100 Mio. € bislang versteckte Euro an Kostensteigerungen der „Kulturmeilenlösung“ für die Städtischen Bühnen sind nun eingepreist worden. Die im Memorandum of understanding vor einem Jahr vorgesehene Zahlungen für die 199-jährige Erbpacht des Grundstücks an der Neuen Mainzer Straße beliefen sich mit der zu berücksichtigenden Abzinsung auf einen realen Betrag von ca. 116 Mio. € (bei einem Zinssatz von 2,5 Prozent). Laut neuer Rahmenvereinbarung der Stadt Frankfurt am Main mit der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen und der Frankfurter Sparkasse vom 10. Juli 2024 steigen die Kosten für den Erwerb des Grundstücks an der Neuen Mainzer Straße für den Neubau des Schauspiels auf 210 Mio. € als Einmalzahlung. Damit wird die von der Stadt angestrebte Kulturmeile mit insgesamt 1,58 Mrd. € rund 200 Mio. € teurer als der mögliche Neubau der Doppelanlage am bisherigen Standort.
Wir hatten bereits im Dezember 2023 darauf hingewiesen, dass bei der Helaba durch den Wegzug Kosten von etwa 245 Mio. € entstehen und damit die Gesamtkosten des Projektes in die Höhe getrieben werden. Selbst der neue erhöhte Preis erhält unserer Kostenschätzung nach noch versteckte Mehrkosten für die Helaba von 40 Mio. €.
Doch trotz Haushaltskrisen wird die Politik wohl an dieser Variante festhalten. Die Logik heißt Gesichtswahrung. Wenn man von den blumigen Narrativen um die Kulturmeile absieht, ist längst klar: Der Kaiser ist nackt. Der neue Standort für das Theater ist wesentlich schlechter gelegen als der alte, er ist deutlich teurer und erfordert den Abriss eines weiteren Gebäudekomplexes von 39.000 qm – ein ökologisches Desaster. Und selbst für die Beschäftigten des Theaters ist die Version Kulturmeile fatal: Etwa sieben Jahre müssen Sie länger im Bestandsbau ausharren.
Es gäbe viele Lösungen, die besser wären als der eingeschlagene Weg. Neben der sinnvollsten und kostengünstigsten Option – der Theater-Doppelanlage am alten Standort – wäre auch ein Neubau des Theaters auf dem Signa-Grundstück Opernplatz 2 (ehemals Möwenpick) oder ein Umzug des Theaters auf die Zeil und mithin in die Nähe seines Ursprungsort an der Hauptwache städtebaulich wesentlich besser als die sogenannte Option „Kulturmeile“.
Aber einmal eingeschlagene Wege will keiner verlassen, und so soll das Schauspiel zwischen zwei Hochhäusern in der Straßenschlucht einer der am stärksten befahrenen Straßen der Frankfurter Innenstadt (mit über 25.000 Kraftfahrzeuge täglich) eingezwängt werden. 210 Mio. € sollen für einen Grundstückskauf ausgegeben werden, obwohl die Stadt über das für den Zwecke besser geeignetes Grundstück am Willy-Brandt-Platz selber verfügt.
Wie beim Großprojekt Stuttgart 21 können sich die Bürger*innen und Steuerzahler*innen darauf gefasst machen, dass der jetzigen Hiobsbotschaft weitere in Salamitaktik folgen werden. Denn weder sind bislang alle Kosten eingepreist noch alle Risiken des Vorgehens benannt.
