Offenheit, Humor und einem Blick für die Widersprüche dazwischen. Denn vielleicht ist das Original manchmal einfach nur eine besonders gut erzählte Geschichte.
BIOGRAFIE Geboren 1970 in Nowy Targ (Polen), ist ein vielfach ausgezeichneter Regisseur und Autor von Dokumentar- und Spielfilmen. Nach einem Schauspielstudium in Krakau und ersten Theaterengagements stu dierte er Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. Seit Ende der 1990er Jahre lebt und arbeitet er in Deutschland. Neben zahlreichen Publikumspreisen wurde er unter anderem mit dem Adolf-Grimme-Preis und dem Hessischen Filmpreis ausgezeich net. Muchas Handschrift zeichnet sich durch eine besondere Balance von dokumentarischer Genauigkeit und erzählerischem Witz aus – und macht ihn zu einer der eigenständigsten Stimmen des europäischen Dokumentarfilms

