Baustopp Elbtower Hamburg nach Insolvenz des Investors Signa-Holding Immobilien


Auf dem ohnehin schon in Mitleidenschaft gezogenen Markt wirken Nachrichten wie diese über den Insolvenzantrag der Signa-Holding des österreichischen Immobilieninvestors René Benko wie eine Ankündigung mit Folgen. Doch heutzutage gehören Schreckensmeldungen aus der Immobilienbranche, wie sogenannte Insolvenzen mit Sanierung auf Eigenverantwortung, fast schon zur Tagesordnung.

Erst seit einigen Wochen ist bekannt, dass die Helaba beim Elbtower der Signa-Gruppe in Hamburg als sogenannter „tauglicher Finanzierer“ die geforderte Vorvermietungsquote bestätigte, woraufhin die Stadt unter dem damaligen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz auf das Projekt einwilligte. Das avisierte Finanzierungsvolumen von 750 Millionen Euro konnte die Helaba jedoch nicht zustande bringen. Zudem stockt die Vermietung, sodass die Projektgesellschaft Insolvenz anmeldete. Es bestehe jedoch keinerlei vertragliche Bindung zwischen der Gesellschaft des Elbtowers und der SIGNA Holding GmbH. Den Hoffnungsträgern geben derartige Meldungen weiterhin Auftrieb, sie hoffen bald auf eine Lösung nach dem Baustopp.

Der Elbtower soll einmal der Abschluss der HafenCity werden, an der seit 2001 gebaut wird. Geplant ist ein ca. 245 Meter hohes Gebäude mit gemischter Nutzung (Hotelbetrieb, Büros, museale Nutzung, Gastronomie, Einzelhandel und Tiefgarage). Oberhalb des 50. Obergeschosses soll mindestens ein Aussichts- und Besuchergeschoss realisiert werden. Der Elbtower sollte kraftvoller Abschluss der HafenCity-Entwicklung werden, gleichzeitig Auftakt für den Eingang zum Zentrum Hamburgs. Ein skulpturales städtebauliches Pendant zur Elbphilharmonie nach den Entwürfen David Chipperfield Architects privat errichtet und finanziert.

Die Signa hatte Ende Oktober 2023 die Bauunterbrechung im Gewerk Rohbau des Elbtowers bestätigt. Dazu Karen Pein, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen der Freien und Hansestadt Hamburg: „Bei dem Bauvorhaben des Elbtowers handelt es sich um ein Projekt im Risiko des privaten Investors. Die Stadt Hamburg erwartet, dass das Bauvorhaben entsprechend der im Kaufvertrag vereinbarten zeitlichen Fristen und qualitativen Merkmale fertiggestellt wird. Sollte die Bautätigkeit, wie von der Signa in Aussicht gestellt, zeitnah wieder aufgenommen werden können, entspricht der Baufortschritt nach wie vor dem im Kaufvertrag vereinbarten Zeitplan. Im Falle des Nichteinhaltens vereinbarter Meilensteine zum Baufortschritt sind im Grundstückskaufvertrag zunächst Vertragsstrafen und im weiteren Verlauf Wiederkaufsrechte für die Freie und Hansestadt Hamburg in Bezug auf das Grundstück sowie umfangreiche Eintrittsrechte in die bestehenden Planungs- und Bauverträge vereinbart. Dies ermöglicht es der Stadt Hamburg unter anderem, die bislang erbrachte Bauleistung rückzubauen, diese an einen Dritten zur Vollendung zu veräußern oder den Bau selbst fertigzustellen..“                                                                                                            

Die erst 2010 gegründete SIGNA Prime Selection AG galt als eines der führenden Immobilienunternehmen in Europa, mit einer hohen Eigenkapitalstärke und hohen Bonität mit einem A+ Rating. Zum Portfolio mit einem Immobilieninvestment von insgesamt 8,5 Mrd. Euro zählen etwa das KaDeWe in Berlin, das Goldene Quartier in Wien mit dem Park Hyatt Vienna und das Alsterhaus in Hamburg. Im Ranking der drei Bestbieter, mit denen die HafenCity Hamburg GmbH drei Kaufverträge bis zur Unterschriftsreife zeitgleich verhandelt hat, hat sie nicht nur mit dem herausragenden Entwurf von David Chipperfield Architects Berlin überzeugt, sondern auch mit einer Belastbarkeit der Finanzierung und einer hohen Eigenkapitalabdeckung gepunktet.