Alfons Maria Arns (Freier Kulturhistoriker), Prof. Dr. Maren Harnack (Frankfurt University of Applied Sciences), Martina Metzner (freie Journalistin, abaut), Prof. Dr. Philipp Oswalt (Universität Kassel)
Foto (c) Kulturexpress
Linkliste bisheriger Veröffentlichungen:
Gesamtsanierung der Städtischen Bühnen Frankfurt
https://www.kulturexpress.info/2017/08/12/gesamtsanierung-der-staedtischen-buehnen-frankfurt/
Standorte und Stadträume bestimmen – Zukunft der städtischen Bühnen
https://www.kulturexpress.info/2020/07/10/standorte-und-stadtraeume-bestimmen-zukunft-der-staedtischen-buehnen/
Vier Neubau-Varianten zur Zukunft der Städtischen Bühnen
https://www.kulturexpress.de/3701.htm
https://www.kulturexpress.info/2020/07/19/vier-neubau-varianten-zur-zukunft-der-staedtischen-buehnen/
Fünf Standorte Neubau Städtische Bühnen Frankfurt
https://www.kulturexpress.de/3718.htm
https://www.kulturexpress.info/2020/08/23/fuenf-standorte-neubau-staedtische-buehnen-frankfurt/
Zukunft Städtische Bühnen Frankfurt widersprechen Abrissplänen der Stadt
https://www.kulturexpress.de/3737.htm
https://www.kulturexpress.info/2020/09/15/zukunft-staedtische-buehnen-frankfurt-widersprechen-abrissplaenen-der-stadt/
Der Vorschlag zur Zukunft der Städtischen Bühnen Frankfurt bleibt in altem Denken gefangen
Abbruch statt Aufbruch?
https://www.kulturexpress.info/2022/02/26/der-vorschlag-zur-zukunft-der-staedtischen-buehnen-frankfurt-bleibt-in-altem-denken-gefangen/
Zur Kritik des Betriebsrats an der Initiative Zukunft Bühnen Frankfurt
Brief an den Betriebsrat
https://www.kulturexpress.info/2022/03/16/zur-kritik-des-betriebsrats-an-der-initiative-zukunft-buehnen-frankfurt/
Zoltan Kemenys Frankfurter Wolkenfoyer. Entstehung und Zukunft einer gefährdeten Raumkunst
https://www.kulturexpress.info/2022/10/03/zoltan-kemenys-frankfurter-wolkenfoyer-entstehung-und-zukunft-einer-gefaehrdeten-raumkunst/
Doppelanlage der Städtischen Bühnen am Willy-Brandt-Platz in Frankfurt erhalten Zusage
Initiative Zukunft Bühnen Frankfurt warnt
https://www.kulturexpress.info/2023/03/28/doppelanlage-der-staedtischen-buehnen-am-willy-brandt-platz-in-frankfurt-erhalten-zusage/
Initiative Zukunft Bühnen Frankfurt beklagt Kulturdezernat-Entscheidung
https://www.kulturexpress.info/2023/04/15/initiative-zukunft-buehnen-frankfurt-beklagt-kulturdezernat-entscheidung/
Kulturdezernentin Hartwig stellt Abschlussbericht zur Zukunft der Städtischen Bühnen Frankfurt vor
https://www.kulturexpress.info/2023/04/09/kulturdezernentin-hartwig-stellt-abschlussbericht-zur-zukunft-der-staedtischen-buehnen-frankfurt-vor/
Einigung zwischen Helaba, Frankfurter Sparkasse und Stadt Frankfurt ermöglicht Umsetzung der Kulturmeile
https://www.kulturexpress.info/2023/08/29/einigung-zwischen-helaba-frankfurter-sparkasse-und-stadt-frankfurt-ermoeglicht-umsetzung-der-kulturmeile/
Kulturmeile nicht nur ökologisch ein Desaster
https://www.kulturexpress.info/2023/08/30/kulturmeile-nicht-nur-oekologisch-ein-desaster/
Helaba Kosten von mehr als 100 Mio. Euro verschwunden
https://www.kulturexpress.info/2024/01/11/helaba-kosten-von-mehr-als-100-mio-euro-verschwunden/
Abrissdoppelbeschluss: Frankfurt verliert einen Schlüsselbau der Nachkriegsmoderne
https://www.kulturexpress.info/2024/01/16/abrissdoppelbeschluss-frankfurt-verliert-einen-schluesselbau-der-nachkriegsmoderne/