Interview mit Simon Pilarski und Konstantin Korenchuk 4 TAGE BIS ZUR EWIGKEIT (2022)


Simon Pilarski und Konstantin Korenchuk trafen im Jahr 2009 zufällig im beschaulichen Bad Kreuznach aufeinander. Kurzerhand taten sie sich zusammen und drehten ihren ersten Kurzfilm DER STERNENBERG für knappe 30 Euro Gesamtkosten. Bei einem Kurzfilmfestival spielte der Film das Fünffache der Produktionskosten ein und dieser kleine, aber feine Erfolg stellt den Grundstein für die 2012 gegründete Produktionsfirma Sternenberg Films dar, deren Name eine Hommage an ihr Erstlingswerk ist.

2016 gewann ihr Kurzfilm NÄCHSTENLIEBE den Hessischen Hochschulfilmpreis. Sternenberg Films ko-produzierte auf internationaler Ebene den US-Mystery- Thriller SHORTCUT, der 2020 in den Top Ten der US-Kinocharts stand und anschließend an die US-amerikanische Videoplattform Hulu verkauft wurde.

Von 2019 bis 2023 realisierten sie als Autoren, Regisseure und Produzenten ihr Debüt 4 TAGE BIS ZUR EWIGKEIT, dessen Produktion von HessenFilm gefördert wurde.

 

 

Interview

4 TAGE BIS ZUR EWIGKEIT ist ein Liebesdrama mit Mystery-Elementen und basiert auf einer Sage aus dem 19. Jahrhundert. Wie seid ihr auf diesen spannenden Stoff gekommen?

Über die rheinische Sage, die vom Verschwinden des schottischen Mädchens Idilia Dubb erzählt, sind wir bereits vor über zehn Jahren gestolpert, da die Burgruine Lahneck ein häufiges Ausflugsziel von uns beiden war. Diese Story hat uns sofort fasziniert und nicht mehr losgelassen, denn die Legende wird begleitet von vielerlei Gerüchten und Spekulationen und niemand weiß, was damals wirklich passiert ist. Dieser fiktive Spielraum hat uns gereizt. Wir haben lange überlegt, wie wir daraus einen Spielfilm entstehen lassen könnten. Es war also ein Prozess über mehrere Jahre von der ersten Drehbuchfassung bis zur finalen Version. Indem wir uns auf die vier Tage von Idilias Kampf um Leben und Tod fokussieren, haben wir uns für ein intensives „limited setting“ und die Arbeit mit Rückblenden entschieden. Die finale Fassung ist unsere ganz persönliche Version von Idilias Geschichte. Über Rückblenden webt ihr in die Sage eine tragische Liebesgeschichte mit ein. Idilia verliebt sich in den Abessinier Caven, einem Schausteller der Völkerschau ihres Verlobten.

Genau wie auch die Sage, erzählt der Film eine Geschichte, in der die Grenzen zwischen Fiktion und Realität zunehmend ineinander verschwimmen. Dieses Setting sahen wir als ideale Möglichkeit, um uns an ein äußerst heikles und kritisches Thema heranzuwagen: Die im 19. Jahrhundert populären Völkerschauen, bei denen Menschen fremder Völker aus der ganzen Welt wie Tiere ausgestellt wurden. Über Jahrzehnte hinweg bis weit hinein in das 20. Jahrhundert wurde der Stereotyp der „Wilden“ Tausenden von Besuchern präsentiert, indem die Schausteller ein Klischee eines Volkes vorgaukeln mussten, zum Beispiel in frei erfundenen Kampfzeremonien oder Tänzen.

 

 

Ihr kombiniert ein kulturhistorisches Thema mit einer Sage. Diese Mischung ist ungewöhnlich. Was ist euer Ansatz dahinter?

Uns faszinieren Geschichten, die gesellschaftliche, sozialkritische Themen mit Genre-Elementen verknüpfen. Es sind genau die Geschichten, die in ihrem Ansatz, ihrer Visualität oder ihrem außergewöhnlichen Genre-Mix „elevated“ sind. Geschichten, die Arthouse mit Genre-Elementen kombinieren. Durch diese Kombination können die Gedanken, Konflikte und Traumata der Figuren auf eine metaphorische Art und Weise transportiert und greifbar gemacht werden. Wir sind fest davon überzeugt, dass Projekte, die diesen Balanceakt zwischen sozial relevanten Themen und metaphorischen Genre-Nuancen schaffen, besonders interessant und fesselnd sein können. Der Begriff „Elevated Genre“ ist international bereits geläufig. Werke wie „Sieben Minuten nach Mitternacht”, „Im Netz der Versuchung“, „Get Out” oder die Filme des US-amerikanischen Studios A24 bestechen durch die Kombination anspruchsvoller, zwischenmenschlicher Konflikte und unterhaltsamen, genrelastigen Geschichten.