Der Wolkenkratzer soll sich harmonisch in die Stadtsilhouette einfügen, Visualisierung: © David Chipperfield Architects

Der Elbtower – Ein Hochhaus-Unikat

Das Gebäude liegt auf einem nahezu dreieckigen Grundstück zwischen großen Infrastrukturen (Bahn und Straßen) direkt an den Elbbrücken, dem Ort der ersten Elbquerung. Von einem breiten, dreieckigen Sockelbau, der vier bis fünf Geschosse umfasst und den größten Teil des Grundstücks einnimmt, wächst der Turm steil in die Höhe. Die skulpturale Form setzt sich aus dem Zusammenspiel von konkav ausgebildeten Gebäudekanten zusammen.

Dabei bildet das Gebäude nach Osten hin eine auseinanderstrebende, sich nach oben aufweitende Form aus, im Westen greift es mit der niedrigeren Bebauung die Höhe der HafenCity auf und nimmt sich gegenüber der S-Bahn zurück. Wegen der hohen Lärm- und Windexponiertheit entsteht auf dem Grundstück kein größerer Platz; stattdessen entsteht im nach Südwesten ausgerichteten, niedrigen viergeschossigen Teil des Gebäudes ein geschützter und gefasster Stadtraum mit einem inneren Platz.

Bereits in den Anforderungen der Grundstücksauslobung wurde sehr viel Wert gelegt auf die publikumswirksamen Nutzungen im Sockelgeschoss. Als mischgenutztes Hochhaus mit insgesamt mehr als 100.0000 qm Bruttogeschossfläche entwickelt sich der Elbtower von einem öffentlichen, vielfältig genutzten Sockel mit Entertainment- und Edutainmentflächen, Einzelhandel und Gastronomie über halböffentliche Nutzungen wie Hotel, Boarding House, Fitness- und Wellnessbereiche, Kinderland und Co-Working-Flächen bis hin zu modernen und flexibel gestaltbaren Büroflächen in den Turmgeschossen. Sozialer und kommunikativer Treffpunkt des Gebäudes ist das tagesbelichtete, überdachte Atrium. Durch diese helle Mitte führen alle Wege, der innere Platz wird zur identitätsstiftenden Destination des Elbtowers. Der Bauherr hat sich entschieden, wegen der extremen Lärmwerte am Standort kein Wohnen vorzuschlagen. Die einzelnen Nutzungen und Flächen innerhalb der Kategorien sind im Detail nicht festgelegt, dafür fehlt sieben Jahre vor Fertigstellung die Möglichkeit Verträge zu schließen, so könnte z.B. das Hotel zu Lasten von Büroflächen größer werden.

Stadteingang Elbbrücken, Variante A: © moka-studio Neuer Service: Bildarchiv der Pressestelle des Senats: © FHH, GMP / Stadteingang

Das Baugenehmigungsverfahren

Im Dezember 2020 hatte der Investor SIGNA Real Estate einen Bauantrag für den Elbtower gestellt. Seitdem hat die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen intensiv an dem Antrag gearbeitet. 2022 wurde die Baugenehmigung für den Elbtower erteilt. Der Elbtower erfüllt darüber hinaus höchste Nachhaltigkeitskriterien. Er wird nach dem Platinum Standard des Umweltzeichens HafenCity zertifiziert und sich in das ambitionierte Smart Mobility Konzept der östlichen HafenCity einfügen.

Der Rahmenplan

Der Rahmenplan Stadteingang Elbbrücken enthält erstmals eine übergreifende Zukunftsperspektive für das rund 80 Hektar umfassende Gebiet, das sich von der nördlichen Veddel über das westliche Rothenburgsort bis ins südliche Hammerbrook erstreckt.

