Regienotiz von Sabine Lamby & Cornelia Partmann FRITZ BAUERS ERBE – GERECHTIGKEIT VERJÄHRT NICHT (2023)


Filmposter

1983 haben wir von Frankfurt am Main aus, als 17jährige Schülerinnen, eine Oberstufen-Kursfahrt nach Polen unternommen. Ein Programmpunkt war der Besuch der Gedenkstätte Auschwitz. Die unfassbaren Verbrechen, die hier begangen worden waren wurden sehr real. Der Besuch der Gedenkstätte hinterließ einen tiefen Eindruck in uns. Fast parallel zu unserem Besuch, wurde das Verfahren gegen Oskar Gröning, der in Auschwitz als SS-Mann unter anderen an der sogenannten „Rampe“ tätig war, von der Frankfurter Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Begründung lautete damals, dass „kein hinreichender Tatverdacht vorliegt“. 2015 im Nachgang des von unserer Produktionsfirma entwickelten und co-produzierten Kinofilms „Im Labyrinth des Schweigens“, der das Zustandekommen des ersten Auschwitz-Prozesses 1963 unter Fritz Bauer thematisiert, begannen wir zu recherchieren, warum es danach nicht zu einer Prozessflut kam. Das vertrauensvolle Verhältnis zu Gerhard Wiese, dem ehemaligen Staatsanwalt vom Frankfurter Auschwitz-Prozess, und die Informationen von anderen Zeitzeugen, waren mithin ein Grund dafür.

Ein weiterer Auslöser war die Verurteilung von Oskar Gröning, im Jahr 2015. Das große mediale Interesse zum Prozess gegen Gröning zeigte, dass es nicht nur das „große Schweigen“ während der Nachkriegszeit gab, sondern auch das jahrzehntelange „Justiz Versagen“ unter dem Radar der Öffentlichkeit lief. Was waren die Gründe dafür? Dem mussten wir nachgehen. Anfang November 2018 konnten wir (Sabine Lamby, Cornelia Partmann und Isabel Gathof), gemeinsam mit unserem Co-Regisseur Jens Schanze, die Prozesseröffnung gegen Johann R. In Münster dokumentieren und es folgten 26 weitere spannende und ereignisreiche Drehtage in Deutschland, Israel, USA und Polen. Die Recherche zu den konkreten eingestellten Ermittlungen und/oder Verfahren zu NS-Verbrechen, nach dem Auschwitz-Prozess und bis zum Demjanjuk Verfahren, waren aufwändig und zeitintensiv. Der Vergleich mit einem „Labyrinth“ wäre auch hier passend.

Der Film soll und kann keine abschließende Antwort auf die Frage geben, warum die deutsche Justiz Jahrzehnte benötigte um den Massenmord in den deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern, als ein Verbrechen mit sehr vielen Mittätern, zu ahnden und vor Gericht zu bringen. Die Antwort, dass „alte Nazis“ in den Institutionen dies verhindert hätten, kann nicht mehr für die 80iger/ 90iger Jahre gelten. Es gibt keine „einfache“ Antwort auf diese Frage und sich dem zu stellen und der Antwort weiter nachzugehen, auch über den Film hinaus, ist uns wichtig. Außerdem möchten wir mit dem Film den Überlebenden und deren Angehörigen, die gebührende Aufmerksamkeit geben. Wir haben von ihnen verschiedene Auffassungen zu diesen sehr späten Prozessen gehört, teils waren sie sehr bitter, teils sehr pessimistisch, teils versöhnlich. Aber in einem waren sie sich einig: Die juristische Aufklärung durch die deutschen Gerichte der Verbrechen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern und der daraus einhergehenden Urteile, hat dazu beigetragen, Annäherung und Vertrauen zu ermöglichen. Sabine Lamby & Cornelia Partmann Produzentinnen naked eye Filmproduktion und Co-Regisseurinnen

Filmbewertungsstelle: Prädikat besonders wertvoll: „Es ist begeisternd, mit welcher Akribie und Klarheit die Regisseurinnen die Geschichte der NS-Prozesse in der Bundesrepublik Deutschland auffächern und beleuchten. Als Ausgangspunkt dient das Hamburger Verfahren gegen Bruno Dey, dass sie zurückhaltend, aber mit großem Erkenntnisinteresse und viel Empathie begleiten. Dabei stellen sie uns einige außergewöhnliche Menschen vor, die mit ihrer persönlichen Lebensgeschichte oder ihrer juristischen Fachkompetenz, aber stets mit klarer Haltung, den Film prägen.“

Auf dem Foto Zeitzeugin Roza Bloch

Sabine Lamby wurde 1966 in Frankfurt am Main geboren und studierte in Mainz und München Publizistik, Germanistik und Politik. Im Jahr 2000 gründete sie in München mit Giulio Ricciarelli die naked eye filmproduction und der erste Kinospielfilm „Birthday“ entstand 2001 unter der Regie von Stefan Jäger (u.a. Drehbuchpreis Max Ophüls Festival). 2014 entstand nach mehrjähriger Recherche und Vorbereitung der Film “Im Labyrinth des Schweigens” gemeinsam mit der Claussen+Putz Filmproduktion. Giulio Ricciarelli führte dabei Regie. Der Film gewann zahlreiche Preise und wurde zum deutschen Filmpreis in mehreren Kategorien nominiert.

Cornelia Partmann wurde 1966 in Frankfurt am Main geboren und lebt seit 1986 in Berlin. Sie hat einen Magisterabschluss in Filmwissenschaft von der Freien Universität
Berlin. Während ihres Aufenthalts in New York von 1999-2003 studierte sie Dokumentarfilm Produktion und Regie an der NYU. Dort drehte und produzierte sie u.a. ihren ersten Dokumentarfilm “Dating Lisa”, ein Porträt über die damalige Büroleiterin und “Grande Dame” der deutsch-jüdischen Zeitung “Aufbau” (ausgestrahlt auf ZDF-History und arte). Seit 2008 ist sie Produzentin bei der naked eye Filmproduktion mit dem Schwerpunkt der Stoffentwicklung. Außerdem ist sie Inhaberin der Agentur Naked Eye für Regie, Drehbuch und Filmmusik mit Sitz in Berlin.

Hinter Feinshmeker Film steht die junge Produzentin und Filmemacherin Isabel Gathof.Vor ihrer Ausbildung zur Werbekauffrau bei der Werbeagentur Saatchi & Saatchi in Frankfurt/Main absolvierte sie bereits erste Praktika in der Werbe- und Fernsehbranche, mit dem festen Entschluss, eines Tages an einer Filmhochschule zu studieren.

Siehe auch: FRITZ BAUERS ERBE – GERECHTIGKEIT VERJÄHRT NICHT

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