Ihr habt diesen Film komplett in Eigenregie gestemmt – als Autoren, Regisseure und Produzenten in zweisamer Personalunion. Wie kam es dazu und was waren eure größten Herausforderungen bei der Vorbereitung und beim Drehen?

Nachdem wir für unser Drehbuch über mehrere Jahre hinweg keine Produktionsfirma finden konnten, haben wir 2016 entschlossen, unseren Film komplett selbst zu produzieren. Dabei hatten wir tatsächlich keinerlei Ahnung von Filmproduktion, von Förderungen, Kalkulationen und all diesen Dingen. Wir haben uns das Schritt für Schritt erarbeitet und durch “learning by doing” selbst beigebracht. Diese Doppeloder Dreifachbelastung war kräftezehrend. Zwei Monate vor Drehstart konnten wir das Produktionsruder gerade noch rechtzeitig an einen Herstellungsleiter aus der Hand geben und uns wirklich fulltime auf die Regiearbeit und Schauspielerführung konzentrieren. Wir wollten uns gut vorbereiten und haben für jede einzelne Szene ein Storyboard entwickelt.

In den 32 Drehtagen hatten wir mit den Locations großes Glück. Wir durften beispielsweise als erste Filmproduktion überhaupt im sogenannten „Felsenmeer“ im Odenwald drehen – ein ganz besonderer, von meterhohen Steinformationen gepflasterter Ort, der produktionstechnisch noch völlig unerschlossen war. Das war schon sehr abenteuerlich und es ist ein Wunder, dass sich beim Dreh niemand verletzt hat oder Equipment zu Bruch ging. Zudem haben wir im Felsenmeer Regenszenen, Schneeszenen und Stuntszenen gedreht. Die Szenen im Gasthaus wurden im Brentano-Haus in Oestrich-Winkel gedreht. Wir durften sogar das Zimmer und das original erhaltene Bett nutzen, in welchem J. W. von Goethe höchstpersönlich geschrieben und genächtigt hat. Weitere Szenen entstanden im UNESCO-Welterbe Bergpark in Kassel. Die Burgruine und das unterirdische Kellergewölbe wurden als Kulisse nachgebaut.

Eure gesamten Erfahrungen als „Produktionsneulinge“ wurden von Anfang an in einem 14-teiligen, filmischen Making-Of festgehalten, welches ihr auf YouTube jedermann zur Verfügung stellt. Wie kam es dazu?

Wir haben so viel Material von dem Film, welches wir uns erarbeitet haben und dieses Wissen wollen wir gerne teilen. Und da dachten wir, dann nehmen wir uns die Zeit und die Arbeit und machen eine ausführliche Making-Of-Reihe. Das war die Idee dahinter. Hier zeigen wir tatsächlich jeden Schritt der Filmherstellung, angefangen vom Drehbuch über die Finanzierung, bis hin zum Kulissenbau und dem Dreh mit den ganzen technischen Raffinessen. Wir geben ganz detaillierte Einblicke in die Abläufe und Prozesse, aber auch die Hürden und Schwierigkeiten, vor denen wir standen. Gezeigt wird auch der aufwändige Kulissenbau, bei dem eine historische Burgruine mit Burghof und unterirdischem Kellergewölbe als riesige Kulisse errichtet wurde. Wir sprechen auch darüber, was schiefgelaufen ist, zeigen Auszüge aus Kalkulationen und liefern konkrete Zahlen aus unserem Finanzierungsplan. Wir bekommen immer wieder Nachrichten von angehenden Filmemachern, die dankbar darüber sind, dass wir den ganzen Entstehungsprozess so unverblümt darstellen.

Die Making-Of-Reihe ist unter diesem Link zu finden.

Lea van Acken, Eric Kabongo und André M. Hennicke sind wohlbekannte Namen in der deutschen Filmlandschaft. Wie konntet ihr diesen Cast für euer Projekt gewinnen?

Wir haben Lea in DAS TAGEBUCH DER ANNE FRANK gesehen und sie daraufhin für die Hauptrolle angesprochen. Ihre Zusage kam, nachdem sie das Drehbuch gelesen hatte. Auf Eric wurden wir durch seine Rolle in WILLKOMMEN BEI DEN HARTMANNS aufmerksam. Er war sofort begeistert von unserem Projekt. André haben wir beim Hessischen Filmpreis 2016 kennengelernt, den als wir mit unserem Kurzfilm NÄCHSTENLIEBE den Hessischen Hochschulfilmpreis gewonnen haben. Auch er fand das Drehbuch super. Der Castingprozess war also fast schon das Einfachste bei diesem Film.

Quelle: ana radica Presse | van der Kuhlen Kommunikation, München

Siehe auch: 4 TAGE BIS ZUR EWIGKEIT – kulturexpress.info

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