Die Erarbeitung des Rahmenplans war 2019 mit einem Städtebaulichen Testplanungsverfahren mit sechs europäischen Planungsteams angestoßen worden. Unter anderem in zwei Stadtwerkstätten konnten Bürgerinnen und Bürger ihre Anregungen einbringen. Final verfasst wurde der Rahmenplan schließlich vom Hamburger Architektenbüro gmp International GmbH in Zusammenarbeit mit den Freiraumbüros WES Landschaftsarchitektur GmbH (Hamburg) und Büro Hager AG (Zürich).

Umnutzung überdimensionierter Verkehrsflächen der 1960er Jahre

Ein zentrales Anliegen des Rahmenplans ist es, aus dem Gebiet einen schlüssigen, zusammenhängenden Stadtraum zu schaffen. Aktuell prägen massive Bahntrassen und eine der am stärksten befahrenen Hauptstraßen Hamburgs das Bild eines Transitraums. Künftig sollen unter anderem durch den Rückbau überdimensionierter Verkehrsflächen neue Grundstücksflächen geschaffen werden. Rund um die Billhorner Brückenstraße sieht der Rahmenplan auf den Flächen eines untergenutzten Autobahnkleeblatts aus den 1960er Jahren neue Quartiere vor, die vor allem von innovativem Gewerbe sowie von Kultur- und Kreativwirtschaft geprägt werden, in lärmabgewandten Bereichen aber auch Wohnen ermöglichen können. Die künftige Bebauung soll an die innerstädtische Dichte anknüpfen, die insbesondere Rothenburgsort vor dem Zweiten Weltkrieg auszeichnete, und weist unter anderem ein Hochhaus von 90 Metern sowie zwei Stadtplätze auf. Der Billhafen bleibt frei.

Parklandschaft von der Norderelbe bis zur Bille

Der Rahmenplan sieht zudem eine Parklandschaft vor, die sich schrittweise von der Norderelbe bis zur Bille in Hammerbrook entwickelt. Bisher sind die Ufer an vielen Stellen unzugänglich. Öffentliche Wege am Wasser und Grünräume mit unterschiedlichen Freizeitangeboten sollen Abhilfe schaffen. So ist etwa ein durchgehender Weg vom Hochwasserbassin in Hammerbrook bis zur Brandshofer Schleuse im südlichen Rothenburgsort vorgesehen, der teilweise auch über Stege auf dem Wasser geführt wird. Den neuen Billepark charakterisiert eine raue Idylle: Wasser- und Grünflächen werden aktiv erlebbar, bleiben allerdings weiterhin gerahmt von Industrieanlagen sowie eindrucksvollen Straßen- und Bahnbrücken.

Varianten für den Veddeler Marktplatz

Auf der nördlichen Veddel stehen die Weiterentwicklung des Veddeler Marktplatzes mit einem denkmalgeschützten Zollhallen-Ensemble sowie des Elbufers im Fokus. Für die Zollhallen wurden zwei Varianten ausgearbeitet: Eine vollständige Umbauung der alten Gebäude (Variante A) würde eine lärmgeschützte Insel schaffen, die neben Gewerbe, Gastronomie, Einzelhandel und soziokulturellen Nutzungen auch Wohnen erlauben würde. Eine offene Einfassung der Hallen mit neuen Gebäuden zu beiden Seiten (Variante B) würde eine Nutzungsvielfalt ohne Wohnen erlauben und zugleich den direkten Bezug zur Elbe stärken. In jedem Fall soll der neue Park „Veddeler Balkon“ einen grünen Treffpunkt für die Nachbarschaften von Veddel und Grasbrook nahe der Elbe schaffen.

 

Brücken und Verknüpfungen

Eine entscheidende Rolle spielt die künftige Verknüpfung der verschiedenen Orte. Dazu werden Wegebezüge systematisch ausgebaut und gestärkt: Dazu gehören verbesserte Unterquerungen der Elbbrücken ebenso wie neue Fuß- und Radwegbrücken etwa über den Billhafen, über die Bille am südlichen Ende des Hochwasserbassins, vom HafenCity-Quartier Elbbrücken zum Entenwerder-Park sowie über die Bahntrasse zwischen Veddel und Grasbrook. Auf diese Weise entsteht ein kleinteiliges lokales Wegenetz, das den Barrieren durch die übergeordneten Verkehrstrassen entgegenwirkt und die Entwicklung vom Transitraum zu lebendigen Nachbarschaften mit hohen Aufenthaltsqualitäten stärkt.

Auch der Zugang zum ÖPNV wird damit erheblich verbessert: So eröffnet die Brücke vom Entenwerder-Park die erste direkte Verbindung zwischen Rothenburgsort und dem Verkehrsknotenpunkt Elbbrücken mit seiner kombinierten U- und S-Bahnstation sowie mehreren Buslinien. Diese Brücke soll bereits 2023/24 fertig gestellt werden. Die geplante Überquerung des Billhafens erschließt den Verkehrsknotenpunkt Elbbrücken zusätzlich für Rothenburgsort und Hammerbrook. Die Brücke von der nördlichen Veddel zum Stadtteil Grasbrook macht das Hamburger U-Bahnnetz erstmals direkt für die Menschen auf der Veddel erreichbar. Sie führt zu der neuen U-Bahnstation Grasbrook und verknüpft die beiden Stadtteile barrierefrei.

Hamburg wächst und damit auch der Anspruch der Stadt an sich selbst. Bis auf wenige Ausnahmen wie die Mundsburg Türme oder das Radisson Blu Hochhaus verzichtete die Hansestadt bisher darauf, zu weit in den Himmel zu bauen. In ihren Leitlinien legte die Stadt einst fest, dass sich die Höhenentwicklung von Gebäuden innerhalb des Wallringes dem Umfeld anpassen soll, sprich die bestehende Stadtsilhouette mit den Kirchtürmen und Blickachsen nicht verändert oder beeinträchtigt werden soll.

Der Platz für den Elbtower liegt zwar deutlich außerhalb dieses Gebietes, dennoch soll sich der Wolkenkratzer an der Hamburg-Silhouette orientieren und sich mit Respekt für Hamburgs Baukultur in die berühmte Skyline einfügen. Dafür soll auch der gestufte Fuß des Towers sorgen, der sich in Richtung Stadt wendet. Gleichzeitig soll der Elbtower mit seinem Standort eine ikonische Fernwirkung entfalten und Eingang zu den künftigen Stadtentwicklungsräumen Billebogen und Grasbrook sein.

 

Daten und Fakten zum Elbtower
• Bauherr: SIGNA Prime Selection AG
• Architekt: David Chipperfield Architects Berlin
• Höhe des Gebäudes: 233,30 m (über 8,70m NN)
• Gesamtinvestitionskosten: rund 700 Millionen Euro
• Grundstücksgröße: 21.055 qm
• Fläche: Bruttogeschossfläche gesamt: ca. 104.000 qm (über 8,70 NN)
• Nutzung bzw. Nutzungsverteilung: Nutzungenmix aus Büros (im Turm), Hotel (in Sockelzone), Retailflächen sowie öffentlichkeitsbezogene Nutzung (in Sockelzone)
o ca. 73.000 qm Büro- und Co-Working Space
o ca. 20.000 qm Hotel und Boarding House
o ca. 11.000 qm öffentlich zugängliche Flächen
• Arbeitsplätze: ca. 3.000
• Stellplätze: ca. 600
• Verkehr: Verkehrsanbindung mit U- sowie S-Bahn, mit einem Anschluss an das Autobahnnetz bzw. an den Individualverkehr und durch den geplanten Bootsanleger „Elbtower“ auch an das Wasserstraßennetz von Hamburg
• Baubeginn: 2022
• Fertigstellung (voraussichtlich): Mitte 2025

Visualisierung: © David Chipperfield Architects, Meldung: hamburg.de GmbH & Co. KG

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